Kapitel 9
Sie hatten ihn wieder allein gelassen. Für wie lange konnte Poe unmöglich sagen, doch als er das Signal der Tür wahrnahm, das den Öffnungsmechanismus ankündigte, schienen Stunden vergangen zu sein. Das Brennen in seinen an das Halbdunkel der Zelle gewöhnten Augen, als das beinahe grelle Licht des Flurs in die Zelle drang, ließ vermuten, dass sein Zeitgefühl immerhin nicht vollends verloren gegangen war. Gegen den Schein der weißen Lampen konnte Poe nur die Umrisse des Mannes erkennen, der jetzt den Raum betrat. Allein. Keine weiteren Wachen. Aber es war auch nicht Ren. Fast rechnete er damit Erleichterung zu verspüren, doch da war nichts. Nichts als dumpfe Leere.
Die Tür glitt wieder zu und Poe blinzelte der Gestalt entgegen und als die Person näher trat, als Poes Augen sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnten, stockte ihm der Atem und der Name entwich seinen Lippen, ehe er ihn zurückhalten konnte. Das hellblonde Haar glatt nach hinten gekämmt, die Gesichtszüge vertraut wie an dem Tag als er ihn zuletzt gesehen hatte. Die Augen kalt, wie niemals zuvor. „Morap.“
Sein Gegenüber fuhr sichtlich zusammen und die braunen Augen verengten sich. Sofort erkannte Poe, dass es nicht Morap war, der vor ihm stand. Doch die Lippen waren schmaler, das Gesicht eine Spur runder. Und doch... Poes Kehle war wie ausgedörrt, als der Mann, der Morap so verdammt ähnlich sah, langsam auf ihn zutrat. Die blankpolierten schwarzen Stiefel mit ihre festen Gang verursachten kaum einen Laut beim Auftreten. Die ebenfalls schwarze Uniform war makellos, ebenso wie das restliche Auftreten des Mannes. So anders als Morap, dessen Hemdzipel immer zum falschen Zeitpunkt aus der Hose hergevorlugt, der überhaupt kaum ein Kleidungsstück ohne einen verräterischen Ölflecken besessen und dessen Haar immer so wunderbar zerzaust ausgesehen hatte.
„Morap?“, fragte der Mann mit tiefer Stimme nach und Poe sah ihm an, dass er ihn aus der Fassung gebracht hatte, wenn auch nur für einen Moment. Moraps Gesicht, das nicht zu Morap gehörte kam seinem näher. Automatisch suchte Poe nach der feinen Narbe neben dem linken Nasenflügel, fand sie aber nicht. Wie auch. Er war es nicht. Die rechte Augenbraue des Fremden wanderte in die Höhe, was ihm eine nur noch größere Ähnlichkeit mit dem Mann gab, der Poe einmal alles bedeutet hatte. „Mein Name ist Lieutenant Meelan Bendar.“ Der Fremde wich wieder eine Handbreit zurück.
Bendar. Nicht Morap Bendar. Meelan Bendar. Der Nachname war Poe so vertraut. Wie auch nicht. Moraps Nachname. Poe schüttelte ungläubig den Kopf, erleichtert, dass seine Augen trocken blieben. Seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen, als er Meelan Bendar betrachtete.
„Mein Bruder ist also beim Widerstand.“ Ein schmales Lächeln. „Er war schon immer ein Idealist. Wie geht es ihm?“ Der beiläufige Tonfall mit dem diese Worte gesprochen wurden, waren schwerer zu ertragen als die Worte an für sich.
„Tot“, antwortete Poe, die Stimme brüchig. Er verfluchte sich stumm selbst. Jede Kontrolle, die er über sich gehabt hatte, war mit dem Eintreten des Mannes, der sich Moraps Bruder nannte, verschwunden. Er hatte gewusst, dass Morap aus der Unbekannten Region zum Widerstand gefunden hatte und die Tatsache, dass Morap niemals darüber hatte reden wollen, nicht einmal mit Poe, hatte ihn annehmen lassen, dass Morap vor etwas geflohen war. Aber das... das hier war unerträglich. „Die Erste Ordnung hat ihn ermordet.“
Wieder zuckte der Mundwinkel des Anderen, doch die Augen blieben ausdruckslos. „Idealistischer Rebell“, sagte Bendar nach einigen Herzschlägen kühl, sah auf seine Hände hinab und zog die Handschuhe hoch, als säßen sie nicht richtig. Die Hände, die Moraps, auch verkleidet, so ähnlich sahen, ballten sich zu Fäusten. „Das erklärt immerhin, warum Beebee-Ate in deinem X-Flügler war. Mein Bruder hat ihn mitgenommen, als er geflohen ist.“
Poe presste die Lippen aufeinander. Rief sich ins Gedächtnis wo er war. Was ihn erwartete. Er durfte sich nicht ablenken lassen, auch wenn alles in ihm danach schrie den Mann vor sich zur Rede zu stellen. Irgendwie. Morap. Morap! Obwohl er den wahren Namen des Anderen kannte, glaubte Poe Morap in jeder noch so keinen Veränderung der Mimik zu sehen. Und die Stimme... diese Stimme. Poe schüttelte ungläubig den Kopf. Er war ein Gefangener der Ersten Ordung. Das vor ihm war nicht Morap. Morap war tot. Getötet im Einsatz von der Ersten Ordnung, die sich zu dem Zeitpunkt bedeckt gehalten hatte. Es war kein Unfall gewesen. Kein Opfer im Kampf, das Morap erbracht hatte. Es war Mord gewesen. Und der Mann vor ihm hätte ebenso gut am Abzug stehen können wie jeder andere Offizier der Ersten Ordnung. Und trotzdem. „Beebee...“, murmelte er. „Wo ist er?“ Poe fragte es und wusste doch, dass er keine Antwort zu erwarten hatte. Sie kam auch nicht.
„Also, Dameron...“ Bendar trat einen Schritt zurück, betrachtete ihn eingehend und Poe spürte, wie sein Körper sich versteifte, obwohl das Gesicht des Anderen ihn zum Gegenteil motivieren wollte. Das hier war noch gefährlicher. Gefährlicher als wenn irgend ein anderer hereingekommen wäre. Weil seine Augen seinem Kopf etwas vormachten.
Bendars Augen fokussierten sich auf ihn. Augen, die Poe mit einem einzigen Blick die Kehle zuschnürten. „Ich habe ein paar Fragen für dich.“ Bendars Schultern waren gestrafft, das Gesicht geradezu versteinert.
„Das habe ich mir schon gedacht“, sagte Poe, bemüht darum so zu klingen als sei es ihm gleich. Natürlich hatten sie ihn in seiner Zelle beobachtet. Natürlich wussten sie, wie es wirklich in ihm aussehen musste. Doch er wollte verdammt sein, wenn er es zugab. Insbesondere vor dieser Erscheinung, die ihn innerlich zu zerreißen schien. „Aber ihr habt euch verdammt viel Zeit gelassen. Ich fühle mich hier schon ganz heimisch.“
Bendars Brauen wanderten wieder in die Höhe. „Dem werden wir schon Abhilfe schaffen.“ Ihre Blicke trafen sich, dann zog Bendar ein kleines, schmales Gerät aus der Hosentasche und im nächsten Moment spürte Poe, wie seine Fingerspitzen unangenehm zu kribbeln begannen, wie seine Knie nachzugeben drohten. Auch wenn noch kein Schmerz seinen Körper durchzuckte, wusste er, dass dieser Moment nicht weit sein konnte. Er biss die Zähne zusammen und hielt den Blick auf Bendars Gesicht gerichtet, auch wenn es nur schwer zu ertragen war. Er durfte nicht nachgeben. Musste aushalte solange er konnte. Als die Muskeln in seinen Schultern unkontrolliert zu zucken begannen, schloss er doch die Augen.
„Mit welchem Teil des Ausbildungsnetzwerkes steht der Widerstand in Verbindung?“
Schwer atmend riss Poe die Lider auf, bemüht keinen Laut von sich zu geben, der verriet, wie sehr ihm das Surren seiner Knochen zusetzte. Schon jetzt. „Was?“, presste er zwischen den Zähnen hervor. Schweiß rann über seine Stirn und er versuchte die Hände aus den Fesseln zu befreien, die direkt und flach auf der Metallplatte auflagen. Zu fest. Er stieß Luft durch die Nase aus, als die Intensität des Kribbelns zunahm.
„FN-2187 hat dir bei der Flucht geholfen. Er zeigte bei seiner Ausbildung Auffälligkeiten. Wie hat der Widerstand ihn rekrutiert und wie viele andere wie er sind noch in den Rängen der Sturmtruppen?“
Poe blinzelte, spürte, wie sein Zahnfleisch zu vibrieren schien, wie eine unbekannte, übelkeitverursachende Taubheit seine Arme hinauf kroch, wie seine Arme und festgeschnallten Arme anfingen wie wild und unkontrolliert zu zucken. Er versuchte den Kopf zu schütteln. Die Schläge konnte er ertragen. Das hier... Seine Gedanken rasten und kamen zu keinem Schluss, während er den Fremden betrachtete, der ein so bekanntes Gesicht trug. Morap.. Finn. „Egal was ich sage, du glaubst es ja doch nicht“, zischte er und unterdrückte einen Aufschrei, als die Spannung unter seinen Fingerspitzen nur noch anstieg, als der reißende Schmerz plötzlich seine Arme hinauf zuckte, sich wie ein gleißender Blitz in sein Gehirn bohrte. „Keiner!“, brach es aus ihm hervor und sofort wich die Spannung aus seinem Körper, der schlaff nach vorn fiel, sofern die Fesseln es erlaubten. Seine Knie waren so weich, dass er ganz vornüber gefallen wäre, wäre er nicht künstlich festgehalten worden.
Eine behandschuhte Hand schloss sich um sein Kinn, drückte seinen Kopf weiter nach hinten und als Bendar wieder sprach, spürte Poe den warmen Atem auf seinem verschwitzten Gesicht. „Lügner“, sagte die Stimme so sanft, dass sich Poes Nackenhaare aufstellten. Ein Schlag ins Gesicht, das er nicht abwenden konnte und er spürte den dumpfen Aufprall gegen seine Schläfe, spürte den Fausthieb und rang nach Luft, in dem Versuch sein karges Frühstück bei sich zu behalten. Und das hier... das hier war nur der Anfang. Das wusste er.
Matt schüttelte er den Kopf. „Nein“, antwortete er. „Da ist keiner, Finn war ein glücklicher Zufall.“ Er hustete trocken, versuchte sich aufzurichten, so gut er konnte und blickte Morap entgegen. Morap, der nicht Morap war. Das musste er sich vor Augen halten. Meelan Bendar war nicht Morap. Auch wenn er so aussah. Morap war tot. War gestorben wie ein Held. Das vor ihm in diesem Moment würde niemals an Morap heran reichen. Morap hatte ihm diesen Mann verheimlicht. Diesen Bruder. Vermutlich aus gutem Grund. Trotzdem schmerzte der Gedanke beinahe mehr als das Pochen in seinen Schläfen und das noch immer anhaltende Zucken seiner Muskeln.
„Finn?“ Bendar lachte trocken und rieb sich die behandschuhte Faust mit der freien Hand. „Gebt ihr allen Überläufern neue Namen?“
Poe keuchte auf, als Bendar das Gerät wieder aufnahm, als das Kribbeln in seinen Armen wieder anfing. Er schloss die Lider um die Augen nicht mehr sehen zu müssen und bemühte sich seinen Atem flach zu halten. Ohne großen Erfolg. „Warum besteht ihr auch auf Nummern- und Buchstabenkombinationen. Jeder hat das Recht auf einen Namen.“ Jeder seiner Knochen schien in Flammen zu stehen. Selbst seine Zehen in den unzureichenden Schuhen verkrampften sich. Es war als versuche sein Körper in sich selbst zu verschwinden um einen Ausweg zu haben. Doch nichts. Er rang nach Atem, während die Krämpfe anfingen seine Muskeln zu würgen.
„Der Widerstand ist zu sentimental“, hörte er Bendars Stimme wie aus weiter Ferne. „Noch einmal: wie viele sind es? Welche Station wurde infiltriert? Wer gehört zu euch Rebellen?“
Ein stummer Schrei. Zu mehr war er kaum noch fähig. Ein Schrei, der in Keuchen endete, als Bendar von ihm abließ. Seine Lungen füllten sich nur langsam mit der dringend benötigten Luft und jeder Zug schien zu brennen. Wieder deutete er ein Kopfschütteln an. Die Fragen brauchten viel zu lange um in sein Gehirn vorzudringen. Die Worte zu lang um inmitten der sengenden Stiche in seinem Kopf Klarheit zu erlangen. Der Widerstand sollte die Erste Ordnung infiltriert haben? Sollte in den Rängen der Ersten Ordnung Verrät gesät haben? Poe hätte gelacht, wäre ihm nicht so elend gewesen. „Es tut mir leid, dass du deine Zeit und Energie mit mir verschwenden musst“, sagte er heiser, während ein roter Film sich über sein linkes Auge legte, als das Blut langsam aber sicher eine Spur über sein Gesicht zog. Er atmete tief ein. Deutete ein Kopfschütteln an. Nie im Leben hatte er sich ein Glas Wasser und frische Luft so sehr gewünscht wie in diesem Moment, da er glaubte sein Kopf würde jeden Moment zerbersten. „Da ist nichts. Finn hatte einfach die Nase voll.“ Er richtete den Blick gegen die Decke. Wartete auf den nächsten Schlag. Die nächsten Wellen Elektrizität, die Bendar durch seinen Körper jagen würde. Doch nichts kam. Finn... Finn hatte genug gehabt von der Ersten Ordnung. Seinen Mut hatte Poe immer bewundert und nie hatte Poe Finns Mut mehr gebraucht wie in diesem Moment. Nie hatte Poe Finn mehr gebraucht als in diesem Moment. Dabei waren sie sich nur einmal wirklich nahe gewesen. Doch dieser Moment erstreckte sich in Poes Erinnerung mittlerweile über Jahre. Jahre, in denen er einfach nur Finns Lippen auf seinen hatte spüren dürfen. Tränen schossen ihm in die Augen. Tränen, die er nicht einmal mehr zurückhalten konnte. Es war zu viel. Erst Morap. Dann Finn. Beide wurden sie ihm wie Schläge ins Gesicht geworfen und keinem konnte er helfen.
„Die Rebellenbasis.“
Wieder schüttelte Poe den Kopf. „Die habt ihr entweder längst gefunden und zerstört, oder es ist euch egal. Ihr habt mich zu lange schmoren lassen, als dass ich auch nur annehmen könnte, es wäre überaus dringend.“
Keine Antwort. Das war alles was er brauchte. Ein mattes Lächeln konnte Poe nicht unterdrücken. Sie würden es trotzdem versuchen. Würden trotzdem weitermachen, bis sie doch alles aus ihm herausbekommen hatten, was sie wissen wollten.
Es dauerte Stunden. Tage? Poe wusste es nicht, hörte auf die Ewigkeiten zu zählen, die sein Leben bestimmten. Ewigkeiten, in denen Bendar, der mit jeder Minute zu einem Anderen, zu einem Ungeheuer, das nichts mehr mit Morap gemeinsam hatte, mutierte. Meelan Bendar, dessen Gesicht bei jeder Frage, bei jeder Wiederholung gleichmütig blieb, veränderte sich vor Poes geistigem Auge zu etwas, das die eigentliche physische Erscheinung innerlich verzerrte.
Und er machte es gut. Brachte Poe so oft zum Rand der Bewusstlosigkeit, um ihn dann wieder unberührt zu lassen. Ging. Ließ ihn allein um dann wiederzukommen, wenn Poe sich wieder halbwegs gefangen hatte, nur um an derselben Stelle weiter zu machen. Die kontinuierlichen Fragen. Die Ruhe. Der Schmerz. Poe wusste, dass er früher oder später sagen würde, was Bendar wissen wollte. Sie hatten Zeit. Zeit um mit ihm zu tun was sie wollten und irgendwann, als ein gefühltes Jahrzehnt verstrichen war, als Moraps Gesicht endgültig so gut wie aus Poes Erinnerung getilgt war, nannte Poe den Namen des Sternensystems, auf dem die neue Basis des Widerstands aufgebaut werden sollte. Doch nichts weiter. Soweit er wusste war Finn ein Einzelfall gewesen. Soweit er wusste gab es in den Rängen der Ersten Ordnung keine Verräter. Und woher sollte er es auch wissen, wenn es anders gewesen wäre. Er war Pilot. Nichts weiter. Bendar schien zu einem ähnlichen Schluss gekommen zu sein.
Als die Soldaten ihn endlich losmachten, als Poe vollkommen erschöpft nach vorn sackte und er nichts anderes tun konnte als sich von den Sturmtrupplern festhalten zu lassen, weil seine eigenen Beine ihn nicht mehr trugen, sah er noch einmal in Bendars Gesicht, wusste aber schon, was kommen würde.
„Dein Bruder war ein tausendmal besserer Mann als du, Meelan“, krächzte Poe in einem Versucht doch das letzte Wort zu haben und Bendars Augen funkelten einen Moment. Er hatte erkannt, was Morap für Poe gewesen war und verachtete Poe dafür. Dafür, dass er sich mit Morap eingelassen hatte, der für Meelan Bendar nichts weiter war als ein sentimentaler Schwächling.
„Deine Exekution ist bereits anberaumt. Drei Tage, Dameron.“
Drei Tage. Das war eine weitere Ewigkeit. Eine Ewigkeit, in der Poe jede Silbe des Wortes, das er preisgegeben hatte bereuen konnte. Tausendfach und abertausendfach. Er war der Verräter. Er. Auch wenn die Erste Ordnung vermutlich die Schiffe des Widerstand verfolgt hatte. Auch wenn sie die neue Basis bereits entdeckt hatten. Er konnte nur hoffen, dass der Widerstand sich in Sicherheit an einem anderen Ort formiert hatte. Dass sein Verrat keine Folgen haben würde. Nicht für Finn.
Drei Tage.
Der Pilot
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Re: Der Pilot
Kapitel 10
Drei Tage. Man hatte ihn mehr in seine Zelle tragen müssen als das er hätte laufen können. Und da seine Beine ihm ohnehin den Dienst versagten, machte er nicht einmal Anstalten seine Würde zu bewahren. Drei Tage. Woher sollte er wissen, wann seine Zeit abgelaufen war? Woran sollte er es messen? An der Anzahl der gezählten Mahlzeiten? Daran, wie oft sie ihn zum Waschen brachten? Sie ließen ihn nicht einmal auf dem Boden liegen, sondern hievten ihn auf das schmale, harte Bett, bevor sie gingen. Ohne ein Wort. Drei Tage. Das war nichts und gleichzeitig eine Ewigkeit.
Poe kniff die Lider zusammen und presste die Handballen auf die geschlossenen Augen, unterdrückte einen heiseren Schrei, der doch nichts gebracht hätte. Wie restlos er versagt hatte. Dabei wusste er, dass er nichts hatte ändern können. Dass er der Ersten Ordnung so ganz allein und wehrlos wie er war, nichts entgegenzusetzen hatte. Doch es half nicht. Der Gedanke spendete keinen Trost. Eine klaffende Leere schlug sich in seine Brust wie die Krallen eines Ungeheuers und wie um sich selbst davor zu schützen, wie um sich selbst zusammenzuhalten, drehte er sich wieder auf die Seite. Das Gesicht zur Wand, wie er es so oft getan hatte. Hier wenigstens hatte er das Gefühl geschützt zu sein, auch wenn er wusste, dass dieses Gefühl mehr Selbstbetrug war als alles andere.
Öffentlich. Das hatte Bendar ihm noch gesagt. Öffentlich. Eine öffentliche Hinrichtung. Übertragen über das Holo-Netz. Poes Kehle war wie zugeschnürt und ihm stockte der Atem beim bloßen Gedanken daran, dass seine Begegnung mit dem Tod alles andere als privat sein würde. Stattdessen würde jedes Wesen der Galaxis es sehen können, wie er seinen letzten Atem aushauchte. Der Gedanke daran, dass sein Vater es so erfahren würde, dass sein Vater jetzt auch noch den einzigen Sohn verlieren würde und auf diese Weise, ließ einen eisigen Schauer seinen Rücken hinabrieseln.
Drei Tage, dann würde jeder wissen, dass er nicht in seinem X-Flügler gestorben war. Immerhin würde dann der Widerstand wissen, dass er gefangengenommen worden war. Dass ihre Pläne vermutlich kompromittiert waren. Ein plötzlicher Gedanke schoss ihm durch den Kopf. War diese öffentliche Hinrichtung ein Ablenkungsmanöver? War der Widerstand doch auf den Planeten zurückgekehrt, den er Bendar genannt hatte? Hatte die Erste Ordnung bis zu diesem Moment vielleicht doch nicht gewusst, wo der Widerstand sich aufhielt? Das Unwissen über das, was in der restlichen Galaxis geschah, trieb ihn beinahe in den Wahnsinn.
Poe zog die Knie enger an und ignorierte das leise Surren, das ihm normalerweise anzeigte, dass das Essen gebracht wurde. Er war nicht nur körperlich, sondern auch psychisch zu ausgelaugt um auch nur an Nahrungsaufnahme zu denken. Stattdessen hielt er die Augen fest geschlossen und die Erinnerung an ein nicht mehr ganz kleines Fellknäuel schoss ihm durch den Kopf. Molly hatte oft nah an seinem Körper geschlafen. Oft so, dass ihre Wirbelsäule auf einer Linie mit seiner war. Die Wärme, die von dem Tier ausgegangen war, hatte ihn auch nach aufreibenden Tagen beruhigt und binnen weniger Minuten hatte er einschlafen können. Poe rief sich den Druck des kleinen Körpers gegen seinen ins Gedächtnis. Das stete Atmen und die großen bernsteinfarbenen Augen am nächsten Morgen, bevor er ihr das Frühstück vorsetzte. Sie immerhin war garantiert in Sicherheit bei seinem Vater. Wieder dieser Stich bei dem Gedanken an jemanden, den er nicht retten konnte. Nach seiner Frau würde Kes Dameron auch noch seinen Sohn verlieren und Poe konnte nicht anders als sich auszumalen, wie sein Vater darauf reagieren würde. Was es ihm antun würde.
Drei Tage. Das war alles andere als lang.
Er zählte die Mahlzeiten. Zählte wie oft sie ihn zur Dekontaminationseinheit brachten und die zeitlichen Abstände schienen immer kürzer zu werden, dabei wusste er so genau, dass sie sich strikt an ihre Zeitpläne hielten. Nicht einmal die Erste Ordnung konnte die Zeit manipulieren. Nachdem das wohl letzte Frühstück in seine Zelle geschoben worden war, stand Poe vor dem Tablett, starrte darauf hinab und konnte sich nicht dazu überwinden es anzurühren. Die eintönige Nahrung hatte er mehr aus Notwendigkeit als aus Appetit heruntergewürgt, aber diese Notwendigkeit bestand jetzt nicht mehr. Nicht einmal Langeweile konnte ihn zum Essen verleiten. Auch nicht jetzt. Nicht einmal um bei Kräften zu bleiben. Die letzten Stunden, die er vielleicht noch hatte, spornten ihn nicht an das Tablett zu nehmen und die braun-graue Masse zu löffeln.
Kopfschüttelnd verschränkte er die Hände im Nacken und starrte an die Decke, die so ebenmäßig und eintönig war wie eh und je. Immerhin bebte er nicht mehr am ganzen Körper. Es war beinahe so, als haben seine Muskeln, seine Nerven, als habe jede Zelle aus der er bestand sich damit abgefunden, dass ihr Leben bald beendet sei würde, noch während seine Gedanken an der Existenz festhalten wollten. In einem gewissen Grad jedenfalls. Alles in ihm, was nicht resigniert hatte, wehrte sich gegen das Aufgeben. Das war niemals seine Art gewesen, doch die letzten Tage und Stunden hatten dieses seltsam dumpfe Gefühl in ihm geweckt.
Stumm blieb er stehen. Gesessen hatte er genug in den letzten Tagen und es war beinahe, als sei dieses Stehen wenigstens ein symbolischer Widerstand gegen das Einknicken vor der Ersten Ordnung, obwohl er doch schon lange nachgegeben hatte. Mit geschlossenen Augen ging er das Protokoll der Ordnung für Exekutionen durch. Es gehörte zu den Dingen, die er mehr beiläufig als aktiv gelernt hatte, als er dem Widerstand beigetreten war. Nicht weil er der Meinung war es unbedingt wissen zu müssen, sondern weil die Akkuratheit des Vorgangs ihn nicht hatte kalt lassen können. Die Neue Republik befürwortete die Todesstrafe nicht und die wenigen Systeme der Republik, die ihr angehörten und an denen die Todesstrafe durchgeführt wurde, befanden sich in kontinuierlichen Auseinandersetzungen mit dem Rest der Republik. Die Art und Weise der Todesarten wurde in den Medien nicht breit getreten und Poe hatte es immer geschafft diese Diskussionen nicht an sich herankommen zu lassen. Jetzt steckte er selbst in dieser Situation und er war überrascht, wir ruhig er jetzt war. Vielleicht gerade weil er diese Protokoll vor Augen hatte. Vielleicht hatte etwas in ihm geahnt, dass es einmal für ihn so weit kommen konnte.
Sie würden ihn holen. Bald. Dann würden sie ihn in den Präparationsraum bringen. An dieser Stelle würden sie das Haar in seinem Nacken stutzen, wenn sie ihm den Kopf abschlugen, wenn nicht, gäbe es sofort das Medikament, das ihn beruhigen würde. Er würde es nicht ablehnen können. Sie wollten, dass das Opfer ruhig blieb und nicht auf den letzten Metern noch einen Kampf anfing, den es ohnehin nicht gewinnen konnte. Die Verlesung des Urteils. Keine Gelegenheit für letzte Worte. Und dann... Poe wusste nicht, was auf ihn wartete. Man hatte es ihm nicht gesagt, doch er fragte sich, ob er das Klinge spüren würde, oder ob es schneller vorbei sein würde. Würde Gift im Exekutionsraum auf ihn warten? Ein Strick? Ein Erschießungskommando? Und da war es doch noch. Ein Schaudern, das seinen Körper ergriff. Eine letzte Regung, bevor es endgültig zu spät war? Bevor sie den leblosen Piloten des Widerstands in einen Sack verpackten und entsorgten?
Als die Tür aufglitt, straffte er die Schultern und sah seiner Eskorte stumm entgegen. Immerhin musste er sich jetzt keine Sorgen mehr darüber machen, dass sie versuchen würden ihm etwas abzupressen. Zwei der Sturmtruppen betraten den Raum und nahmen rechts und links von ihm Aufstellung, doch als Meelan Bendar als nächstes eintrat, musste Poe doch um eine ausdruckslose Mine kämpfen.
„Dameron...“ Bendar betrachtete ihn kurz, wie um die Spuren seiner Befragung auf Poes Gesicht noch einmal in Augenschein zu nehmen. Zufrieden nickte er. „Dann wollen wir.“
Poe zuckte mit keiner Wimper, als die Sturmtruppen ihn aus dem Raum führten. Sein Blick war starr auf Bendars Hinterkopf gerichtet. Die schwarze Uniform ließ die Haut so viel heller erscheinen, als sie vermutlich war. Poe merkte sofort, wie seine Augen den entblößten Nacken nach dem Muttermal absuchten, das er so oft bei Morap betrachtet hatte. Erleichterung machte sich in ihm breit, als er es nicht fand. Bendar mochte seine Erinnerungen an Morap besudelt haben, doch diese kleine Feststellung fühlte sich an wie ein Triumph auf den letzten Metern seines Lebens. Letzte Meter, die geradezu an ihm vorbei flogen. Der Weg, den sie durch die vollkommen staubfreien Korridore einschlugen, zog geradezu an ihm vorbei. Er wusste, dass er nicht damit rechnen durfte und doch schoss ihm durch den Kopf, wie viel leichter es ihm gefallen wäre nicht jeden seiner Schritte zu zählen, hätte er noch einmal einen Himmel sehen dürfen.
Seine Zunge fühlte sich an wie Sand, als sie, nach einer schier endlosen Fahrt mit einem Transporter und zahllosen Gängen einen kleinen, dunklen Raum betraten. Die Sturmtruppen verschwanden und von einer Sekunde auf die andere fand Poe sich Auge in Auge mit Bendar. Sein Gesicht wäre es also, das er als letztes sehen würde. Mit etwas Glück, schoss es ihm durch den Kopf, würde Meelan Bendars Züge in den letzten Sekunden seines Lebens wieder zu Moraps werden. Ein schwacher Trost. Aber wenn er die Augen schloss, dachte er an Finn und das war unerträglich.
Die Tür war hinter den Sturmtruppen zugeglitten, grelle Lichter erhellten den Raum und Poes Blick glitt sofort zur anderen Seite. Zur nächsten Tür. Die letzte, deren Schwelle er jemals übertreten würde. Er atmete tief durch, als Bendar ihm den Rücken zuwandte und an einer Wandkonsole etwas eintippte. Seine Minuten waren gezählt. Fast wünschte er sich es wäre schon vorbei.
„Wir wollen es nicht in die Länge ziehen. Das Holo-Netz wartet.“ Bendars Stimme klang kühl wie immer, als er sich wieder zu Poe umwandte, in der einen Hand ein Glas mit Wasser, in der anderen Hand einen winzigen Papierbecher, in dem sich das Medikament befinden musste. Poe nahm es ohne zu zögern. Es würde ohnehin nichts bringen sich zu widersetzen und er wollte verdammt sein, wenn sie ihm die Beruhigungsdroge auch noch aufzwingen mussten. Er blickte Bendar in die Augen, als er den Becher an die Lippen legte und dann den Kopf nach hinten warf. Eine Pille. Poe hatte sie nicht einmal angesehen. Schnell nahm er noch ein paar Schlucke Wasser. Das Glas drohte ihm durch die Finger zu gleiten. Erst jetzt spürte er den dünnen Schweißfilm auf seiner Haut.
„Dann wollen wir es nicht warten lassen“, murmelte Poe, als er das Glas Bendar wieder in die Hand drückte. Schön jetzt spürte er, wie schwer sein Arm wurde, doch sein Verstand hörte nicht auf zu arbeiten. Holo-Netz. Öffentlich. Finn. Sein Vater.
Niemand war ihm nahegekommen. Niemand hatte sein Haar gestutzt. „Wie?“, fragte er und ärgerte sich darüber, wie schwach seine Stimme klang.
„Hängen.“ Die Antwort kam prompt ohne vollkommen kühl, doch in dem Gesicht vor sich, glaubte Poe wieder das Zucken zu sehen.
Bendar zückte ein Gerät, ein Scanner, wie Poe sofort erkannte, den Bendar über Poes Brust fahren ließ. Offensichtlich zufrieden mit dem Ergebnis nickte Bendar und steckte das Gerät wieder ein. „Gute Reise, Dameron.“ Es klang, als habe er es hunderte Male gesagt und vermutlich war es auch so. Distanziert. Kalkuliert.
Poes Muskeln gehorchten ihm kaum, als Bendar ihn rüde mit dem Gesicht zur zweiten Tür drehte. Er wollte sich versteifen. Die fremde Hand abschütteln. Es ging nicht. Die Tür wurde geöffnet und schon jetzt nahm Poe alles wie durch einen schwammigen Filter hindurch wahr. Seine Beine gehorchten, doch sein Verstand schien geradezu abwesend. Er sah den hohen weißen Raum, sah auf einen Blick die drei Holocams und spürte jedes Schlagen seines Herzens. Zählte jeden Atemzug, den er tat, doch die körperlöse Stimme, die das Urteil verlas nahm er kaum wahr, während Bendar ihn in die Mitte des Raumes führte. Zum Emblem der Ersten Ordnung unter dem Gurt, der sein Leben beenden würde. Der Gurt wurde hinab gelassen. Er hörte das leise Surren. Hörte seinen Namen, doch er nahm ihn nicht wahr. Den Kopf hielt er hoch erhoben. Es war das einzige woran er noch denken konnte, während das Blut in seinen Ohren rauschte, während er versuchte mit jedem Atemzug seine Lungen bis zum Bersten zu füllen. Woran er sich festhalten konnte und wollte. Dass er nicht sterben wollte wie ein Feigling. Den Blick zu Boden gerichtet. Er wollte der Ersten Ordnung die Stirn bieten. Ein letztes Mal.
Die Stimme verstummte.
Der Gurt um seine Hals war kühl.
Bendar stand vor ihm. Nickte. Verschwand aus seinem Blickfeld. Trat beiseite.
Es wurde eng.
Kalter Schweiß rann zwischen seinen Schulterblättern herab, als er es spürte. Ehe ihm die Luft wegblieb. Ehe seine Füße den Boden verließen. Füße die zuckten, die nach Halt suchten und ihn niemals finden würden.
Das Weiß des Raumes wich vollkommener Finsternis.
Drei Tage. Man hatte ihn mehr in seine Zelle tragen müssen als das er hätte laufen können. Und da seine Beine ihm ohnehin den Dienst versagten, machte er nicht einmal Anstalten seine Würde zu bewahren. Drei Tage. Woher sollte er wissen, wann seine Zeit abgelaufen war? Woran sollte er es messen? An der Anzahl der gezählten Mahlzeiten? Daran, wie oft sie ihn zum Waschen brachten? Sie ließen ihn nicht einmal auf dem Boden liegen, sondern hievten ihn auf das schmale, harte Bett, bevor sie gingen. Ohne ein Wort. Drei Tage. Das war nichts und gleichzeitig eine Ewigkeit.
Poe kniff die Lider zusammen und presste die Handballen auf die geschlossenen Augen, unterdrückte einen heiseren Schrei, der doch nichts gebracht hätte. Wie restlos er versagt hatte. Dabei wusste er, dass er nichts hatte ändern können. Dass er der Ersten Ordnung so ganz allein und wehrlos wie er war, nichts entgegenzusetzen hatte. Doch es half nicht. Der Gedanke spendete keinen Trost. Eine klaffende Leere schlug sich in seine Brust wie die Krallen eines Ungeheuers und wie um sich selbst davor zu schützen, wie um sich selbst zusammenzuhalten, drehte er sich wieder auf die Seite. Das Gesicht zur Wand, wie er es so oft getan hatte. Hier wenigstens hatte er das Gefühl geschützt zu sein, auch wenn er wusste, dass dieses Gefühl mehr Selbstbetrug war als alles andere.
Öffentlich. Das hatte Bendar ihm noch gesagt. Öffentlich. Eine öffentliche Hinrichtung. Übertragen über das Holo-Netz. Poes Kehle war wie zugeschnürt und ihm stockte der Atem beim bloßen Gedanken daran, dass seine Begegnung mit dem Tod alles andere als privat sein würde. Stattdessen würde jedes Wesen der Galaxis es sehen können, wie er seinen letzten Atem aushauchte. Der Gedanke daran, dass sein Vater es so erfahren würde, dass sein Vater jetzt auch noch den einzigen Sohn verlieren würde und auf diese Weise, ließ einen eisigen Schauer seinen Rücken hinabrieseln.
Drei Tage, dann würde jeder wissen, dass er nicht in seinem X-Flügler gestorben war. Immerhin würde dann der Widerstand wissen, dass er gefangengenommen worden war. Dass ihre Pläne vermutlich kompromittiert waren. Ein plötzlicher Gedanke schoss ihm durch den Kopf. War diese öffentliche Hinrichtung ein Ablenkungsmanöver? War der Widerstand doch auf den Planeten zurückgekehrt, den er Bendar genannt hatte? Hatte die Erste Ordnung bis zu diesem Moment vielleicht doch nicht gewusst, wo der Widerstand sich aufhielt? Das Unwissen über das, was in der restlichen Galaxis geschah, trieb ihn beinahe in den Wahnsinn.
Poe zog die Knie enger an und ignorierte das leise Surren, das ihm normalerweise anzeigte, dass das Essen gebracht wurde. Er war nicht nur körperlich, sondern auch psychisch zu ausgelaugt um auch nur an Nahrungsaufnahme zu denken. Stattdessen hielt er die Augen fest geschlossen und die Erinnerung an ein nicht mehr ganz kleines Fellknäuel schoss ihm durch den Kopf. Molly hatte oft nah an seinem Körper geschlafen. Oft so, dass ihre Wirbelsäule auf einer Linie mit seiner war. Die Wärme, die von dem Tier ausgegangen war, hatte ihn auch nach aufreibenden Tagen beruhigt und binnen weniger Minuten hatte er einschlafen können. Poe rief sich den Druck des kleinen Körpers gegen seinen ins Gedächtnis. Das stete Atmen und die großen bernsteinfarbenen Augen am nächsten Morgen, bevor er ihr das Frühstück vorsetzte. Sie immerhin war garantiert in Sicherheit bei seinem Vater. Wieder dieser Stich bei dem Gedanken an jemanden, den er nicht retten konnte. Nach seiner Frau würde Kes Dameron auch noch seinen Sohn verlieren und Poe konnte nicht anders als sich auszumalen, wie sein Vater darauf reagieren würde. Was es ihm antun würde.
Drei Tage. Das war alles andere als lang.
Er zählte die Mahlzeiten. Zählte wie oft sie ihn zur Dekontaminationseinheit brachten und die zeitlichen Abstände schienen immer kürzer zu werden, dabei wusste er so genau, dass sie sich strikt an ihre Zeitpläne hielten. Nicht einmal die Erste Ordnung konnte die Zeit manipulieren. Nachdem das wohl letzte Frühstück in seine Zelle geschoben worden war, stand Poe vor dem Tablett, starrte darauf hinab und konnte sich nicht dazu überwinden es anzurühren. Die eintönige Nahrung hatte er mehr aus Notwendigkeit als aus Appetit heruntergewürgt, aber diese Notwendigkeit bestand jetzt nicht mehr. Nicht einmal Langeweile konnte ihn zum Essen verleiten. Auch nicht jetzt. Nicht einmal um bei Kräften zu bleiben. Die letzten Stunden, die er vielleicht noch hatte, spornten ihn nicht an das Tablett zu nehmen und die braun-graue Masse zu löffeln.
Kopfschüttelnd verschränkte er die Hände im Nacken und starrte an die Decke, die so ebenmäßig und eintönig war wie eh und je. Immerhin bebte er nicht mehr am ganzen Körper. Es war beinahe so, als haben seine Muskeln, seine Nerven, als habe jede Zelle aus der er bestand sich damit abgefunden, dass ihr Leben bald beendet sei würde, noch während seine Gedanken an der Existenz festhalten wollten. In einem gewissen Grad jedenfalls. Alles in ihm, was nicht resigniert hatte, wehrte sich gegen das Aufgeben. Das war niemals seine Art gewesen, doch die letzten Tage und Stunden hatten dieses seltsam dumpfe Gefühl in ihm geweckt.
Stumm blieb er stehen. Gesessen hatte er genug in den letzten Tagen und es war beinahe, als sei dieses Stehen wenigstens ein symbolischer Widerstand gegen das Einknicken vor der Ersten Ordnung, obwohl er doch schon lange nachgegeben hatte. Mit geschlossenen Augen ging er das Protokoll der Ordnung für Exekutionen durch. Es gehörte zu den Dingen, die er mehr beiläufig als aktiv gelernt hatte, als er dem Widerstand beigetreten war. Nicht weil er der Meinung war es unbedingt wissen zu müssen, sondern weil die Akkuratheit des Vorgangs ihn nicht hatte kalt lassen können. Die Neue Republik befürwortete die Todesstrafe nicht und die wenigen Systeme der Republik, die ihr angehörten und an denen die Todesstrafe durchgeführt wurde, befanden sich in kontinuierlichen Auseinandersetzungen mit dem Rest der Republik. Die Art und Weise der Todesarten wurde in den Medien nicht breit getreten und Poe hatte es immer geschafft diese Diskussionen nicht an sich herankommen zu lassen. Jetzt steckte er selbst in dieser Situation und er war überrascht, wir ruhig er jetzt war. Vielleicht gerade weil er diese Protokoll vor Augen hatte. Vielleicht hatte etwas in ihm geahnt, dass es einmal für ihn so weit kommen konnte.
Sie würden ihn holen. Bald. Dann würden sie ihn in den Präparationsraum bringen. An dieser Stelle würden sie das Haar in seinem Nacken stutzen, wenn sie ihm den Kopf abschlugen, wenn nicht, gäbe es sofort das Medikament, das ihn beruhigen würde. Er würde es nicht ablehnen können. Sie wollten, dass das Opfer ruhig blieb und nicht auf den letzten Metern noch einen Kampf anfing, den es ohnehin nicht gewinnen konnte. Die Verlesung des Urteils. Keine Gelegenheit für letzte Worte. Und dann... Poe wusste nicht, was auf ihn wartete. Man hatte es ihm nicht gesagt, doch er fragte sich, ob er das Klinge spüren würde, oder ob es schneller vorbei sein würde. Würde Gift im Exekutionsraum auf ihn warten? Ein Strick? Ein Erschießungskommando? Und da war es doch noch. Ein Schaudern, das seinen Körper ergriff. Eine letzte Regung, bevor es endgültig zu spät war? Bevor sie den leblosen Piloten des Widerstands in einen Sack verpackten und entsorgten?
Als die Tür aufglitt, straffte er die Schultern und sah seiner Eskorte stumm entgegen. Immerhin musste er sich jetzt keine Sorgen mehr darüber machen, dass sie versuchen würden ihm etwas abzupressen. Zwei der Sturmtruppen betraten den Raum und nahmen rechts und links von ihm Aufstellung, doch als Meelan Bendar als nächstes eintrat, musste Poe doch um eine ausdruckslose Mine kämpfen.
„Dameron...“ Bendar betrachtete ihn kurz, wie um die Spuren seiner Befragung auf Poes Gesicht noch einmal in Augenschein zu nehmen. Zufrieden nickte er. „Dann wollen wir.“
Poe zuckte mit keiner Wimper, als die Sturmtruppen ihn aus dem Raum führten. Sein Blick war starr auf Bendars Hinterkopf gerichtet. Die schwarze Uniform ließ die Haut so viel heller erscheinen, als sie vermutlich war. Poe merkte sofort, wie seine Augen den entblößten Nacken nach dem Muttermal absuchten, das er so oft bei Morap betrachtet hatte. Erleichterung machte sich in ihm breit, als er es nicht fand. Bendar mochte seine Erinnerungen an Morap besudelt haben, doch diese kleine Feststellung fühlte sich an wie ein Triumph auf den letzten Metern seines Lebens. Letzte Meter, die geradezu an ihm vorbei flogen. Der Weg, den sie durch die vollkommen staubfreien Korridore einschlugen, zog geradezu an ihm vorbei. Er wusste, dass er nicht damit rechnen durfte und doch schoss ihm durch den Kopf, wie viel leichter es ihm gefallen wäre nicht jeden seiner Schritte zu zählen, hätte er noch einmal einen Himmel sehen dürfen.
Seine Zunge fühlte sich an wie Sand, als sie, nach einer schier endlosen Fahrt mit einem Transporter und zahllosen Gängen einen kleinen, dunklen Raum betraten. Die Sturmtruppen verschwanden und von einer Sekunde auf die andere fand Poe sich Auge in Auge mit Bendar. Sein Gesicht wäre es also, das er als letztes sehen würde. Mit etwas Glück, schoss es ihm durch den Kopf, würde Meelan Bendars Züge in den letzten Sekunden seines Lebens wieder zu Moraps werden. Ein schwacher Trost. Aber wenn er die Augen schloss, dachte er an Finn und das war unerträglich.
Die Tür war hinter den Sturmtruppen zugeglitten, grelle Lichter erhellten den Raum und Poes Blick glitt sofort zur anderen Seite. Zur nächsten Tür. Die letzte, deren Schwelle er jemals übertreten würde. Er atmete tief durch, als Bendar ihm den Rücken zuwandte und an einer Wandkonsole etwas eintippte. Seine Minuten waren gezählt. Fast wünschte er sich es wäre schon vorbei.
„Wir wollen es nicht in die Länge ziehen. Das Holo-Netz wartet.“ Bendars Stimme klang kühl wie immer, als er sich wieder zu Poe umwandte, in der einen Hand ein Glas mit Wasser, in der anderen Hand einen winzigen Papierbecher, in dem sich das Medikament befinden musste. Poe nahm es ohne zu zögern. Es würde ohnehin nichts bringen sich zu widersetzen und er wollte verdammt sein, wenn sie ihm die Beruhigungsdroge auch noch aufzwingen mussten. Er blickte Bendar in die Augen, als er den Becher an die Lippen legte und dann den Kopf nach hinten warf. Eine Pille. Poe hatte sie nicht einmal angesehen. Schnell nahm er noch ein paar Schlucke Wasser. Das Glas drohte ihm durch die Finger zu gleiten. Erst jetzt spürte er den dünnen Schweißfilm auf seiner Haut.
„Dann wollen wir es nicht warten lassen“, murmelte Poe, als er das Glas Bendar wieder in die Hand drückte. Schön jetzt spürte er, wie schwer sein Arm wurde, doch sein Verstand hörte nicht auf zu arbeiten. Holo-Netz. Öffentlich. Finn. Sein Vater.
Niemand war ihm nahegekommen. Niemand hatte sein Haar gestutzt. „Wie?“, fragte er und ärgerte sich darüber, wie schwach seine Stimme klang.
„Hängen.“ Die Antwort kam prompt ohne vollkommen kühl, doch in dem Gesicht vor sich, glaubte Poe wieder das Zucken zu sehen.
Bendar zückte ein Gerät, ein Scanner, wie Poe sofort erkannte, den Bendar über Poes Brust fahren ließ. Offensichtlich zufrieden mit dem Ergebnis nickte Bendar und steckte das Gerät wieder ein. „Gute Reise, Dameron.“ Es klang, als habe er es hunderte Male gesagt und vermutlich war es auch so. Distanziert. Kalkuliert.
Poes Muskeln gehorchten ihm kaum, als Bendar ihn rüde mit dem Gesicht zur zweiten Tür drehte. Er wollte sich versteifen. Die fremde Hand abschütteln. Es ging nicht. Die Tür wurde geöffnet und schon jetzt nahm Poe alles wie durch einen schwammigen Filter hindurch wahr. Seine Beine gehorchten, doch sein Verstand schien geradezu abwesend. Er sah den hohen weißen Raum, sah auf einen Blick die drei Holocams und spürte jedes Schlagen seines Herzens. Zählte jeden Atemzug, den er tat, doch die körperlöse Stimme, die das Urteil verlas nahm er kaum wahr, während Bendar ihn in die Mitte des Raumes führte. Zum Emblem der Ersten Ordnung unter dem Gurt, der sein Leben beenden würde. Der Gurt wurde hinab gelassen. Er hörte das leise Surren. Hörte seinen Namen, doch er nahm ihn nicht wahr. Den Kopf hielt er hoch erhoben. Es war das einzige woran er noch denken konnte, während das Blut in seinen Ohren rauschte, während er versuchte mit jedem Atemzug seine Lungen bis zum Bersten zu füllen. Woran er sich festhalten konnte und wollte. Dass er nicht sterben wollte wie ein Feigling. Den Blick zu Boden gerichtet. Er wollte der Ersten Ordnung die Stirn bieten. Ein letztes Mal.
Die Stimme verstummte.
Der Gurt um seine Hals war kühl.
Bendar stand vor ihm. Nickte. Verschwand aus seinem Blickfeld. Trat beiseite.
Es wurde eng.
Kalter Schweiß rann zwischen seinen Schulterblättern herab, als er es spürte. Ehe ihm die Luft wegblieb. Ehe seine Füße den Boden verließen. Füße die zuckten, die nach Halt suchten und ihn niemals finden würden.
Das Weiß des Raumes wich vollkommener Finsternis.
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Re: Der Pilot
Kapitel 11
Er fiel. Fiel aus unendlicher Höhe ohne dass fester Boden auch nur in Sichtweite war. Die gesamte Galaxis schien sich um ihn herum zu drehen. Um ihn, der von einer Sekunde auf die andere die einzige Achse des Universums geworden zu sein schien. Wenn das der Tod war, dann wäre er doch lieber in seiner Zelle verrottet, schoss es Poe durch den Kopf. Ein unvorhergesehenes Würgen ließ ihn auffahren. Er war nicht tot. Alles andere als das. Sein Nacken schmerzte, seine Schultern schienen in Flammen zu stehen und der Gurt war noch immer fest um seinen Hals. Seine Hände wollten nach oben schießen, wollten den Gurt packen, von sich reißen, doch es ging nicht. Wann hatten sie ihm die Hände auf den Rücken gebunden?
Poe riss die Augen auf. Er lag auf der Seite. Spürte den harten Untergrund, doch die Welt um ihn herum kam nicht in Fokus. Vor ihm nichts außer Dunkelheit umrahmt von einem roten Schleier. Etwas weißes trat in sein Blickfeld, das kurz darauf zusammensackte. Er hörte nichts. Konnte kaum etwas erkennen. Versuchte sich aufzurichten, doch es ging nicht. Eine Hand auf seiner Schulter bedeutete ihm etwas, das er nicht verstehen konnte. Sein Herz raste und er schnappte schwerfällig nach Luft. Es war fast unmöglich. Und dann verschwand wenigstens etwas Druck von seiner Kehle. Der Gurt war gelöst. Poes verzweifelter Versuch an Sauerstoff zu kommen wurde von brennendem Schmerz belohnt. Noch immer drehte sich alles um ihn herum und ein beißender Stich in seinem Unterarm hätte unter anderen Umständen sicherlich einen dumpfen Schrei aus ihm hervor gelockt. Nicht jetzt. Er war nicht tot. So viel stand fest. Aber was war das hier?
Langsam aber sicher wurden die hellen und dunklen Stellen um ihn herum zu verschwommenen Objekten, nahmen Konturen an, doch der rote Schleier blieb. Sein Kopf dröhnte, aber auch sein Gehör schien zurückzukehren, auch wenn sein Körper schwer war wie Blei. Ein dunkler Raum. Wieder ein dunkler Raum. Widerwillig schüttelte er den Kopf, als er sein eigenes, schwerfälliges Atmen hörte. Ein leiser Fluch wollte über seine Lippen kommen, doch seine Zunge gehorchte ihm nicht. Jeder Luftzug brannte höllisch. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr und sofort schnellte sein Kopf zur Seite. Die rasche Bewegung bereute er sofort. Noch immer war ihm als drehe sich alles um ihn herum und ihm war speiübel. Seine Lippen formten den Namen, als er den Mann erkannte der vor ihm stand, doch der schüttelte den Kopf.
„Noch immer nicht, Dameron." Die Stimme... die einzelnen Bedeutungen der Worte drangen viel später zu ihm durch, der Gesamtzusammenhang ließ sich noch mehr Zeit.
Bendar.
Poe blinzelte zu dem Mann auf. Was war passiert? Wieder bewegten sich seine Lippen, versuchten die Frage zu stellen die auf ihnen brannte, doch nichts kam.
Bendar schüttelte den Kopf, dann beugte er sich über ihn. „Wir haben nicht viel Zeit", sagte er und im nächsten Moment spürte Poe, dass er seine Arme wieder bewegen konnte. „Ich habe dir eine etwas andere Droge gegeben vor deiner Hinrichtung."
Verständnislos sah Poe zu ihm auf. Unfähig zu sprechen und unfähig zu begreifen, was Bendar ihm sagen wollte. Das konnte nicht sein...
„Lange Geschichte, kurzer Sinn: die Monitore haben angezeigt dass du tot bist, bevor es wirklich zu spät war. Ich habe dir gerade ein Aufputschmittel gegeben. Gleich gibt es nch eins. Das sollte dich auf den Beinen halten, bis ich dich hier weg geschafft habe. Kannst du sitzen?" Ohne auf eine Antwort zu warten, packte Bendar ihn rüde beim Arm und zog ihn seitlich nach oben. Poe war als müsse er sich jeden Moment übergeben und er war froh nichts gegessen zu haben. Seine Finger zitterten, als er die Fäuste versuchsweise öffnete, dann wieder schloss und sich dann mit einer Hand über die brennenden Augen fuhr. Sein Rücken schien sein Gewicht hingegen noch nicht tragen zu wollen. Er sackte nach hinten, gegen eine Wand, wie er feststellte. Wo war er? Wieder sah er zu Bendar auf, dann fiel sein Blick zu dem scheinbar leblosen Sturmtruppler auf dem Boden. Bendar hatte ihn ausgeschaltet?
„Wir sind an Bord der Vanquisher", erklärte Bendar kurz. „Vor dem nächsten Sprung in den Hyperraum soll deine Leiche entsorgt werden."
Poe schnaubte und die simple Handlung bereute er sofort. Seine Atemwege waren dafür nicht bereit. Er war noch immer unsicher dem Mann gegenüber, der ihm allem Anschein nach das Leben gerettet hatte. Es passte nicht. Meelan Bendar war der Ersten Ordnung verschrieben. Voll und war nicht sein Bruder, das hatte er bewiesen und Poe wollte nichts sehnlicher als der Gesellschaft dieses Menschen entkommen. Trotzdem sah Poe ihn direkt an. „Warum?", versuchte er zu fragen, doch weiter als bis zum ersten Laut des Wortes kam er nicht. Es kostete ihn alle Kraft, die er hatte.
Bendar Blick, der bis zu diesem Moment nie anders als kalt und berechnend gewesen war, nahm plötzlich etwas wie Mitleid an. „Ich hatte gehofft mein Bruder sei irgendwo im Raum der Neuen Republik untergetaucht im schlimmsten Fall. Idealerweise hätte er sich im Outer Rim aufgehalten." Er schüttelte den Kopf und hob die Schultern, bevor er eine Spritze mit einer offenbar mörderisch spitzen Nadel hervor holte. „Dich hier rauszuholen ist wohl das mindeste was ich für ihn tun kann. Aber dafür brauche ich dein Wort, dass du dem Widerstand und der Republik fern bleibst, Dameron. Du bist tot. Sollte das Gegenteil jemals bekannt werden bin ich ein toter Mann und das ist mir das hier nicht wert. Also brauche ich dein Versprechen unterzutauchen. Jetzt."
Die Welt hatte aufgehört sich zu drehen. Die Übelkeit wich, doch das Atmen fiel ihm nach wie vor schwer. Bendars Worte hatte er verstanden. Mehr als deutlich. Und er konnte nicht. Konnte das Versprechen nicht halten, das Bendar ihm abverlangte. Seine letzten Gedanken vor dem scheinbaren Ende hatten seiner Resignation gegolten, ehe er das Bewusstsein verloren hatte, doch jetzt, wo die Freiheit, wo das Leben wieder in Reichweite gekommen waren, spürte er, wie alles in ihm danach verlangte dort weiter zu machen wo er aufgehört hatte. Den Widerstand unterstützen, die Erste Ordnung bekämpfen, die nicht nur Morap Bendar und so viele andere ausgelöscht hatte, die die Demokratie gefährlich bedrohte und ihm die wohl schlimmsten Tage seines Lebens abverlangt hatte. Das war sein einziges Bestreben und jede Faser seines Körpers wollte zurück zu dem Menschen, den er verraten hatte und dem er ein Versprechen geben wollte es wieder gut zu machen. Irgendwie. Er blinzelte. Für einen Herzschlag erlaubte er sich an Finn zu denken. Ja, er war ein Verräter. Aber es gab nur eine Möglichkeit sein Gewissen rein zu waschen und die würde sich nicht ergeben, wenn er sich irgendwo verkroch, sollte er tatsächlich von hier fliehen können. Poe begegnete Bendars Blick ohne mit der Wimper zu zucken. Bendar, der so viel für ihn riskierte und der Morap in diesem Moment zum ersten Mal wirklich ähnlich sah. Den er seinerseits zum Tode verurteilen würde. Poe nickte und ohne zu zögern stieß Bendar die Nadel in Poes entblößten Unterarm.
Es ging um mehr als nur um Poe Dameron und Meelan Bendar. Es ging darum, dass der Widerstand ohnehin auf den Abgrund zuschlitterte. Sie hatten so viele Kämpfer verloren, die Flotte der Republik war vernichtet. Jeder Pilot, sollte er auch noch so treulos sein, war für den Widerstand überlebensnotwendig und Poe durfte seine Freunde und Weggefährten, vor allem aber Finn nicht noch weiter im Stich lassen, wenn er es verhindern konnte. Und dafür würde er Bendar opfern müssen, wenn es notwendig war. Poe machte sich keinerlei Illusionen. Bendar handelte nicht aus Nächstenliebe. Allerhöchstens regte sich tatsächlich etwas wie ein schlechtes Gewissen in ihm, oder er versuchte die Erinnerung an seinen Bruder hochzuhalten. Dass er auch nur erwog Poe gehen zu lassen, sich in Schwierigkeiten zu begeben, hatte nichts mit Poe zu tun, sondern einzig und allein mit Morap.
„In ein paar Minuten solltest du laufen können." Bendar betrachtete ihn noch einen Moment, dann beugte er sich über den Sturmtruppler, der noch immer reglos auf dem blank polierten Boden lag und zog ihm den Helm vom Kopf. Ein rothaariger, kurz geschorener Kopf kam zum Vorschein. Eine junge Frau, kaum älter als Finn, kam zum Vorschein. Poes Brust zog sich schmerzhaft zusammen als er erkannte, dass sie seinen Platz einnehmen sollte. Er hatte schon zuvor Sturmtruppen getötet. Dabei war es um's Überleben gegangen, sicherlich ebenso wie jetzt, doch eine so junge Frau zu töten, die kaum mehr als ein Mädchen sein konnte, erschien ihm grundsätzlich falsch. Die Masken der Sturmtruppler machten sie angreifbarer.
Langsam aber sicher kam das Gefühl in all seine Gliedmaßen zurück. Er beobachtete, wie Bendar die junge Soldatin komplett ihrer Rüstung und Kleidung entledigte und dann unter Poe den schwarzen Stoff hervor zog in dem er gelegen haben musste, bis Bendar ihn befreit hatte. Die Kleidungsstücke der Sturmtruppe lagen neben Poe auf der kleinen Pritsche und er begann sich aus seinen verschwitzten Kleidungsstücken zu schälen, erleichtert, dass er dazu immerhin in der Lage war ohne Bendar um Hilfe bitten zu müssen. Wenigstens bis es an die Hosen ging. Das schwarze Oberteil der Frau bekam er ohne Probleme über den Kopf gestreift, auch wenn seine Arme kaum über seinen Kopf gehoben werden wollten. Als Bendar den Stoff geschlossen hatte und die Frau wie in einen Sack gehüllt auf dem Boden lag, richtete Bendar sich auf. „Du hast sicherlich Durst", sagte er und schüttelte kurz den Kopf. „Auf dem Shuttle zu dem ich dich bringe, wirst du etwas zu trinken finden, aber hier.." Er driftete ab, dann nahm er den Helm der Sturmtruppe auf und sein Blick glitt über Poe, der noch immer die Hose seiner Gefangenuniform trug. Kopfschüttelnd trat Bendar einen Schritt zurück. Poe konnte ihm ansehen, dass ihm nicht gefiel was vor ihm lag.
„Dann wollen wir mal...", murmelte er, dann griff er nach Poes Unterarm und half ihm mit einem Ruck auf die Füße.
Es war ein Glück das Sturmtruppen nur redeten, wenn sie angesprochen wurden, wenn sie sich in Gesellschaft eines Offizieres aufhielten. Poe hatte alle Mühe seine Atmung unter dem schweren, luftfilternden Helm ruhig zu halten und einen Fuß vor den anderen zu setzen, während er Bendar durch die Korridore des Sternenzerstörers folgte. Seine Sicht, ohnehin schon durch den roten Schleier mehr als nur leicht beeinflusst, wurde durch das Visier noch weiter beschränkt. So konnte er kaum sehen wohin er ging. Er blickte mehr durch einen Bildschirm, der die Welt in Raster und Ziele einzuteilen schien, als durch seine eigenen Augen. Sein Blick war auf Bendar geheftet. Ihm musste er folgen. Schritt für Schritt. Alles andere hätte er niemals fertig gebracht.
Noch immer konnte er kaum glauben was hier geschah. Sollte er tatsächlich eine zweite Chance erhalten zu entkommen? Bendar jedenfalls schien fest davon überzeugt, dass es funktionieren würde. Die Sturmtrupplerin, die Poes Leiche darstellen sollte, hatte er von zwei anderen Sturmtruppen entsorgen lassen. Poe war dankbar gewesen, dass niemand sein Gesicht hatte sehen können, als die Sturmtruppen ihre Kameradin hoch hoben und abtransportierten und Bendar ihn angewiesen hatte ihm zu folgen.
Was immer Bendar ihm gegeben hatte: es hielt Poe auf den Beinen, auch wenn jeder Schritt ihm einen Willensakt abverlangte, doch er wusste, dass er die Scharade aufrecht erhalten musste, wenn er überleben wollte. Die beste Tarnung überhaupt allerdings hatte Bendar ihm geliefert. Poe Dameron war tot. HT-8913, die er jetzt darzustellen hatte, war nicht verdächtig. Insbesondere dann nicht, wenn sie Lieutenant Bendar folgte. Trotzdem raste das Herz in seiner Brust. Seine Lunge schien in Flammen zu stehen und jede plötzliche Bewegung trieb ihm Tränen in die Augen. Zum Glück war es nicht weit. Sie brauchten nicht lang um im Hangar anzukommen. Das Shuttle auf das Bendar zusteuerte war eines von fünfen. Sie befanden sich also auf keinem Sternenzerstörer, der es an Größe mit der Finalizer hätte aufnehmen können.
Bendar ließ die Rampe des Shuttles hinab gleiten und für einen Moment fragte Poe sich, ob eine ordinäre Sturmtruppe wie er überhaupt autorisiert und trainiert sein konnte ein Schiff wie dieses zu fliegen. Bendars Präsenz allerdings schien alle Fragen und Zweifel zu verwischen. Der Offizier betrachtete Poe einen Moment. Für einen Herzschlag stand Zweifel in den Augen seines Gegenübers und Poe spürte einen Stich. Er verurteilte Bendar zum Tode. Das wusste er. Moraps Bruder würde er auf dem Gewissen haben, wenn er zum Widerstand zurückkehrte. Zu Finn. Er presste die Lippen aufeinander und nickte knapp. Dankbar dafür, dass Bendar sein Gesicht nicht sehen konnte.
„Die Ladung wird in drei Tagen erwartet, HT-8913", erklärte Bendar so, als ob er nur wiederholte, was HT-8913 schon lange wissen musste. Poe nickte, als sei es Routine.
„Also dann, guten Flug." Bendar trat einen Schritt zurück, drehte ihm den Rücken zu und ging.
Wortlos wandte Poe sich ab und betrat das Shuttle. Im Cockpit sah er die Lichter aufleuchten, die ihm signalisierten, dass die Starterlaubnis erteilt worden war, dass er starten musste und sollte. Die Kisten vor ihm waren leer, hatte Bendar ihm erklärt. Der Auftrag von HT-8913 war Ersatzteile von einer Basis der Ersten Ordnung heran zu schaffen. Mehr nicht. Aber das Cover war gut genug für Poe. Er zog den Helm ab, sobald die Rampe geschlossen war und er sicher sein konnte, dass niemand ihn sehen konnte. Er blinzelte. Erleichtert besser sehen zu können, auch wenn seine Augen nach wie vor brannten und er sich sicher war allzu bald nicht wieder normal sehen zu können. Wie seine Augen aussehen mochten, wollte er für den Moment lieber nicht wissen. Es genügte sie zu spüren.
Auf weichen Knien und schwer atmend näherte er sich dem Cockpit, ließ sich auf den Pilotensitz fallen. Die Rüstung der Sturmtruppen war nicht zum Sitzen geeignet. Die Beinschienen drückten, waren viel zu glatt um guten Halt zu geben... doch darum würde er sich später kümmern. Er schnappte nach Luft, schloss einen Moment die Augen, dann schaltete er die Triebwerke an, sah durch das weit geöffnete Hangartor hinaus in den Weltraum und legte die Hände auf die nur halb vertrauten Instrumente des Shuttles der Ersten Ordnung. So nah... er war der Freiheit so nah. Nur ein erster Schritt, aber er würde entkommen. Langsam, als sei es tatsächlich Routine, hob er langsam ab und glitt durch die Tore hinaus in die Dunkelheit. Für's Erste würde er den eingespeisten Koordinaten im Navcomputer folgen, dann vorzeitig aus dem Hyperraum springen und ein anderes System ansteuern. Bis dahin, schloss er aus den Angaben auf dem Navcomputer, hatte er drei Stunden Zeit. Dann würde er endgültig fliehen. Vorerst in ein unbekanntes System. Er war frei. Ein ungläubiges Lachen kämpfte sich aus seiner geschundenen Kehle hervor. Tränen traten ihm in die Augen, ob aus Erleichterung oder Schmerz konnte er kaum sagen. Das Lachen war kaum mehr als ein heiseres Keuchen, als die Sterne vor ihm zu grellen Streifen wurden.
Ein leises, vertrautes Piepen hinter ihm ließ ihn herum fahren und Poe war, als werde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Er schlug eine Hand vor den Mund. Ungläubig starrte er Beebee-Ate an, der laut surrend auf ihn zu geschossen kam. Moraps Droide war wieder bei ihm.
Er fiel. Fiel aus unendlicher Höhe ohne dass fester Boden auch nur in Sichtweite war. Die gesamte Galaxis schien sich um ihn herum zu drehen. Um ihn, der von einer Sekunde auf die andere die einzige Achse des Universums geworden zu sein schien. Wenn das der Tod war, dann wäre er doch lieber in seiner Zelle verrottet, schoss es Poe durch den Kopf. Ein unvorhergesehenes Würgen ließ ihn auffahren. Er war nicht tot. Alles andere als das. Sein Nacken schmerzte, seine Schultern schienen in Flammen zu stehen und der Gurt war noch immer fest um seinen Hals. Seine Hände wollten nach oben schießen, wollten den Gurt packen, von sich reißen, doch es ging nicht. Wann hatten sie ihm die Hände auf den Rücken gebunden?
Poe riss die Augen auf. Er lag auf der Seite. Spürte den harten Untergrund, doch die Welt um ihn herum kam nicht in Fokus. Vor ihm nichts außer Dunkelheit umrahmt von einem roten Schleier. Etwas weißes trat in sein Blickfeld, das kurz darauf zusammensackte. Er hörte nichts. Konnte kaum etwas erkennen. Versuchte sich aufzurichten, doch es ging nicht. Eine Hand auf seiner Schulter bedeutete ihm etwas, das er nicht verstehen konnte. Sein Herz raste und er schnappte schwerfällig nach Luft. Es war fast unmöglich. Und dann verschwand wenigstens etwas Druck von seiner Kehle. Der Gurt war gelöst. Poes verzweifelter Versuch an Sauerstoff zu kommen wurde von brennendem Schmerz belohnt. Noch immer drehte sich alles um ihn herum und ein beißender Stich in seinem Unterarm hätte unter anderen Umständen sicherlich einen dumpfen Schrei aus ihm hervor gelockt. Nicht jetzt. Er war nicht tot. So viel stand fest. Aber was war das hier?
Langsam aber sicher wurden die hellen und dunklen Stellen um ihn herum zu verschwommenen Objekten, nahmen Konturen an, doch der rote Schleier blieb. Sein Kopf dröhnte, aber auch sein Gehör schien zurückzukehren, auch wenn sein Körper schwer war wie Blei. Ein dunkler Raum. Wieder ein dunkler Raum. Widerwillig schüttelte er den Kopf, als er sein eigenes, schwerfälliges Atmen hörte. Ein leiser Fluch wollte über seine Lippen kommen, doch seine Zunge gehorchte ihm nicht. Jeder Luftzug brannte höllisch. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr und sofort schnellte sein Kopf zur Seite. Die rasche Bewegung bereute er sofort. Noch immer war ihm als drehe sich alles um ihn herum und ihm war speiübel. Seine Lippen formten den Namen, als er den Mann erkannte der vor ihm stand, doch der schüttelte den Kopf.
„Noch immer nicht, Dameron." Die Stimme... die einzelnen Bedeutungen der Worte drangen viel später zu ihm durch, der Gesamtzusammenhang ließ sich noch mehr Zeit.
Bendar.
Poe blinzelte zu dem Mann auf. Was war passiert? Wieder bewegten sich seine Lippen, versuchten die Frage zu stellen die auf ihnen brannte, doch nichts kam.
Bendar schüttelte den Kopf, dann beugte er sich über ihn. „Wir haben nicht viel Zeit", sagte er und im nächsten Moment spürte Poe, dass er seine Arme wieder bewegen konnte. „Ich habe dir eine etwas andere Droge gegeben vor deiner Hinrichtung."
Verständnislos sah Poe zu ihm auf. Unfähig zu sprechen und unfähig zu begreifen, was Bendar ihm sagen wollte. Das konnte nicht sein...
„Lange Geschichte, kurzer Sinn: die Monitore haben angezeigt dass du tot bist, bevor es wirklich zu spät war. Ich habe dir gerade ein Aufputschmittel gegeben. Gleich gibt es nch eins. Das sollte dich auf den Beinen halten, bis ich dich hier weg geschafft habe. Kannst du sitzen?" Ohne auf eine Antwort zu warten, packte Bendar ihn rüde beim Arm und zog ihn seitlich nach oben. Poe war als müsse er sich jeden Moment übergeben und er war froh nichts gegessen zu haben. Seine Finger zitterten, als er die Fäuste versuchsweise öffnete, dann wieder schloss und sich dann mit einer Hand über die brennenden Augen fuhr. Sein Rücken schien sein Gewicht hingegen noch nicht tragen zu wollen. Er sackte nach hinten, gegen eine Wand, wie er feststellte. Wo war er? Wieder sah er zu Bendar auf, dann fiel sein Blick zu dem scheinbar leblosen Sturmtruppler auf dem Boden. Bendar hatte ihn ausgeschaltet?
„Wir sind an Bord der Vanquisher", erklärte Bendar kurz. „Vor dem nächsten Sprung in den Hyperraum soll deine Leiche entsorgt werden."
Poe schnaubte und die simple Handlung bereute er sofort. Seine Atemwege waren dafür nicht bereit. Er war noch immer unsicher dem Mann gegenüber, der ihm allem Anschein nach das Leben gerettet hatte. Es passte nicht. Meelan Bendar war der Ersten Ordnung verschrieben. Voll und war nicht sein Bruder, das hatte er bewiesen und Poe wollte nichts sehnlicher als der Gesellschaft dieses Menschen entkommen. Trotzdem sah Poe ihn direkt an. „Warum?", versuchte er zu fragen, doch weiter als bis zum ersten Laut des Wortes kam er nicht. Es kostete ihn alle Kraft, die er hatte.
Bendar Blick, der bis zu diesem Moment nie anders als kalt und berechnend gewesen war, nahm plötzlich etwas wie Mitleid an. „Ich hatte gehofft mein Bruder sei irgendwo im Raum der Neuen Republik untergetaucht im schlimmsten Fall. Idealerweise hätte er sich im Outer Rim aufgehalten." Er schüttelte den Kopf und hob die Schultern, bevor er eine Spritze mit einer offenbar mörderisch spitzen Nadel hervor holte. „Dich hier rauszuholen ist wohl das mindeste was ich für ihn tun kann. Aber dafür brauche ich dein Wort, dass du dem Widerstand und der Republik fern bleibst, Dameron. Du bist tot. Sollte das Gegenteil jemals bekannt werden bin ich ein toter Mann und das ist mir das hier nicht wert. Also brauche ich dein Versprechen unterzutauchen. Jetzt."
Die Welt hatte aufgehört sich zu drehen. Die Übelkeit wich, doch das Atmen fiel ihm nach wie vor schwer. Bendars Worte hatte er verstanden. Mehr als deutlich. Und er konnte nicht. Konnte das Versprechen nicht halten, das Bendar ihm abverlangte. Seine letzten Gedanken vor dem scheinbaren Ende hatten seiner Resignation gegolten, ehe er das Bewusstsein verloren hatte, doch jetzt, wo die Freiheit, wo das Leben wieder in Reichweite gekommen waren, spürte er, wie alles in ihm danach verlangte dort weiter zu machen wo er aufgehört hatte. Den Widerstand unterstützen, die Erste Ordnung bekämpfen, die nicht nur Morap Bendar und so viele andere ausgelöscht hatte, die die Demokratie gefährlich bedrohte und ihm die wohl schlimmsten Tage seines Lebens abverlangt hatte. Das war sein einziges Bestreben und jede Faser seines Körpers wollte zurück zu dem Menschen, den er verraten hatte und dem er ein Versprechen geben wollte es wieder gut zu machen. Irgendwie. Er blinzelte. Für einen Herzschlag erlaubte er sich an Finn zu denken. Ja, er war ein Verräter. Aber es gab nur eine Möglichkeit sein Gewissen rein zu waschen und die würde sich nicht ergeben, wenn er sich irgendwo verkroch, sollte er tatsächlich von hier fliehen können. Poe begegnete Bendars Blick ohne mit der Wimper zu zucken. Bendar, der so viel für ihn riskierte und der Morap in diesem Moment zum ersten Mal wirklich ähnlich sah. Den er seinerseits zum Tode verurteilen würde. Poe nickte und ohne zu zögern stieß Bendar die Nadel in Poes entblößten Unterarm.
Es ging um mehr als nur um Poe Dameron und Meelan Bendar. Es ging darum, dass der Widerstand ohnehin auf den Abgrund zuschlitterte. Sie hatten so viele Kämpfer verloren, die Flotte der Republik war vernichtet. Jeder Pilot, sollte er auch noch so treulos sein, war für den Widerstand überlebensnotwendig und Poe durfte seine Freunde und Weggefährten, vor allem aber Finn nicht noch weiter im Stich lassen, wenn er es verhindern konnte. Und dafür würde er Bendar opfern müssen, wenn es notwendig war. Poe machte sich keinerlei Illusionen. Bendar handelte nicht aus Nächstenliebe. Allerhöchstens regte sich tatsächlich etwas wie ein schlechtes Gewissen in ihm, oder er versuchte die Erinnerung an seinen Bruder hochzuhalten. Dass er auch nur erwog Poe gehen zu lassen, sich in Schwierigkeiten zu begeben, hatte nichts mit Poe zu tun, sondern einzig und allein mit Morap.
„In ein paar Minuten solltest du laufen können." Bendar betrachtete ihn noch einen Moment, dann beugte er sich über den Sturmtruppler, der noch immer reglos auf dem blank polierten Boden lag und zog ihm den Helm vom Kopf. Ein rothaariger, kurz geschorener Kopf kam zum Vorschein. Eine junge Frau, kaum älter als Finn, kam zum Vorschein. Poes Brust zog sich schmerzhaft zusammen als er erkannte, dass sie seinen Platz einnehmen sollte. Er hatte schon zuvor Sturmtruppen getötet. Dabei war es um's Überleben gegangen, sicherlich ebenso wie jetzt, doch eine so junge Frau zu töten, die kaum mehr als ein Mädchen sein konnte, erschien ihm grundsätzlich falsch. Die Masken der Sturmtruppler machten sie angreifbarer.
Langsam aber sicher kam das Gefühl in all seine Gliedmaßen zurück. Er beobachtete, wie Bendar die junge Soldatin komplett ihrer Rüstung und Kleidung entledigte und dann unter Poe den schwarzen Stoff hervor zog in dem er gelegen haben musste, bis Bendar ihn befreit hatte. Die Kleidungsstücke der Sturmtruppe lagen neben Poe auf der kleinen Pritsche und er begann sich aus seinen verschwitzten Kleidungsstücken zu schälen, erleichtert, dass er dazu immerhin in der Lage war ohne Bendar um Hilfe bitten zu müssen. Wenigstens bis es an die Hosen ging. Das schwarze Oberteil der Frau bekam er ohne Probleme über den Kopf gestreift, auch wenn seine Arme kaum über seinen Kopf gehoben werden wollten. Als Bendar den Stoff geschlossen hatte und die Frau wie in einen Sack gehüllt auf dem Boden lag, richtete Bendar sich auf. „Du hast sicherlich Durst", sagte er und schüttelte kurz den Kopf. „Auf dem Shuttle zu dem ich dich bringe, wirst du etwas zu trinken finden, aber hier.." Er driftete ab, dann nahm er den Helm der Sturmtruppe auf und sein Blick glitt über Poe, der noch immer die Hose seiner Gefangenuniform trug. Kopfschüttelnd trat Bendar einen Schritt zurück. Poe konnte ihm ansehen, dass ihm nicht gefiel was vor ihm lag.
„Dann wollen wir mal...", murmelte er, dann griff er nach Poes Unterarm und half ihm mit einem Ruck auf die Füße.
Es war ein Glück das Sturmtruppen nur redeten, wenn sie angesprochen wurden, wenn sie sich in Gesellschaft eines Offizieres aufhielten. Poe hatte alle Mühe seine Atmung unter dem schweren, luftfilternden Helm ruhig zu halten und einen Fuß vor den anderen zu setzen, während er Bendar durch die Korridore des Sternenzerstörers folgte. Seine Sicht, ohnehin schon durch den roten Schleier mehr als nur leicht beeinflusst, wurde durch das Visier noch weiter beschränkt. So konnte er kaum sehen wohin er ging. Er blickte mehr durch einen Bildschirm, der die Welt in Raster und Ziele einzuteilen schien, als durch seine eigenen Augen. Sein Blick war auf Bendar geheftet. Ihm musste er folgen. Schritt für Schritt. Alles andere hätte er niemals fertig gebracht.
Noch immer konnte er kaum glauben was hier geschah. Sollte er tatsächlich eine zweite Chance erhalten zu entkommen? Bendar jedenfalls schien fest davon überzeugt, dass es funktionieren würde. Die Sturmtrupplerin, die Poes Leiche darstellen sollte, hatte er von zwei anderen Sturmtruppen entsorgen lassen. Poe war dankbar gewesen, dass niemand sein Gesicht hatte sehen können, als die Sturmtruppen ihre Kameradin hoch hoben und abtransportierten und Bendar ihn angewiesen hatte ihm zu folgen.
Was immer Bendar ihm gegeben hatte: es hielt Poe auf den Beinen, auch wenn jeder Schritt ihm einen Willensakt abverlangte, doch er wusste, dass er die Scharade aufrecht erhalten musste, wenn er überleben wollte. Die beste Tarnung überhaupt allerdings hatte Bendar ihm geliefert. Poe Dameron war tot. HT-8913, die er jetzt darzustellen hatte, war nicht verdächtig. Insbesondere dann nicht, wenn sie Lieutenant Bendar folgte. Trotzdem raste das Herz in seiner Brust. Seine Lunge schien in Flammen zu stehen und jede plötzliche Bewegung trieb ihm Tränen in die Augen. Zum Glück war es nicht weit. Sie brauchten nicht lang um im Hangar anzukommen. Das Shuttle auf das Bendar zusteuerte war eines von fünfen. Sie befanden sich also auf keinem Sternenzerstörer, der es an Größe mit der Finalizer hätte aufnehmen können.
Bendar ließ die Rampe des Shuttles hinab gleiten und für einen Moment fragte Poe sich, ob eine ordinäre Sturmtruppe wie er überhaupt autorisiert und trainiert sein konnte ein Schiff wie dieses zu fliegen. Bendars Präsenz allerdings schien alle Fragen und Zweifel zu verwischen. Der Offizier betrachtete Poe einen Moment. Für einen Herzschlag stand Zweifel in den Augen seines Gegenübers und Poe spürte einen Stich. Er verurteilte Bendar zum Tode. Das wusste er. Moraps Bruder würde er auf dem Gewissen haben, wenn er zum Widerstand zurückkehrte. Zu Finn. Er presste die Lippen aufeinander und nickte knapp. Dankbar dafür, dass Bendar sein Gesicht nicht sehen konnte.
„Die Ladung wird in drei Tagen erwartet, HT-8913", erklärte Bendar so, als ob er nur wiederholte, was HT-8913 schon lange wissen musste. Poe nickte, als sei es Routine.
„Also dann, guten Flug." Bendar trat einen Schritt zurück, drehte ihm den Rücken zu und ging.
Wortlos wandte Poe sich ab und betrat das Shuttle. Im Cockpit sah er die Lichter aufleuchten, die ihm signalisierten, dass die Starterlaubnis erteilt worden war, dass er starten musste und sollte. Die Kisten vor ihm waren leer, hatte Bendar ihm erklärt. Der Auftrag von HT-8913 war Ersatzteile von einer Basis der Ersten Ordnung heran zu schaffen. Mehr nicht. Aber das Cover war gut genug für Poe. Er zog den Helm ab, sobald die Rampe geschlossen war und er sicher sein konnte, dass niemand ihn sehen konnte. Er blinzelte. Erleichtert besser sehen zu können, auch wenn seine Augen nach wie vor brannten und er sich sicher war allzu bald nicht wieder normal sehen zu können. Wie seine Augen aussehen mochten, wollte er für den Moment lieber nicht wissen. Es genügte sie zu spüren.
Auf weichen Knien und schwer atmend näherte er sich dem Cockpit, ließ sich auf den Pilotensitz fallen. Die Rüstung der Sturmtruppen war nicht zum Sitzen geeignet. Die Beinschienen drückten, waren viel zu glatt um guten Halt zu geben... doch darum würde er sich später kümmern. Er schnappte nach Luft, schloss einen Moment die Augen, dann schaltete er die Triebwerke an, sah durch das weit geöffnete Hangartor hinaus in den Weltraum und legte die Hände auf die nur halb vertrauten Instrumente des Shuttles der Ersten Ordnung. So nah... er war der Freiheit so nah. Nur ein erster Schritt, aber er würde entkommen. Langsam, als sei es tatsächlich Routine, hob er langsam ab und glitt durch die Tore hinaus in die Dunkelheit. Für's Erste würde er den eingespeisten Koordinaten im Navcomputer folgen, dann vorzeitig aus dem Hyperraum springen und ein anderes System ansteuern. Bis dahin, schloss er aus den Angaben auf dem Navcomputer, hatte er drei Stunden Zeit. Dann würde er endgültig fliehen. Vorerst in ein unbekanntes System. Er war frei. Ein ungläubiges Lachen kämpfte sich aus seiner geschundenen Kehle hervor. Tränen traten ihm in die Augen, ob aus Erleichterung oder Schmerz konnte er kaum sagen. Das Lachen war kaum mehr als ein heiseres Keuchen, als die Sterne vor ihm zu grellen Streifen wurden.
Ein leises, vertrautes Piepen hinter ihm ließ ihn herum fahren und Poe war, als werde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Er schlug eine Hand vor den Mund. Ungläubig starrte er Beebee-Ate an, der laut surrend auf ihn zu geschossen kam. Moraps Droide war wieder bei ihm.
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Re: Der Pilot
Kapitel 12
Ein leiser Alarm ließ ihn auffahren. Poes Schädel brummte als sei er von einem abstürzenden Tie-Jäger getroffen worden. Sein Atem ging stoßweise und es kostete ihn alle Kraft sich nur aufzusetzen. Noch immer benebelt von den Medikamenten und dem unruhigen Schlaf sah Poe sich um. Jeder Muskel in seinem Körper protestierte bei der kleinsten Regung, doch auch vom Boden aus, auf dem er lag, konnte er sehen, dass das Schiff nicht mehr mit Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum schoss.
Er presste die Lider aufeinander um sich zu sammeln. Sofort wusste er wo er war. Was geschehen war. Was vor ihm lag. Beebee-Ate stieß ihn an und Poe brachte ein kleines Lächeln hervor. „Hey“, krächzte er. Das eine Wort genügte um ihm zu versichern, dass er allzu schnell keine ganzen Sätze sprechen würde. Der Boden unter ihm schien sich zu drehen. Er brauchte Ruhe und Erholung. Und das dringend, bevor er auch nur in Angriff nehmen konnte was er als nächstes vorhatte. Er musste zum Widerstand zurückkehren und das möglichst unauffällig. Zum einen konnte er unmöglich mit einem Shuttle der Ersten Ordnung in einem System der Republik auftauchen und behaupten er sei der Pilot, der gerade öffentlich hingerichtet wurde, weil genau das Bendar in Gefahr bringen würde. Zum zweiten hatte er keine Ahnung, wie er sonst direkt Kontakt zum Widerstand aufnehmen konnte. Den nächsten Sammelpunkt hatte er nicht genannt bekommen. Dieses Schiff war sehr wahrscheinlich von der Ersten Ordnung mit einem Tracker versehen worden und jede Bewegung die er tätigte würde verfolgt werden, ebenso wie vermutlich jegliche Übertragung leicht abzufangen sein würde. Er musste dieses Schiff also loswerden, bevor er irgendwie weiter denken konnte.
Schwerfällig kam er auf die Füße. So langsam, dass das Shuttle nicht anfing sich schneller um ihn herum zu drehen. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er hatte mehr oder weniger sofort das Bewusstsein verloren, nachdem das Shuttle Lichtgeschwindigkeit erreicht hatte und dabei war ihm vollkommen gleich gewesen wo er schlief. Es war der erste Schlaf seit gefühlten Jahren, der halbwegs ruhig gewesen war und das war vermutlich zum Großteil den Drogen zu verdanken, die Bendar ihm verabreicht hatte. Er warf einen kurzen Blick auf die Instrumente, die nichts außergewöhnliches anzeigten, dann ging er auf Beinen, denen er kaum zutraute sein Gewicht zu tragen, die kurze Rampe hinunter auf das Passagierabteil zu. Aus den Augenwinkeln sah er Beebee-Ate, dessen Sensoren ihm offenkundig folgten. Poe hob beruhigend eine Hand. Sie waren aus dem Hyperraum gesprungen ehe sie das Ziel erreicht hatten, das die Erste Ordnung einprogrammiert hatte, so wie er es vorgesehen hatte und sobald er bereit war würde er den nächsten Sprung in die Lichtgeschwindigkeit wagen. Aber das war nicht jetzt. Er war nicht bereit weiter zu denken als fünf Minuten in die Zukunft.
Seine Augen brannten, seine Kehle war noch immer eng. Beinahe spürte er den Gurt noch immer um seinen Hals. Mit einem Schaudern begann er die Teile des weißen Plastoid-Panzers abzulegen, die er nicht hatte ausziehen können, bevor er vor Erschöpfung eingeschlafen war. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich über die schweißnasse Stirn. Der schwarze Overall unter der Rüstung saß schlecht. Die Frau hatte sich zwar die Brust geschnürt, aber offensichtlich nicht so fest, dass der obere Teil nicht ausgebeult war. Es war Poe kaum aufgefallen als er die Sachen angezogen hatte, doch jetzt kam er nicht umhin es zu sehen, als er vollkommen in schwarz gekleidet vor dem Eingang zum Passagierabteil des Shuttles stand.
Sie war nicht tot gewesen, als Bendar sie in den Sack befördert hatte. Lediglich bewusstlos und doch war ihr Leben schon beendet gewesen als sie Bendar unter die Augen getreten war. Sie war nicht einmal ein Opfer für Bendar gewesen. Vielmehr ein Werkzeug das er gebrauchen konnte. Ein Körper, eine Leiche, die er als Ersatz für Poe benutzen und entsorgen konnte. Und alles was von ihr übrig blieb war das, was Poe am Körper trug.
Poe schüttelte den Kopf. Das hier war kaum der Ort und Zeitpunkt über die Frau nachzudenken, die auch sicherlich innerhalb des Sturmtrupplerkorps Freundschaften geschlossen hatte und die jetzt verschwinden würde. Die in Vergessenheit geraten würde, wie die Buchstaben- und Ziffernfolge die sie war.
Die Tür vor ihm glitt auf und sofort fiel Poes Blick auf die Wasserausgabe im Bereich des geöffneten Bades. Mit zittrigen Fingern betätigte er den Schalter und schöpfte das eisige Wasser mit hohlen Händen an seinen Mund. Jeder Schluck schmerzte, brannte in seiner Kehle, doch es war ihm egal. Prustend ließ er nach einigen Handvoll von dem Wasserstrahl ab, obwohl jede Zelle in seinem Körper nach mehr zu schreien schien. Er wollte nicht, dass alles wieder hoch kam. Ein leises Piepen hinter ihm ließ ihn herumfahren. Beebee-Ate war ihm auch hierhin gefolgt, beinahe so als traue der Droide Poes Anwesenheit nicht ganz. Wieder hob er beruhigend die Hand, dann deutete er auf seinen Hals und hob die Schultern. Er konnte nicht sprechen und würde es sicherlich so bald nicht können. Als Beebee auf ihn zu rollte und leicht anstieß legte Poe beruhigend eine Hand auf den Kopf des Droiden, wie um ihm zu versichern, dass alles in Ordnung war. Noch immer vollkommen ausgelaugt lehnte er sich gegen das Waschbecken. Sein Blick fiel auf die kleine Nasszelle, dann durch die Tür hindurch auf das schmale Bett. Beinahe sehnsuchtsvoll betrachtete er die zwar dünne, aber todsicher wärmende Decke unter der er sich so unbedingt verkriechen wollte. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Er tätschelte Beebee-Ates halbrunden Kopf noch einmal, dann drehte er sich wieder um und erstarrte, als er sein Spiegelbild sah. Er musste den Schalter für die Spiegelfunktion betätigt haben und entsetzt blickte er dem Mann entgegen, den er kaum erkennen konnte. Die Augen waren gerötet, das Gesicht blass unter schwarzen Bartstoppeln. Er sah die Spuren, die Bendars Fäuste auf seinem Gesicht hinterlassen hatten und wusste, dass sein gesamter Körper davon gezeichnet sein musste. Eitel war er nicht. Nicht wirklich, doch sich selbst so zu sehen rief jeden Schlag, jedes Zucken seiner Muskeln, jedes Brennen seiner Knochen und jedes Wort das er gesagt hatte um es zu beenden wieder in sein Gedächtnis. Seine Hand schwebte über dem Schalter, der die Spiegelfunktion beenden und ihn selbst von diesem Anblick befreien würde. Nach einigen Sekunden ließ er die Hand wieder sinken und sah sich selbst wieder in die Augen. Betrachtete die Verachtung vor sich selbst. Den Unglauben noch einmal mit dem Leben davon gekommen zu sein. Die Hoffnung zu Finn und den anderen Widerstandskämpfern zurückkehren zu können. Die Angst davor. Die Trauer um Morap. Er hatte ihn jetzt so oft verloren. Immerhin war das jetzt vorbei.
Nach einigen Momenten nahm er noch ein paar Schlucke Wasser. Er fühlte sich etwas besser, auch wenn er ahnte, dass das Schlucken ihm nicht allzu bald wieder leicht fallen würde. Deswegen würde er sich allerdings todsicher nicht beschweren. Er atmete noch einmal tief durch, zwang sich seine Lungen zu füllen, auch wenn es ihm schwer fiel, dann machte er sich vom Waschbecken los und ignorierte das schmale Bett auf dem Weg in den Hauptraum des Shuttles. Er legte eine Hand auf eine der Kisten, die er pro forma transportierte und um die er sich später noch sorgen konnte. Es dauerte eine Weile, bis er sich den rudimentären Aufbau der alten imperialen Shuttles vor Augen geführt hatte. Die Schiffe derselben Klasse die jetzt der Ersten Ordnung gehörten, waren vermutlich nicht anders. Glücklicherweise gab es nur eine weiterführende Tür und sofort schalt er sich für seine Langsamkeit. Es würde vermutlich noch etwas dauern, bis er wieder vollkommen klar denken konnte. Poe schob sich in Richtung der zweiten Tür, betätigte den Schalter an der Seite, dann betrat er den kleinen Raum in dem sich der Hyperraumgenerator befand und war erleichtert, dass er sich mit diesem Design zurechtfinden würde. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich die Schweiß aus der Stirn, betrachtete die Maschine vor sich mit geübten Blick und fand sofort das, was er schnellstmöglich entfernen musste. Natürlich war es so angebracht, dass man nicht lange danach suchen musste. Kein Offizier der Ersten Ordnung käme im Traum daran den Tracker zu entfernen. Poe Dameron hingegen war dankbar dafür nicht lange suchen zu müssen. Vermutlich war es nicht die einzige Möglichkeit für die Erste Ordnung das Schiff verfolgen zu können, doch immerhin dieses Hindernis hatte er aus dem Weg geräumt. Im Hauptraum ließ er das längliche, etwa handtellergroße Gerät auf den Boden fallen und nahm den Blaster auf, den er kurz zuvor noch abgelegt hatte. Beebee-Ate surrte herbei, als er den lauten und ungedämpften Schuss registrierte, der den Tracker ausschaltete und eine breite, verkohlte Stelle auf dem blankgescheuerten Boden des Shuttles hinterließ. Poe taumelte einen Schritt zurück und musste sich an einer der Kisten festhalten. Er durfte es wirklich noch nicht übertreiben und vor allem musste er hier weg kommen.
Den eindeutig besorgte Laute von sich gebenden Droiden ignorierend schob Poe sich die kurze Rampe wieder hinauf ins Cockpit. Nur noch ein paar Minuten, dann würde er seine Ruhe haben. Würde schlafen können, oder, was es vermutlich mehr traf, sich der Besinnungslosigkeit hingeben. Eine rote Iode in der Mittelkonsole blinkte in langgezogenen Intervallen auf. Das Comm. Offensichtlich hatte die Erste Ordnung versucht ihn hier zu kontaktieren. Seine nicht gegebene Antwort würde sicherlich bald einen Suchtrupp heraufbeschwören. Poe überlegte ob es eine gute Idee war die empfangene Nachricht abzuspielen und ehe er den Einfall verwerfen konnte, deaktivierte er das Comm, sodass niemand dieses Shuttle kontaktieren konnte, dann rief er die vom Bordcomputer gespeicherte Nachricht ab. Eine Nachfrage bezüglich des vorzeitigen Sprungs aus dem Hyperraum. Eine Frage ob technische Hilfe nötig sein würde. Poe atmete tief durch. Nichts ungewöhnliches. Würde keine Antwort kommen, würde die Erste Ordnung sicherlich Nachforschungen anstellen, doch bis sie zu einem Ergebnis kommen konnten, wäre er lang von hier verschwunden.
Er gab dem Navcomputer die Koordinaten des Systems, das er als nächstes ansteuern wollte. Als nach wenigen Augenblicken die Flugzeit angegeben wurde, ebenso wie die Warnung dass dieser Sprung in die Lichtgeschwindigkeit einen Großteil der Treibstoffs aufbrauchen würde, schloss Poe für ein paar Herzschläge die Augen. Einen langen Flug konnte er gut gebrauchen und um den Treibstoff konnte er sich jetzt nicht sorgen. Er hatte ohnehin nicht vor das Shuttle der Ersten Ordnung zurückzugeben. Die Sterne wurden scheinbar in die Länge gezogen, die leichte Vibration des Shuttles und die Instrumente zeigten ihm an, dass sie Lichtgeschwindigkeit erreicht hatten und alles so lief wie es sollte,
Seine Augen drohten endgültig zuzufallen. Schwerfällig kam er wieder auf die Füße. Er wollte nicht wieder auf dem Boden des Cockpits einschlafen. Nicht, wenn etwas wie ein Bett, eine Decke und ein Gefühl, das Sicherheit gleichkommen musste, auf ihn warteten. Im Hyperraum konnte nichts und niemand diesem Shuttle etwas anhaben. Beebee-Ate wartete am Fuß der Rampe, folgte ihm zum Passagierabteil und Poe ahnte, dass der Droide ihn so schnell nicht unbeobachtet lassen würde. Es war ein beinahe beruhigendes Gefühl.
Nar Shadaa war kein Planet, den er je hatte besuchen wollen. Im Grunde war jeder Planet, der von den Hutts regiert wurde kein erstrebenswertes Reiseziel, wie Poe fand und Nar Shadaa war der vermutlich letzte Ort an dem er sich jemals widerfinden wollte. Und doch... dieser Ort war riesig, mit einer Population, die aus allen Spezies der Galaxis zu bestehen schien. Niemand hier wollte wirklich gefunden werden. Niemand, so vermutete Poe, benutzte hier seinen richtigen Namen. Niemand, und das war vermutlich das wichtigste, stellte unangenehme Fragen. Der Schmugglermond glich Corouscant, wenn man ihn aus dem Weltall betrachtete, doch kaum war man in die Atmosphäre eingedrungen und näherte sich den verbraucht wirkenden Gebäudeschluchten, welche die gesamte Planetenoberfläche überzogen, wurde jedem klar, dass er sich hier am besten nicht verlaufen durfte. Ein falscher Schritt und nicht allzu bald danach hätte man alles verloren was man am Leib trug und das war noch vermutlich das bestmögliche Szenario.
Poe hatte den für Sturmtruppen zur Standardausrüstung gehörigen Blaster an sein Bein geschnallt und bemühte sich, sich sein Unbehagen bei dem Anblick von so viel offenkundiger Kriminalität nicht anmerken zu lassen. Aber er hatte recht behalten. Niemand hatte auch nur eine Frage gestellt, als er das Shuttle der Ersten Ordnung auf einem der zentraleren Landeplätze landete und der Betreiberin der Anlage, einer nicht gerade vertrauenerweckenden Trandoshanerin, zum Verkauf bot. Sie hatte sofort eingewilligt, als sie gesehen hatte in welch gutem Zustand das Schiff war, und Poe einen erbärmlichen Preis dafür bezahlt. Aber ihm war es gleich. Er war das Schiff los und damit vermutlich auch die Erste Ordnung.
Jetzt schlängelte er sich über Brücken durch die Masse an Kreaturen ihm bekannter und unbekannter Spezies, nur weg von dem Landeplatz und dem verräterischen Shuttle, Beebe-Ate an seinen Fersen. Der Droide schien bemüht nie mehr als einige wenige Zentimeter Abstand zwischen sich und Poe zuzulassen und Poe konnte nicht verübeln, dass der Droide dieser Umgebung nicht traute. Ihm selbst ging es nicht anders. Allerdings musste er einräumen, dass er Beebee-Ate in seinem aktuellen Zustand nicht wirklich verteidigen konnte. Poe bemühte sich, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, griff nicht nach dem Blaster, auch wenn es ihn sicherlich beruhigt hätte die Waffe unter der Hand zu spüren. Er ging weiter geradeaus. Immer weiter. So, als hätte er ein Ziel, dabei ging es ihm einzig und allein darum unterzutauchen. Vorerst jedenfalls.
Als ein schrilles, langezogenes Piepen, das beinahe einem Schrei gleichkam, hinter ihm ertönte, fuhr Poe abrupt herum. Gerade noch sah er einen riesigen, mit schwarzem Fell überzogenen Körper im Gewühl hinter ihm verschwinden. Beebee-Ate war nicht mehr zu sehen. Einen leisen Fluch ausstoßend, setzte Poe der Kreatur nach, die nur ein Wookie sein konnte. Er konnte nicht einmal brüllen, konnte niemanden auffordern den Wookie zu stellen, auch wenn es vermutlich ohnehin niemand getan hatte. Und er war langsam. Viel zu langsam. Trotzdem holte er nach nur einigen Schritten auf. Der Wookie hatte vor sich die Menge geteilt und Poe kam hinterher. Seine Beinmuskulatur war das Laufen schon jetzt nicht mehr gewöhnt, doch Beebee-Ates verzweifelte Schreie trieben ihn an. Nicht schon wieder. Er konnte Beebee nicht noch einmal verlieren! Nicht nach allem was sie durchgemacht hatten. Im Laufen zog er den Blaster aus dem Holster. Er war an einer breiten Treppe angekommen, die auf einen kleinen Platz einige Stufen unterhalb führte und Poe erkannte den Wookie. Ohne zu zögern richtete Poe den Blaster offen auf den Dieb und drückte ab. Ein Gungan, die direkt neben ihm stand warf ihm einen abschätzigen Blick zu und schnalzte laut mit der überlangen Zunge, doch der Wookie ging zu Boden. Niemand sonst scherte sich um den Mord auf offener Straße.
Poe beeilte sich auf den Platz zu kommen. Der kurze Lauf hatte ihn angestrengt, seine Lungen schienen in Flammen zu stehen, doch als Beebee-Ate ihm entgegen rollte und sofort gegen sein Bein stieß, wusste Poe, dass er auch noch weiter gerannt wäre. Erleichtert legte er Beebee eine Hand auf den halbrunden Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mit einem Ruck des Kopfes bedeutete er dem Droiden, dass sie weiter mussten, ehe ein vermutlicher Komplize des Wookie sich ihnen in den Weg stellte um seinen Kollegen zu rächen. Poes Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. Das hier war wirklich kein Ort für ihn.
Gerade hatten er und Beebee-Ate eine Gasse erreicht, die sie in eine andere Richtung bringen würde als die, welcher sie gerade gefolgt waren, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Poe fuhr herum, den Blaster noch immer in der Hand und seine Finger begann den Abzug hinab zu drücken, als er das Gesicht vor ihm plötzlich als „bekannt“ einstufte.
„Dameron?“ Ein breites Lächeln enthüllte zwei Reihen scharfer spitzer Zähne. „Stell dir mal vor, dass ich dich hier treffe. Warum hast du meinen Kollegen umgelegt, hm?“ Sie schien nicht gerade entsetzt über den Verlust ihres angeblichen Komplizen.
Poe atmete aus und fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar, ließ den Blaster aber nicht lockerer. Sie hatte immerhin zugegeben, dass der Wookie zu ihr gehört hatte und ganz gleich, was sie versuchte ihm zu erzählen: Satora Heec war eine Schmugglerin erster Güte. „Satora...“ Seine Stimme war noch immer leise. Krächzend. Es war ein Wunder, dass sie ihn überhaupt verstand.
Beebee-Ates Sensoren flogen von ihm zu die Twi’Lek, die laut lachte, die Arme in die Luft warf und bevor Poe auch nur einen Schritt nach hinten tun konnte, hatte sie ihn fest an sich gedrückt. Ungläubig schüttelte Poe den Kopf. In der Geschwindigkeit in der gefühlt jede halbe Stunde etwas vollkommen unerwartetes geschah, würde er sicherlich bald den Verstand verlieren. Trotzdem ließ er es zu, dass die Schmugglerin, die ihm geholfen hatte von Jakku zu entkommen, ihn weiter fest an sich drückte. Wenn er ehrlich war tat es sogar gut die Wärme einer anderen Person zu spüren. Und trotzdem...
„Wie hast du das denn geschafft, he?“ Sie ließ ihn los, hielt ihn bei den Schultern gepackt und starrte ihn aus großen, fliederfarbenen Augen an. Und plötzlich blinzelte sie. „Deine Hinrichtung jedenfalls hat mich nicht sonderlich hoffnungsvoll auf ein Wiedersehen gestimmt.“
Poes Mundwinkel zuckten und er hob die Schultern, unsicher wie er der Schmugglerin vor sich auch nur anfangen sollte zu erklären, dass sie den Mund halten musste. Vorerst jedenfalls deutete er auf den großen, schweren Körper des Wookies einige dutzend Meter hinter Satora, der gerade von einigen gierigen Luttrillianern umzingelt wurde, deren Finger bereits die Ausrüstung des Wookie nach Wertsachen durchsuchten. Schaudernd wandte Poe sich ab.
Satora allerdings war seinem Blick gefolgt und hob nun ihrerseits die beinahe schneeweißen Schultern. „Ich habe ihn erst vor einigen Stunden kennengelernt. Ich wollte sehen, ob er überhaupt in der Lage ist einen Droiden zu stehlen.“ Sie blickte auf Beebee-Ate hinab, der sofort hinter Poes Beine rollte und ließ den Bogenschweißer vorschnellen. Daran hätte der Droide auch vor einigen Minuten denken können, fand Poe, aber immerhin reagierte Beebee jetzt. Satora schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich lass dich deinem Master schon.“ Die Beebee-Einheit zog den Bogenschweißer ebenso wenig ein, wie Poe den Blaster weg steckte. Es war zu viel geschehen als dass er dieser Schmugglerin jetzt hätte vertrauen können, auch wenn sich ihm das Gefühl aufdrängte genau das zu tun. Sie sah ihn wieder durchdringend an und seufzte. „Ich habe dir einmal geholfen, warum denkst du würde ich das jetzt zunichtemachen wollen, Poe?“
Poe. So hatte ihn seit Tagen niemand genannt. Seit Wochen. Einfach nur Poe. Seine Hände zitterten und er dachte an Jakku. An den Moment, in dem der Schrottsammler, der ihn in der Wüste aufgesammelt hatte, ihm dieser Frau, der Besitzerin der Purple Pride, vorgestellt hatte, die nur allzu deutlich gesagt hatte, dass sie nichts mit dem Widerstand oder der Republik zu tun haben wollte. Und doch hatte sie ihm geholfen. Hatte ihn auf einen Planeten gebracht von dem aus er zum Widerstand zurückkehren konnte und dafür hatte sie sogar einen Umweg in Kauf genommen. „Weiß nicht“, krächzte er tonlos, verfluchte sich selbst für seine Schwäche und die Erste Ordnung dafür ihn seiner Stimme beraubt zu haben.
„Du steckst wieder in Schwierigkeiten, nehme ich an?“
Poe nickte matt und Satora seufzte.
„Komm, ich besorge dir erst einmal einen Drink. Vielleicht kannst du dann etwas besser sprechen.“
Ein kleines, unfrohes Lächeln huschte über Poes Lippen und Beebee-Ate stieß ihn von hinten gegen die Beine. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Atromech die Idee nicht für gut befand und Poe konnte es ihm nicht einmal verübeln. Wahllos deutete er auf die nächstbeste Bar. So ging er immerhin nicht unbedingt das Risiko ein, dass Satora ihn doch in eine Bar ihres Vertrauens schleifte, wo es ihr leicht fallen würde ihm die nächste Dose Drogen zu verpassen um ihn an die Erste Ordnung zu verkaufen.
Sie schien seine Gedanken lesen zu können und stemmte die Hände in die Seiten. Die lederne, hautenge Weste knarzte bei jeder Bewegung. Poe hörte es und fühlte sich an das letzte Mal erinnert, dass er sie gesehen hatte. Ihr Erscheinungsbild hatte sich in der Zwischenzeit wenigstens nicht geändert. Wie es mit ihrer Hilfsbereitschaft aussah, konnte er natürlich nur vermuten. „Ich nehme mal an, du brauchst wieder einmal Hilfe zu deinen Freunden zurückzukommen?“, fragte sie und Poe hob wieder die Schultern. „Und das möglichst unauffällig?“ Sie nahm ihm beim Arm und schob ihn langsam in Richtung der Bar, die auf den zweiten Blick noch schäbiger aussah wie die restliche Umgebung. Trotzdem ließ er sich von Satora hinein bugsieren. Etwas besseres zu finden garantierte keine Sicherheit. Er beobachtete, wie Satora einem, neben dem Eingang schlafenden Humanoiden die dunkelbraune Robe, mit der er sich zugedeckt hatte, hinunterzog und Poe kommentarlos über die Schulter warf. Der grünhäutige Mann kauerte sich weiter zusammen, schlief aber, offenbar berauscht, seelenruhig weiter.
„Um ihn wird’s schon nicht schade sein“, murmelte Satora auf Poes angewiderten Blick, der sich eher auf den nach ungewaschenem Körper riechenden Umhang bezog. Trotzdem zog Poe sich die stinkende Kapuze tief ins Gesicht. Sie hatte recht. Er musste tatsächlich versuchen unerkannt zu bleiben. Wenn Satora die Hinrichtung gesehen hatte, dann garantiert auch andere Schmuggler, Kopfgeldjäger oder wer auch immer.
Sie schob ihn in die Richtung eines etwas abgelegenen Tisches in der gut gefüllten Bar, während Poe den Blick einer Kellnerin auffing und zwei Finger hochhielt. Was ihm hier vorgesetzt werden würde wusste er nicht, aber es war sicherlich besser wenn er bestellte als Satora. Beebee-Ate rollte sofort unter den hohen klebrigen Tisch, als suche er dort Schutz vor suchenden Blicken und Poe ließ sich beinahe erleichtert auf die mit rissigem roten Leder bezogenen Leder Bank fallen.
„Also...“ Satora betrachtete ihn eingehend und hob eine Braue. „Ich kann dich nicht wieder ins Territorium der Republik bringen. Mein letztes Geschäft ist nicht... so glimpflich verlaufen und ich kann mein Gesicht da vorerst nicht blicken lassen. Aber ich habe einen Kontakt...“ Ihre Augen begannen einen Moment zu strahlen und Poe fragte sich, inwiefern dieser Kontakt nur ein Geschäftspartner war. Er hob eine Braue, ließ sie aber weiter reden. Unterbrechen konnte er sie ohnehin nicht. Neben ihnen tauchte die Kellnerin, eine hübsche, junge Frau, auf und stellte zwei große Gläser Bier vor ihnen ab. Erleichtert atmete Poe aus. Das Bier immerhin war klar und der weiße Schaum sah geradezu verlockend aus. Trotzdem richtete er all seine Konzentration auf Satora. „Ich nehme mal an, dass du deine Rückkehr von den Toten geheim halten willst? Sonst wärst du sicherlich nicht hierher gekommen.“
Poe nickte.
Sie seufzte wieder, griff über den Tisch hinweg und nippte an seinem Bier. Poe verschränkte die Arme vor der Brust und grinste leicht. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie ihn nicht vergiften wollte. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und nahm selbst einen Schluck. Die Flüssigkeit war viel zu kalt, doch das Bier tat seiner geschundenen Kehle gut und der Geschmack war geradezu unbeschreiblich nach Tagen und Wochen in denen er sich ausschließlich von grauem Brei und Wasser ernährt hatte. Das Schlucken tat noch immer weh, trotzdem leerte er sein Glas zur Hälfte, ehe er Satora wieder ansah.
„Hast du einen Codenamen, den ich ihm geben soll?“
Poe schüttelte den Kopf. Alle Codenamen, die ihm einfielen, die ihn identifizieren konnten, hätten seine Identität geradezu hinausposaunt. Und das konnte er nicht riskieren. Meelan Bendar musste er so lange schützen, wie es nur irgendwie ging. Das schuldete er Moraps Bruder trotz allem.
„Ich nehme nicht an, dass du mitbekommen hast, was die Erste Ordnung als letztes getan hat?“
Poe erstarrte und ließ das Glas sinken. Sofort schossen tausende Szenarien durch seinen Kopf an denen nur er schuld haben konnte. „Was?“, hauchte er tonlos. Er musste es wissen. Musste wissen, ob seine spärlichen Informationen schon jetzt irreparablen Schaden angerichtet hatten.
Satora biss sich auf die Lippen und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. „Als sie dich... na ja... öffentlich aufgeknüpft haben, den Commander des Widerstands, an dem sie ihre Macht demonstrieren wollten, und wir alle ungläubig zugesehen haben, dass sie es tatsächlich öffentlich machen... ist ihre Armada in den Systemen der Kernwelten eingefallen. Sicherlich dreißig Sternenzerstörer und keiner kann ihnen wirklich etwas entgegen setzen. Der Widerstand ist so stark dezimiert seit dem Angriff auf die Starkiller Basis, das weiß nun wirklich jeder, und der Großteil der Flotte der Republik ist zerstört... die Kriegserklärung an die Republik und den Widerstand hätte offener nicht sein können und sie halten direkt auf Corouscant zu.“
Poe runzelte die Stirn. Das waren keine guten Nachrichten. Alles andere als das und doch musste er einräumen, dass er erleichtert war. Er hatte nur als Ablenkungsmanöver gedient. Seine Informationen hatten die Erste Ordnung nicht weiter gebracht.
„Ich finde du solltest es ihnen zeigen.“ Satoras Augen wurden kühl. Fest. Bestimmt. „Zeig ihnen, dass sie dich und den Widerstand nicht klein kriegen. Dass-“ Sie brach ab, als sie Poes erhobenen Zeigefinger sah. Ihre Augen sprühten förmlich.
Er schüttelte den Kopf. „Hatte Hilfe. Nicht offen.“, sagte er leise, dann deutete er auf Satora. Sie verstand. Er konnte nicht, weil er jemanden schützen musste. Aber sie... was war mit ihr? Sie zeigte ihren Hass auf die Erste Ordnung offen genug und Poe verstand sie nur zu gut. Schmuggler hatten es in der Neuen Republik nicht leicht, doch das Imperium war für sie mehr als nur geschäftsschädigend gewesen. Das wusste nun wirklich jeder, der auch nur einmal eine Schule von innen gesehen und ein wenig Geschichtsunterricht erhalten hatte. Aber die Erste Ordnung war extremer und rücksichtsloser als das Imperium es jemals gewesen war und für niemanden, der auch nur in irgendeiner Weise seine Freiheit leben wollte, konnten gute Zeiten anbrechen, wenn die Erste Ordnung endgültig die Überhand gewann.
Satora hob hingegen abwehrend die Hände. „Ich will damit nichts zu tun haben!“, rief sie aus und Poe hob die Brauen. Warum nicht? Sie hatte doch sicherlich viel zu verlieren! Warum war sie nicht bereit etwas für sich zu tun? Sie schüttelte den Kopf und dabei glitt einer der beiden schmalen Lekku über ihre Schulter nach vorn.
Poe schwieg. Zu erschöpft um ein Gegenargument zu bringen. Die wenigen Worte, die er gesprochen hatte. Die Jagd auf den Wookie und die Ereignisse der letzten Tage forderten wieder ihren Tribut.
„Lässt du mich dich zu meinem Schiff bringen?“, fragte sie leise. Beebee-Ate stieß unter dem Tisch Warngeräusche aus, doch Poe ignorierte den Droiden. Er brauchte Ruhe und hier konnte er unmöglich schlafen. Dem Besitzer eines x-beliebigen Hotels konnte er sicherlich ebenso wenig trauen wie der Schmugglerin vor ihm.... oder vielleicht doch weniger? Wenigstens hatte sie ihm schon einmal geholfen und ihr Hass auf die Erste Ordnung schien ihm noch immer nicht gespielt. Also nickte er matt. Sie lächelte wieder, zeigte dabei ihre perlweißen, spitzen Zähne und Poe war beinahe versucht das Lächeln zu erwidern. „Ich nehme sofort Kontakt auf“, erklärte sie. „Aber sie müssen dich schon holen.“
Poe nickte wieder und leerte sein Bier. Corouscant und die Kernwelten waren bedroht. Offensichtlich war die Erste Ordnung bemüht den alten Ruhm des Imperiums möglichst bald mit möglichst großer Macht wieder auferstehen zu lassen. Und vermutlich würden sie es auch schaffen. Die Neue Republik hatte sich angreifbar gemacht, indem sie begonnen hatten abzurüsten und der Widerstand war geschwächt. Er wusste, dass sie kaum eine Chance hatten und doch... trotz allem wollte er nicht aufgeben, würde er nicht aufgeben, bis die Erste Ordnung ihn endgültig zur Strecke gebracht hatte.
Ein leiser Alarm ließ ihn auffahren. Poes Schädel brummte als sei er von einem abstürzenden Tie-Jäger getroffen worden. Sein Atem ging stoßweise und es kostete ihn alle Kraft sich nur aufzusetzen. Noch immer benebelt von den Medikamenten und dem unruhigen Schlaf sah Poe sich um. Jeder Muskel in seinem Körper protestierte bei der kleinsten Regung, doch auch vom Boden aus, auf dem er lag, konnte er sehen, dass das Schiff nicht mehr mit Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum schoss.
Er presste die Lider aufeinander um sich zu sammeln. Sofort wusste er wo er war. Was geschehen war. Was vor ihm lag. Beebee-Ate stieß ihn an und Poe brachte ein kleines Lächeln hervor. „Hey“, krächzte er. Das eine Wort genügte um ihm zu versichern, dass er allzu schnell keine ganzen Sätze sprechen würde. Der Boden unter ihm schien sich zu drehen. Er brauchte Ruhe und Erholung. Und das dringend, bevor er auch nur in Angriff nehmen konnte was er als nächstes vorhatte. Er musste zum Widerstand zurückkehren und das möglichst unauffällig. Zum einen konnte er unmöglich mit einem Shuttle der Ersten Ordnung in einem System der Republik auftauchen und behaupten er sei der Pilot, der gerade öffentlich hingerichtet wurde, weil genau das Bendar in Gefahr bringen würde. Zum zweiten hatte er keine Ahnung, wie er sonst direkt Kontakt zum Widerstand aufnehmen konnte. Den nächsten Sammelpunkt hatte er nicht genannt bekommen. Dieses Schiff war sehr wahrscheinlich von der Ersten Ordnung mit einem Tracker versehen worden und jede Bewegung die er tätigte würde verfolgt werden, ebenso wie vermutlich jegliche Übertragung leicht abzufangen sein würde. Er musste dieses Schiff also loswerden, bevor er irgendwie weiter denken konnte.
Schwerfällig kam er auf die Füße. So langsam, dass das Shuttle nicht anfing sich schneller um ihn herum zu drehen. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er hatte mehr oder weniger sofort das Bewusstsein verloren, nachdem das Shuttle Lichtgeschwindigkeit erreicht hatte und dabei war ihm vollkommen gleich gewesen wo er schlief. Es war der erste Schlaf seit gefühlten Jahren, der halbwegs ruhig gewesen war und das war vermutlich zum Großteil den Drogen zu verdanken, die Bendar ihm verabreicht hatte. Er warf einen kurzen Blick auf die Instrumente, die nichts außergewöhnliches anzeigten, dann ging er auf Beinen, denen er kaum zutraute sein Gewicht zu tragen, die kurze Rampe hinunter auf das Passagierabteil zu. Aus den Augenwinkeln sah er Beebee-Ate, dessen Sensoren ihm offenkundig folgten. Poe hob beruhigend eine Hand. Sie waren aus dem Hyperraum gesprungen ehe sie das Ziel erreicht hatten, das die Erste Ordnung einprogrammiert hatte, so wie er es vorgesehen hatte und sobald er bereit war würde er den nächsten Sprung in die Lichtgeschwindigkeit wagen. Aber das war nicht jetzt. Er war nicht bereit weiter zu denken als fünf Minuten in die Zukunft.
Seine Augen brannten, seine Kehle war noch immer eng. Beinahe spürte er den Gurt noch immer um seinen Hals. Mit einem Schaudern begann er die Teile des weißen Plastoid-Panzers abzulegen, die er nicht hatte ausziehen können, bevor er vor Erschöpfung eingeschlafen war. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich über die schweißnasse Stirn. Der schwarze Overall unter der Rüstung saß schlecht. Die Frau hatte sich zwar die Brust geschnürt, aber offensichtlich nicht so fest, dass der obere Teil nicht ausgebeult war. Es war Poe kaum aufgefallen als er die Sachen angezogen hatte, doch jetzt kam er nicht umhin es zu sehen, als er vollkommen in schwarz gekleidet vor dem Eingang zum Passagierabteil des Shuttles stand.
Sie war nicht tot gewesen, als Bendar sie in den Sack befördert hatte. Lediglich bewusstlos und doch war ihr Leben schon beendet gewesen als sie Bendar unter die Augen getreten war. Sie war nicht einmal ein Opfer für Bendar gewesen. Vielmehr ein Werkzeug das er gebrauchen konnte. Ein Körper, eine Leiche, die er als Ersatz für Poe benutzen und entsorgen konnte. Und alles was von ihr übrig blieb war das, was Poe am Körper trug.
Poe schüttelte den Kopf. Das hier war kaum der Ort und Zeitpunkt über die Frau nachzudenken, die auch sicherlich innerhalb des Sturmtrupplerkorps Freundschaften geschlossen hatte und die jetzt verschwinden würde. Die in Vergessenheit geraten würde, wie die Buchstaben- und Ziffernfolge die sie war.
Die Tür vor ihm glitt auf und sofort fiel Poes Blick auf die Wasserausgabe im Bereich des geöffneten Bades. Mit zittrigen Fingern betätigte er den Schalter und schöpfte das eisige Wasser mit hohlen Händen an seinen Mund. Jeder Schluck schmerzte, brannte in seiner Kehle, doch es war ihm egal. Prustend ließ er nach einigen Handvoll von dem Wasserstrahl ab, obwohl jede Zelle in seinem Körper nach mehr zu schreien schien. Er wollte nicht, dass alles wieder hoch kam. Ein leises Piepen hinter ihm ließ ihn herumfahren. Beebee-Ate war ihm auch hierhin gefolgt, beinahe so als traue der Droide Poes Anwesenheit nicht ganz. Wieder hob er beruhigend die Hand, dann deutete er auf seinen Hals und hob die Schultern. Er konnte nicht sprechen und würde es sicherlich so bald nicht können. Als Beebee auf ihn zu rollte und leicht anstieß legte Poe beruhigend eine Hand auf den Kopf des Droiden, wie um ihm zu versichern, dass alles in Ordnung war. Noch immer vollkommen ausgelaugt lehnte er sich gegen das Waschbecken. Sein Blick fiel auf die kleine Nasszelle, dann durch die Tür hindurch auf das schmale Bett. Beinahe sehnsuchtsvoll betrachtete er die zwar dünne, aber todsicher wärmende Decke unter der er sich so unbedingt verkriechen wollte. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Er tätschelte Beebee-Ates halbrunden Kopf noch einmal, dann drehte er sich wieder um und erstarrte, als er sein Spiegelbild sah. Er musste den Schalter für die Spiegelfunktion betätigt haben und entsetzt blickte er dem Mann entgegen, den er kaum erkennen konnte. Die Augen waren gerötet, das Gesicht blass unter schwarzen Bartstoppeln. Er sah die Spuren, die Bendars Fäuste auf seinem Gesicht hinterlassen hatten und wusste, dass sein gesamter Körper davon gezeichnet sein musste. Eitel war er nicht. Nicht wirklich, doch sich selbst so zu sehen rief jeden Schlag, jedes Zucken seiner Muskeln, jedes Brennen seiner Knochen und jedes Wort das er gesagt hatte um es zu beenden wieder in sein Gedächtnis. Seine Hand schwebte über dem Schalter, der die Spiegelfunktion beenden und ihn selbst von diesem Anblick befreien würde. Nach einigen Sekunden ließ er die Hand wieder sinken und sah sich selbst wieder in die Augen. Betrachtete die Verachtung vor sich selbst. Den Unglauben noch einmal mit dem Leben davon gekommen zu sein. Die Hoffnung zu Finn und den anderen Widerstandskämpfern zurückkehren zu können. Die Angst davor. Die Trauer um Morap. Er hatte ihn jetzt so oft verloren. Immerhin war das jetzt vorbei.
Nach einigen Momenten nahm er noch ein paar Schlucke Wasser. Er fühlte sich etwas besser, auch wenn er ahnte, dass das Schlucken ihm nicht allzu bald wieder leicht fallen würde. Deswegen würde er sich allerdings todsicher nicht beschweren. Er atmete noch einmal tief durch, zwang sich seine Lungen zu füllen, auch wenn es ihm schwer fiel, dann machte er sich vom Waschbecken los und ignorierte das schmale Bett auf dem Weg in den Hauptraum des Shuttles. Er legte eine Hand auf eine der Kisten, die er pro forma transportierte und um die er sich später noch sorgen konnte. Es dauerte eine Weile, bis er sich den rudimentären Aufbau der alten imperialen Shuttles vor Augen geführt hatte. Die Schiffe derselben Klasse die jetzt der Ersten Ordnung gehörten, waren vermutlich nicht anders. Glücklicherweise gab es nur eine weiterführende Tür und sofort schalt er sich für seine Langsamkeit. Es würde vermutlich noch etwas dauern, bis er wieder vollkommen klar denken konnte. Poe schob sich in Richtung der zweiten Tür, betätigte den Schalter an der Seite, dann betrat er den kleinen Raum in dem sich der Hyperraumgenerator befand und war erleichtert, dass er sich mit diesem Design zurechtfinden würde. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich die Schweiß aus der Stirn, betrachtete die Maschine vor sich mit geübten Blick und fand sofort das, was er schnellstmöglich entfernen musste. Natürlich war es so angebracht, dass man nicht lange danach suchen musste. Kein Offizier der Ersten Ordnung käme im Traum daran den Tracker zu entfernen. Poe Dameron hingegen war dankbar dafür nicht lange suchen zu müssen. Vermutlich war es nicht die einzige Möglichkeit für die Erste Ordnung das Schiff verfolgen zu können, doch immerhin dieses Hindernis hatte er aus dem Weg geräumt. Im Hauptraum ließ er das längliche, etwa handtellergroße Gerät auf den Boden fallen und nahm den Blaster auf, den er kurz zuvor noch abgelegt hatte. Beebee-Ate surrte herbei, als er den lauten und ungedämpften Schuss registrierte, der den Tracker ausschaltete und eine breite, verkohlte Stelle auf dem blankgescheuerten Boden des Shuttles hinterließ. Poe taumelte einen Schritt zurück und musste sich an einer der Kisten festhalten. Er durfte es wirklich noch nicht übertreiben und vor allem musste er hier weg kommen.
Den eindeutig besorgte Laute von sich gebenden Droiden ignorierend schob Poe sich die kurze Rampe wieder hinauf ins Cockpit. Nur noch ein paar Minuten, dann würde er seine Ruhe haben. Würde schlafen können, oder, was es vermutlich mehr traf, sich der Besinnungslosigkeit hingeben. Eine rote Iode in der Mittelkonsole blinkte in langgezogenen Intervallen auf. Das Comm. Offensichtlich hatte die Erste Ordnung versucht ihn hier zu kontaktieren. Seine nicht gegebene Antwort würde sicherlich bald einen Suchtrupp heraufbeschwören. Poe überlegte ob es eine gute Idee war die empfangene Nachricht abzuspielen und ehe er den Einfall verwerfen konnte, deaktivierte er das Comm, sodass niemand dieses Shuttle kontaktieren konnte, dann rief er die vom Bordcomputer gespeicherte Nachricht ab. Eine Nachfrage bezüglich des vorzeitigen Sprungs aus dem Hyperraum. Eine Frage ob technische Hilfe nötig sein würde. Poe atmete tief durch. Nichts ungewöhnliches. Würde keine Antwort kommen, würde die Erste Ordnung sicherlich Nachforschungen anstellen, doch bis sie zu einem Ergebnis kommen konnten, wäre er lang von hier verschwunden.
Er gab dem Navcomputer die Koordinaten des Systems, das er als nächstes ansteuern wollte. Als nach wenigen Augenblicken die Flugzeit angegeben wurde, ebenso wie die Warnung dass dieser Sprung in die Lichtgeschwindigkeit einen Großteil der Treibstoffs aufbrauchen würde, schloss Poe für ein paar Herzschläge die Augen. Einen langen Flug konnte er gut gebrauchen und um den Treibstoff konnte er sich jetzt nicht sorgen. Er hatte ohnehin nicht vor das Shuttle der Ersten Ordnung zurückzugeben. Die Sterne wurden scheinbar in die Länge gezogen, die leichte Vibration des Shuttles und die Instrumente zeigten ihm an, dass sie Lichtgeschwindigkeit erreicht hatten und alles so lief wie es sollte,
Seine Augen drohten endgültig zuzufallen. Schwerfällig kam er wieder auf die Füße. Er wollte nicht wieder auf dem Boden des Cockpits einschlafen. Nicht, wenn etwas wie ein Bett, eine Decke und ein Gefühl, das Sicherheit gleichkommen musste, auf ihn warteten. Im Hyperraum konnte nichts und niemand diesem Shuttle etwas anhaben. Beebee-Ate wartete am Fuß der Rampe, folgte ihm zum Passagierabteil und Poe ahnte, dass der Droide ihn so schnell nicht unbeobachtet lassen würde. Es war ein beinahe beruhigendes Gefühl.
Nar Shadaa war kein Planet, den er je hatte besuchen wollen. Im Grunde war jeder Planet, der von den Hutts regiert wurde kein erstrebenswertes Reiseziel, wie Poe fand und Nar Shadaa war der vermutlich letzte Ort an dem er sich jemals widerfinden wollte. Und doch... dieser Ort war riesig, mit einer Population, die aus allen Spezies der Galaxis zu bestehen schien. Niemand hier wollte wirklich gefunden werden. Niemand, so vermutete Poe, benutzte hier seinen richtigen Namen. Niemand, und das war vermutlich das wichtigste, stellte unangenehme Fragen. Der Schmugglermond glich Corouscant, wenn man ihn aus dem Weltall betrachtete, doch kaum war man in die Atmosphäre eingedrungen und näherte sich den verbraucht wirkenden Gebäudeschluchten, welche die gesamte Planetenoberfläche überzogen, wurde jedem klar, dass er sich hier am besten nicht verlaufen durfte. Ein falscher Schritt und nicht allzu bald danach hätte man alles verloren was man am Leib trug und das war noch vermutlich das bestmögliche Szenario.
Poe hatte den für Sturmtruppen zur Standardausrüstung gehörigen Blaster an sein Bein geschnallt und bemühte sich, sich sein Unbehagen bei dem Anblick von so viel offenkundiger Kriminalität nicht anmerken zu lassen. Aber er hatte recht behalten. Niemand hatte auch nur eine Frage gestellt, als er das Shuttle der Ersten Ordnung auf einem der zentraleren Landeplätze landete und der Betreiberin der Anlage, einer nicht gerade vertrauenerweckenden Trandoshanerin, zum Verkauf bot. Sie hatte sofort eingewilligt, als sie gesehen hatte in welch gutem Zustand das Schiff war, und Poe einen erbärmlichen Preis dafür bezahlt. Aber ihm war es gleich. Er war das Schiff los und damit vermutlich auch die Erste Ordnung.
Jetzt schlängelte er sich über Brücken durch die Masse an Kreaturen ihm bekannter und unbekannter Spezies, nur weg von dem Landeplatz und dem verräterischen Shuttle, Beebe-Ate an seinen Fersen. Der Droide schien bemüht nie mehr als einige wenige Zentimeter Abstand zwischen sich und Poe zuzulassen und Poe konnte nicht verübeln, dass der Droide dieser Umgebung nicht traute. Ihm selbst ging es nicht anders. Allerdings musste er einräumen, dass er Beebee-Ate in seinem aktuellen Zustand nicht wirklich verteidigen konnte. Poe bemühte sich, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, griff nicht nach dem Blaster, auch wenn es ihn sicherlich beruhigt hätte die Waffe unter der Hand zu spüren. Er ging weiter geradeaus. Immer weiter. So, als hätte er ein Ziel, dabei ging es ihm einzig und allein darum unterzutauchen. Vorerst jedenfalls.
Als ein schrilles, langezogenes Piepen, das beinahe einem Schrei gleichkam, hinter ihm ertönte, fuhr Poe abrupt herum. Gerade noch sah er einen riesigen, mit schwarzem Fell überzogenen Körper im Gewühl hinter ihm verschwinden. Beebee-Ate war nicht mehr zu sehen. Einen leisen Fluch ausstoßend, setzte Poe der Kreatur nach, die nur ein Wookie sein konnte. Er konnte nicht einmal brüllen, konnte niemanden auffordern den Wookie zu stellen, auch wenn es vermutlich ohnehin niemand getan hatte. Und er war langsam. Viel zu langsam. Trotzdem holte er nach nur einigen Schritten auf. Der Wookie hatte vor sich die Menge geteilt und Poe kam hinterher. Seine Beinmuskulatur war das Laufen schon jetzt nicht mehr gewöhnt, doch Beebee-Ates verzweifelte Schreie trieben ihn an. Nicht schon wieder. Er konnte Beebee nicht noch einmal verlieren! Nicht nach allem was sie durchgemacht hatten. Im Laufen zog er den Blaster aus dem Holster. Er war an einer breiten Treppe angekommen, die auf einen kleinen Platz einige Stufen unterhalb führte und Poe erkannte den Wookie. Ohne zu zögern richtete Poe den Blaster offen auf den Dieb und drückte ab. Ein Gungan, die direkt neben ihm stand warf ihm einen abschätzigen Blick zu und schnalzte laut mit der überlangen Zunge, doch der Wookie ging zu Boden. Niemand sonst scherte sich um den Mord auf offener Straße.
Poe beeilte sich auf den Platz zu kommen. Der kurze Lauf hatte ihn angestrengt, seine Lungen schienen in Flammen zu stehen, doch als Beebee-Ate ihm entgegen rollte und sofort gegen sein Bein stieß, wusste Poe, dass er auch noch weiter gerannt wäre. Erleichtert legte er Beebee eine Hand auf den halbrunden Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mit einem Ruck des Kopfes bedeutete er dem Droiden, dass sie weiter mussten, ehe ein vermutlicher Komplize des Wookie sich ihnen in den Weg stellte um seinen Kollegen zu rächen. Poes Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. Das hier war wirklich kein Ort für ihn.
Gerade hatten er und Beebee-Ate eine Gasse erreicht, die sie in eine andere Richtung bringen würde als die, welcher sie gerade gefolgt waren, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Poe fuhr herum, den Blaster noch immer in der Hand und seine Finger begann den Abzug hinab zu drücken, als er das Gesicht vor ihm plötzlich als „bekannt“ einstufte.
„Dameron?“ Ein breites Lächeln enthüllte zwei Reihen scharfer spitzer Zähne. „Stell dir mal vor, dass ich dich hier treffe. Warum hast du meinen Kollegen umgelegt, hm?“ Sie schien nicht gerade entsetzt über den Verlust ihres angeblichen Komplizen.
Poe atmete aus und fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar, ließ den Blaster aber nicht lockerer. Sie hatte immerhin zugegeben, dass der Wookie zu ihr gehört hatte und ganz gleich, was sie versuchte ihm zu erzählen: Satora Heec war eine Schmugglerin erster Güte. „Satora...“ Seine Stimme war noch immer leise. Krächzend. Es war ein Wunder, dass sie ihn überhaupt verstand.
Beebee-Ates Sensoren flogen von ihm zu die Twi’Lek, die laut lachte, die Arme in die Luft warf und bevor Poe auch nur einen Schritt nach hinten tun konnte, hatte sie ihn fest an sich gedrückt. Ungläubig schüttelte Poe den Kopf. In der Geschwindigkeit in der gefühlt jede halbe Stunde etwas vollkommen unerwartetes geschah, würde er sicherlich bald den Verstand verlieren. Trotzdem ließ er es zu, dass die Schmugglerin, die ihm geholfen hatte von Jakku zu entkommen, ihn weiter fest an sich drückte. Wenn er ehrlich war tat es sogar gut die Wärme einer anderen Person zu spüren. Und trotzdem...
„Wie hast du das denn geschafft, he?“ Sie ließ ihn los, hielt ihn bei den Schultern gepackt und starrte ihn aus großen, fliederfarbenen Augen an. Und plötzlich blinzelte sie. „Deine Hinrichtung jedenfalls hat mich nicht sonderlich hoffnungsvoll auf ein Wiedersehen gestimmt.“
Poes Mundwinkel zuckten und er hob die Schultern, unsicher wie er der Schmugglerin vor sich auch nur anfangen sollte zu erklären, dass sie den Mund halten musste. Vorerst jedenfalls deutete er auf den großen, schweren Körper des Wookies einige dutzend Meter hinter Satora, der gerade von einigen gierigen Luttrillianern umzingelt wurde, deren Finger bereits die Ausrüstung des Wookie nach Wertsachen durchsuchten. Schaudernd wandte Poe sich ab.
Satora allerdings war seinem Blick gefolgt und hob nun ihrerseits die beinahe schneeweißen Schultern. „Ich habe ihn erst vor einigen Stunden kennengelernt. Ich wollte sehen, ob er überhaupt in der Lage ist einen Droiden zu stehlen.“ Sie blickte auf Beebee-Ate hinab, der sofort hinter Poes Beine rollte und ließ den Bogenschweißer vorschnellen. Daran hätte der Droide auch vor einigen Minuten denken können, fand Poe, aber immerhin reagierte Beebee jetzt. Satora schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich lass dich deinem Master schon.“ Die Beebee-Einheit zog den Bogenschweißer ebenso wenig ein, wie Poe den Blaster weg steckte. Es war zu viel geschehen als dass er dieser Schmugglerin jetzt hätte vertrauen können, auch wenn sich ihm das Gefühl aufdrängte genau das zu tun. Sie sah ihn wieder durchdringend an und seufzte. „Ich habe dir einmal geholfen, warum denkst du würde ich das jetzt zunichtemachen wollen, Poe?“
Poe. So hatte ihn seit Tagen niemand genannt. Seit Wochen. Einfach nur Poe. Seine Hände zitterten und er dachte an Jakku. An den Moment, in dem der Schrottsammler, der ihn in der Wüste aufgesammelt hatte, ihm dieser Frau, der Besitzerin der Purple Pride, vorgestellt hatte, die nur allzu deutlich gesagt hatte, dass sie nichts mit dem Widerstand oder der Republik zu tun haben wollte. Und doch hatte sie ihm geholfen. Hatte ihn auf einen Planeten gebracht von dem aus er zum Widerstand zurückkehren konnte und dafür hatte sie sogar einen Umweg in Kauf genommen. „Weiß nicht“, krächzte er tonlos, verfluchte sich selbst für seine Schwäche und die Erste Ordnung dafür ihn seiner Stimme beraubt zu haben.
„Du steckst wieder in Schwierigkeiten, nehme ich an?“
Poe nickte matt und Satora seufzte.
„Komm, ich besorge dir erst einmal einen Drink. Vielleicht kannst du dann etwas besser sprechen.“
Ein kleines, unfrohes Lächeln huschte über Poes Lippen und Beebee-Ate stieß ihn von hinten gegen die Beine. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Atromech die Idee nicht für gut befand und Poe konnte es ihm nicht einmal verübeln. Wahllos deutete er auf die nächstbeste Bar. So ging er immerhin nicht unbedingt das Risiko ein, dass Satora ihn doch in eine Bar ihres Vertrauens schleifte, wo es ihr leicht fallen würde ihm die nächste Dose Drogen zu verpassen um ihn an die Erste Ordnung zu verkaufen.
Sie schien seine Gedanken lesen zu können und stemmte die Hände in die Seiten. Die lederne, hautenge Weste knarzte bei jeder Bewegung. Poe hörte es und fühlte sich an das letzte Mal erinnert, dass er sie gesehen hatte. Ihr Erscheinungsbild hatte sich in der Zwischenzeit wenigstens nicht geändert. Wie es mit ihrer Hilfsbereitschaft aussah, konnte er natürlich nur vermuten. „Ich nehme mal an, du brauchst wieder einmal Hilfe zu deinen Freunden zurückzukommen?“, fragte sie und Poe hob wieder die Schultern. „Und das möglichst unauffällig?“ Sie nahm ihm beim Arm und schob ihn langsam in Richtung der Bar, die auf den zweiten Blick noch schäbiger aussah wie die restliche Umgebung. Trotzdem ließ er sich von Satora hinein bugsieren. Etwas besseres zu finden garantierte keine Sicherheit. Er beobachtete, wie Satora einem, neben dem Eingang schlafenden Humanoiden die dunkelbraune Robe, mit der er sich zugedeckt hatte, hinunterzog und Poe kommentarlos über die Schulter warf. Der grünhäutige Mann kauerte sich weiter zusammen, schlief aber, offenbar berauscht, seelenruhig weiter.
„Um ihn wird’s schon nicht schade sein“, murmelte Satora auf Poes angewiderten Blick, der sich eher auf den nach ungewaschenem Körper riechenden Umhang bezog. Trotzdem zog Poe sich die stinkende Kapuze tief ins Gesicht. Sie hatte recht. Er musste tatsächlich versuchen unerkannt zu bleiben. Wenn Satora die Hinrichtung gesehen hatte, dann garantiert auch andere Schmuggler, Kopfgeldjäger oder wer auch immer.
Sie schob ihn in die Richtung eines etwas abgelegenen Tisches in der gut gefüllten Bar, während Poe den Blick einer Kellnerin auffing und zwei Finger hochhielt. Was ihm hier vorgesetzt werden würde wusste er nicht, aber es war sicherlich besser wenn er bestellte als Satora. Beebee-Ate rollte sofort unter den hohen klebrigen Tisch, als suche er dort Schutz vor suchenden Blicken und Poe ließ sich beinahe erleichtert auf die mit rissigem roten Leder bezogenen Leder Bank fallen.
„Also...“ Satora betrachtete ihn eingehend und hob eine Braue. „Ich kann dich nicht wieder ins Territorium der Republik bringen. Mein letztes Geschäft ist nicht... so glimpflich verlaufen und ich kann mein Gesicht da vorerst nicht blicken lassen. Aber ich habe einen Kontakt...“ Ihre Augen begannen einen Moment zu strahlen und Poe fragte sich, inwiefern dieser Kontakt nur ein Geschäftspartner war. Er hob eine Braue, ließ sie aber weiter reden. Unterbrechen konnte er sie ohnehin nicht. Neben ihnen tauchte die Kellnerin, eine hübsche, junge Frau, auf und stellte zwei große Gläser Bier vor ihnen ab. Erleichtert atmete Poe aus. Das Bier immerhin war klar und der weiße Schaum sah geradezu verlockend aus. Trotzdem richtete er all seine Konzentration auf Satora. „Ich nehme mal an, dass du deine Rückkehr von den Toten geheim halten willst? Sonst wärst du sicherlich nicht hierher gekommen.“
Poe nickte.
Sie seufzte wieder, griff über den Tisch hinweg und nippte an seinem Bier. Poe verschränkte die Arme vor der Brust und grinste leicht. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie ihn nicht vergiften wollte. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und nahm selbst einen Schluck. Die Flüssigkeit war viel zu kalt, doch das Bier tat seiner geschundenen Kehle gut und der Geschmack war geradezu unbeschreiblich nach Tagen und Wochen in denen er sich ausschließlich von grauem Brei und Wasser ernährt hatte. Das Schlucken tat noch immer weh, trotzdem leerte er sein Glas zur Hälfte, ehe er Satora wieder ansah.
„Hast du einen Codenamen, den ich ihm geben soll?“
Poe schüttelte den Kopf. Alle Codenamen, die ihm einfielen, die ihn identifizieren konnten, hätten seine Identität geradezu hinausposaunt. Und das konnte er nicht riskieren. Meelan Bendar musste er so lange schützen, wie es nur irgendwie ging. Das schuldete er Moraps Bruder trotz allem.
„Ich nehme nicht an, dass du mitbekommen hast, was die Erste Ordnung als letztes getan hat?“
Poe erstarrte und ließ das Glas sinken. Sofort schossen tausende Szenarien durch seinen Kopf an denen nur er schuld haben konnte. „Was?“, hauchte er tonlos. Er musste es wissen. Musste wissen, ob seine spärlichen Informationen schon jetzt irreparablen Schaden angerichtet hatten.
Satora biss sich auf die Lippen und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. „Als sie dich... na ja... öffentlich aufgeknüpft haben, den Commander des Widerstands, an dem sie ihre Macht demonstrieren wollten, und wir alle ungläubig zugesehen haben, dass sie es tatsächlich öffentlich machen... ist ihre Armada in den Systemen der Kernwelten eingefallen. Sicherlich dreißig Sternenzerstörer und keiner kann ihnen wirklich etwas entgegen setzen. Der Widerstand ist so stark dezimiert seit dem Angriff auf die Starkiller Basis, das weiß nun wirklich jeder, und der Großteil der Flotte der Republik ist zerstört... die Kriegserklärung an die Republik und den Widerstand hätte offener nicht sein können und sie halten direkt auf Corouscant zu.“
Poe runzelte die Stirn. Das waren keine guten Nachrichten. Alles andere als das und doch musste er einräumen, dass er erleichtert war. Er hatte nur als Ablenkungsmanöver gedient. Seine Informationen hatten die Erste Ordnung nicht weiter gebracht.
„Ich finde du solltest es ihnen zeigen.“ Satoras Augen wurden kühl. Fest. Bestimmt. „Zeig ihnen, dass sie dich und den Widerstand nicht klein kriegen. Dass-“ Sie brach ab, als sie Poes erhobenen Zeigefinger sah. Ihre Augen sprühten förmlich.
Er schüttelte den Kopf. „Hatte Hilfe. Nicht offen.“, sagte er leise, dann deutete er auf Satora. Sie verstand. Er konnte nicht, weil er jemanden schützen musste. Aber sie... was war mit ihr? Sie zeigte ihren Hass auf die Erste Ordnung offen genug und Poe verstand sie nur zu gut. Schmuggler hatten es in der Neuen Republik nicht leicht, doch das Imperium war für sie mehr als nur geschäftsschädigend gewesen. Das wusste nun wirklich jeder, der auch nur einmal eine Schule von innen gesehen und ein wenig Geschichtsunterricht erhalten hatte. Aber die Erste Ordnung war extremer und rücksichtsloser als das Imperium es jemals gewesen war und für niemanden, der auch nur in irgendeiner Weise seine Freiheit leben wollte, konnten gute Zeiten anbrechen, wenn die Erste Ordnung endgültig die Überhand gewann.
Satora hob hingegen abwehrend die Hände. „Ich will damit nichts zu tun haben!“, rief sie aus und Poe hob die Brauen. Warum nicht? Sie hatte doch sicherlich viel zu verlieren! Warum war sie nicht bereit etwas für sich zu tun? Sie schüttelte den Kopf und dabei glitt einer der beiden schmalen Lekku über ihre Schulter nach vorn.
Poe schwieg. Zu erschöpft um ein Gegenargument zu bringen. Die wenigen Worte, die er gesprochen hatte. Die Jagd auf den Wookie und die Ereignisse der letzten Tage forderten wieder ihren Tribut.
„Lässt du mich dich zu meinem Schiff bringen?“, fragte sie leise. Beebee-Ate stieß unter dem Tisch Warngeräusche aus, doch Poe ignorierte den Droiden. Er brauchte Ruhe und hier konnte er unmöglich schlafen. Dem Besitzer eines x-beliebigen Hotels konnte er sicherlich ebenso wenig trauen wie der Schmugglerin vor ihm.... oder vielleicht doch weniger? Wenigstens hatte sie ihm schon einmal geholfen und ihr Hass auf die Erste Ordnung schien ihm noch immer nicht gespielt. Also nickte er matt. Sie lächelte wieder, zeigte dabei ihre perlweißen, spitzen Zähne und Poe war beinahe versucht das Lächeln zu erwidern. „Ich nehme sofort Kontakt auf“, erklärte sie. „Aber sie müssen dich schon holen.“
Poe nickte wieder und leerte sein Bier. Corouscant und die Kernwelten waren bedroht. Offensichtlich war die Erste Ordnung bemüht den alten Ruhm des Imperiums möglichst bald mit möglichst großer Macht wieder auferstehen zu lassen. Und vermutlich würden sie es auch schaffen. Die Neue Republik hatte sich angreifbar gemacht, indem sie begonnen hatten abzurüsten und der Widerstand war geschwächt. Er wusste, dass sie kaum eine Chance hatten und doch... trotz allem wollte er nicht aufgeben, würde er nicht aufgeben, bis die Erste Ordnung ihn endgültig zur Strecke gebracht hatte.
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Re: Der Pilot
Kapitel 13
„Hast du den Droiden irgendwo geklaut?“
„Was?“
„Ob du den Droiden irgendwo geklaut hast? Du bist gerade vor der Ersten Ordnung geflohen, offensichtlich gerade so mit dem Leben davon gekommen, hast kaum einen Fetzen Kleidung am Leib, aber einen Astromech im besten Zustand? Irgendwas ist da faul.“ Satora lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete Beebee-Ate, der noch immer nicht von Poes Seite gewichen war. „Von der Ersten Ordnung? Was willst du überhaupt mit dem?“
Poe schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von dem heißen Tee, den Satora ihm in ihrem Schiff bereitet hatte. Der simple Akt des Schluckens tat noch immer höllisch weh, doch irgendetwas in dem Getränk vor ihm schien den gefühlten Aufschrei der geschädigten Muskeln bei jedem Wort und jedem Schluck in seinem Hals wenigstens ein wenig zu besänftigen.
„Ist meiner“, erklärte er leise. Er hielt Satoras Blick stand und hob die Schultern. Sie hatte ihn auf ihr Schiff gebracht, einen heruntergekommenen Frachter, neben dem der Millennium Falke wahrlich eine Augenweide war und Poe hatte sich entschlossen ihr zu vertrauen. Sie hatte sich immerhin einmal zuvor als vertrauenswürdig erwiesen. Warum nicht noch einmal? Er hatte zwar einiges zu verlieren, aber auf den Straßen Nar Shadaas zu bleiben und das in seinem Zustand, war keine gute Idee. „Der, der mir geholfen hat, hat ihn mir wieder zukommen lassen.“ Es fiel ihm noch immer schwer zu sprechen. Jede Silbe rief die Erinnerung an diesen schrecklichen Gurt wieder in sein Bewusstsein und doch sprach er, wenn auch langsam und bedächtig. Ihm war als sei jeder Ton, den er hervorbrachte ein Schlag ins Gesicht der Ersten Ordnung. Natürlich wusste er, dass er diesen Triumph jemand anderem verdankte, doch das änderte nichts daran, dass er am Leben hing. Trotz allem.
Satoras fein gezogene Braue wanderte in die Höhe, dann zog sie Poes leeren Becher zu sich und stand auf um ihm noch mehr davon einzuschenken. „Ist mir trotzdem ein Rätsel“, erklärte sie auf dem Weg zur kleinen Küchenzeile. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und konnte sein Schulterzucken entsprechend nicht sehen. Sie schien allerdings auch nicht sonderlich an Antworten interessiert, sondern lediglich daran, dass sie Poe auch möglichst schnell wieder los wurde.
Nachdem sie ihn hierher gebracht und sichergestellt hatte, dass ihnen niemand gefolgt war, hatte sie ihn auf dem Schiff allein gelassen um ihre Kontaktperson aufzusuchen. Sie hatte ihn allein hier gelassen. Ein enormer Vertrauensbeweis, den Poe durchaus zu schätzen wusste. Sicherlich war das Schiff gesichert, sodass nicht jeder es fliegen konnte, doch es gab immer Mittel und Wege die Systeme zu überlisten und kein Schmuggler der auch nur entfernt etwas auf sich hielt, würde sein Schiff in der Obhut von jemandem lassen, der auch nur im weitesten Sinne etwas von diesen Systemen zu verstehen schien. Poe war bereits auf der Purple Pride gewesen, als Satora ihm geholfen hatte von Jakku zu entkommen. Bis heute verstand er nicht, woher der Name des Schiffes kam. Vermutlich hatte es etwas mit Satoras Lieblingsfarbe oder irgendetwas in der Art zu tun, dass das Schiff so hieß. Poe war es im Prinzip auch egal. In dem Moment, da Satora ihn allein gelassen hatte, hatte er sich auf der schmalen Bank im Aufenthaltsraum ausgestreckt und seine Augen waren zugefallen, in vollem Bewusstsein dass, sollte Satora ihn doch hintergehen, er ohnehin nicht viel Widerstand gegen eine Übermacht von Sturmtrupplern oder Kopfgeldjägern haben würde. Er war sofort in einen traumlosen Schlaf gefallen und erst wieder aufgewacht, als ihn Satora vor einer guten halben Stunde geweckt hatte, mit einem Becher dieses Tees, der nach altem Heu schmeckte, aber offensichtlich seine Wirkung tat, in der Hand. Bisher hatte er zwei Becher davon herunter bekommen und er musste zugeben, dass es ihm schon ein wenig besser ging. Ob es nur eine Vorübergehende Erleichterung war, oder bereits zum Heilungsprozess beitrug konnte er unmöglich sagen.
Satora schaltete das Holo an, bevor sie sich wieder zu Poe in die kleine Nische mit zwei Bänken und schmalem Tisch dazwischen setzte, die Beine über Kreuz. Poes Blick fiel sofort auf die Projektion und trotz des schlechten Empfangs erkannte er sofort den Newsfeed der Republik. Der Cereaner, der gerade eingeblendet wurde, blickte dem Zuschauer ernst entgegen. Poe kannte ihn seit seiner Kindheit als Reporter des Netzwerks, und nie hatte er diesen Mann lächeln sehen, doch die Augen des Humanoiden spiegelten jetzt eine grimmige Trauer wider, die Poes Herzschlag beschleunigte.
„Nach Jahren der scheinbaren Kooperation folgend auf die Unterzeichnung der Galaktischen Übereinstimmung nach der Schlacht von Jakku in der das Imperium endgültig besiegt wurde, hat die Erste Ordnung der Neuen Republik erst offensiv und jetzt auch förmlich den Krieg erklärt. Vor vier Monaten zerstörte die Erste Ordnung das Hosnian-System und damit den Großteil den republikanischen Senats und der republikanischen Flotte.“
Poe spürte wie sich eine Gänsehaut auf seinen Armen ausbreitete und er verschränkte die Arme vor der Brust, die Augen wie gebannt auf das Holo gerichtet. Das hier schien eine Sondersendung zu sein. Hinter dem Moderator wurden Bilder eingeblendet. Von fliegenden X-Flüglern, Tie-Jägern... von Hosnia Prime, den wichtigsten Abgeordneten, die von der Ersten Ordnung durch diesen Schlag getötet worden waren. Alles Personen, die Poe wenigstens vom Sehen her vertraut waren. Doch mehr zeigte der Regisseur nicht. Nicht die Milliarden von Lebensformen, die von der Ersten Ordnung durch die Zerstörung mit einem einzigen Schlag ausgelöscht worden waren. Nicht die Leben, deren Ende ohne Möglichkeit auf Vorbereitung oder Protest gekommen war. Nicht die Piloten, die Poe noch aus seinen Tagen bei der republikanischen Marine kannte. Die, die nicht mit ihm zum Widerstand gekommen waren und die, die keine Chance dazu bekommen hatten, weil sie vorher gestorben waren. Wie Morap. Die ebenso tot waren wie so viele andere. Sie zeigten auch nicht die ungezählten Lebensformen, die von der Ersten Ordnung versklavt und als Kanonenfutter benutzt wurden. Die Sturmtruppler, die ebenso starben wie die wehrlosen Zivilisten des Hosnian-Systems, weil ihre Konditionierung und ihr Training ihnen nichts anderes erlaubten. Wie Finn, bis dieser erkannt hatte, dass er anders war als all die anderen Sturmtruppler. Der Gedanke an sie alle trieb Poe die Tränen in die Augen.
„Nach einigen Scharmützeln des Widerstands angeführt von General Leia Organa, gelang es der Ersten Ordnung einen der Kommandanten des Widerstands gefangen zu nehmen.“
Ein Bild von ihm in seiner Uniform. Eine Standardaufnahme, die zur Identifikation genutzt wurde. Poe wischte sich unauffällig über die Augen und nahm den Becher mit Tee schnell auf, den Satora ihm über den Tisch zuschob. Trotzdem war er ein wenig erstaunt darüber, dass sie ihn so öffentlich als Kommandanten auswiesen. Bisher war der Widerstand immer darauf bedacht gewesen, dass seine Kämpfer größtenteils unerkannt blieben. Er schüttelte leicht den Kopf über sich selbst. Natürlich war es jetzt ohnehin egal. Die Erste Ordnung hatte ihn als Widerstandskämpfer öffentlich der Galaxis vorgeführt und der Widerstand war jetzt das einzige was einer militärischen Operation gleichkam und noch der Republik und der Demokratie verschrieben war.
„Commander Poe Dameron, der seit vielen Jahren für den Widerstand agierte“, fuhr der Cereaner fort, „wurde für seine Affiliation mit dem Widerstand von der Ersten Ordnung hingerichtet und zur selben Zeit fielen Sternenzerstörer der Ersten Ordnung in die Kernsysteme der Republik ein.“
Nichts neues. Trotzdem spürte Poe, wie eine plötzliche Kälte seinen Körper ergriff, als die Bilder von Sternenzerstörern gezeigt wurden, die offensichtlich von der Planetenoberfläche eines angegriffenen Planeten aufgenommen worden waren. Landungsschiffe. Sturmtruppen.
„Unseren Informationen zufolge haben die Corellia- und Recopi-Systeme kapituliert. Sämtlicher Kontakt zu diesen Systemen wurde abgebrochen und Aufklärungspatroullien der Republik wurden vernichtet, bevor Nachrichten die Republik erreichen konnten.“ Poe beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt. Das waren alles andere als gute Neuigkeiten. Gedankenverloren nahm er noch einen Schluck, obwohl der Tee noch viel zu heiß war um ihn zu trinken. Er brauchte schlicht und ergreifend etwas um seine Hände zu beschäftigen. „Es wird vermutet, dass die Erste Ordnung sich auf Corouscant zu bewegt und sein Territorium im Herzen der Neuen Republik dorthin ausdehnt von wo aus zuerst die Alte Republik und dann das Galaktische Imperium ihre Macht ausgeübt haben. Die Bewohner dieser Systeme werden allerdings aufgefordert Ruhe zu behalten.“
Poe schnaubte und schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte irgendjemand das auch nur ansatzweise von den Bewohnern dieser Planetensysteme erwarten? Vor seinem geistigen Auge sah er bereits die verstopften Raumhäfen. Die Familien und Individuen die alles dafür zu tun bereit waren um vor der Gefahr zu fliehen ehe es zu spät war und das schon lange bevor diese Nachrichtensendung überhaupt ausgestrahlt worden war. Und dann, ohne große Umschweife, verschwand der Moderator. Satora stand auf. Offensichtlich hatte sie das Holo von ihrem Platz aus ausgeschaltet.
„Rosige Neuigkeiten“, murmelte sie und Poe nickte nachdenklich. „Hat dein Freund bei der Ersten Ordnung dir nicht gesagt, dass das geplant war?“
Poe hob die Schultern. „Kein Freund“, erklärte er leise. „Eher der Bruder eines Freundes und nur deswegen hat er mir überhaupt geholfen.“ Er hielt lieber wieder den Mund. Das Gefühl schon jetzt zu viel geredet zu haben ließ ihn verstummen. Nicht nur wegen der Schmerzen. Auch um Bendars Willen.
„Das macht die Sache nicht leichter nachzuvollziehen.“
Er schenkte ihr ein unverbindliches Lächeln und hob die Hände in einer kapitulierenden Geste. Bendar hatte ihn nicht um viel gebeten, aber den wichtigsten Teil ihrer Abmachung hatte Poe schon lange gebrochen, da musste er Bendar nicht auch noch bewusst verraten. Nicht an eine Schmugglerin, ganz gleich wie oft sie bewies, dass er ihr doch eigentlich vertrauen konnte.
Ein tiefer Alarmton bewahrte ihn vor weiteren Fragen. Sofort saß er aufrechter.
Satora griff nach einem Comm, das in ihrem Gürtel steckte und sah das Display. Offensichtlich eine Textnachricht. Sie überflog die Zeilen, dann nickte sie. „Von meiner Quelle. Ich weiß nicht, wen sie geschickt haben, aber sie sind gelandet. Also... deine Freunde.“
„Wo?“ Er versuchte seine Unsicherheit zu verbergen, als ihm schlagartig bewusst wurde, dass er in wenigen Minuten denen gegenüberstehen würde, deren Leben er aufs Spiel gesetzt hatte um den Schmerzen zu entrinnen.
„Zwei Landeplattformen von hier.“ Sie stand auf und blickte mit in die Hüften gestemmten Händen auf ihn hinab. „Bist du soweit?“
Poe schüttelte den Kopf, stand aber trotzdem auf. Er hatte nirgendwo anders zu sein als beim Widerstand und die Konsequenzen für sein Handeln würde er tragen müssen, wenn er dort angekommen war. „Komm, Kumpel“, wandte er sich an Beebee-Ate. Dann folgte er Satora zum Ausgang.
Ungläubig starrte Poe auf das Schiff, dem sie sich näherten. Er hatten den corellianischen Frachter bisher erst zwei oder drei Mal gesehen, aber allein der Ruf des Millennium Falken hatte genügt, dass er sich die graue, abgenutzte Hülle ohne weiteres eingeprägt hatte. Alte Modelle von Schiffen hatten ihn ohnehin immer fasziniert, doch die Geschichte des Falken war ihm mehr als vertraut. Das Schiff war eine Legende, hatte es doch nicht nur während der Zeit der Rebellenallianz als Teil der Flotte der Rebellen seinen Dienst getan, und war außerdem bekannt für seine Schnelligkeit und vor allem für seine Piloten: Han Solo und Chewbacca. Solo war tot und das letzte Mal, dass Poe das Schiff gesehen hatte, waren Rey und Chewbacca aufgebrochen um Skywalker zu suchen. Das Schiff hier zu sehen hätte er nicht erwartet und Überraschung war ein zu milder Ausdruck für das, was er beim Anblick des Frachters empfand. Hatte der Widerstand Rey und Chewbacca geschickt um ihn zu holen? Poe ließ den Blick über die Graue Hülle schweifen und über die gerade erloschenen Triebwerke und fragte sich, wer im Cockpit sitzen mochte.
„Was starrst du die Schrottmühle so an, Dameron?“, fragte Satora neben ihm, offensichtlich amüsiert über seinen Gesichtsausdruck.
Poe schloss schnell den Mund und hob die Schultern. Bevor er ihn aufhalten konnte, rollte Beebee-Ate geradezu stürmisch auf den Falken zu, als die Einstiegsrampe herunter gelassen würde und Poe den Mann erkannte auf den Beebee-Ate zuhielt. Er blieb stehen. Unfähig sich zu rühren starrte er dem entgegen, an den er so oft gedacht und den er zuletzt in einem anderen Leben gesehen hatte.
Finn war unverändert, sah ungläubig auf Beebee-Ate hinab und hob dann zögerlich den Blick. Er hielt einen Blaster in der Hand, offenbar bereit zu schießen, wenn sich der angebliche Widerstandskämpfer als Spion entpuppte, doch jetzt ließ Finn beide Arme sinken. Finns Lippen bewegten sich tonlos. Lippen, die Poe so oft durch den Kopf geschossen waren. Augen, die Poe wach gehalten hatten. Das Gesicht, das Poe sich so oft ausgemalt hatte. Voller Scham und Angst und gleichzeitig von etwas erfüllt, dass ihm auch jetzt den Boden unter den Füßen wegzureißen drohte.
„Poe Dameron...“ Es war keine Frage, die sich aus Finns Kehle hervor kämpfte und auch keine Feststellung. Es war etwas, das Poe nicht einordnen konnte. Wie angewurzelt war auch Finn stehen geblieben. Nur wenige Meter trennten sie voneinander und keiner von ihnen wagte auch nur einen Schritt nach vorn zu gehen.
„Ja, ich sehe ja, ihr kennt euch!“ Satora neben ihm lachte, offenbar eine Spur verlegen. Poe schenkte ihr keinerlei Beachtung. War unfähig sie auch nur anzusehen.
„Wer?“ Kam die Stimme einer jungen Frau aus dem Inneren des Falken und im nächsten Moment trat Rey hinter Finn auf die Rampe. Sie riss die Augen auf, starrte ihn ebenso ungläubig an, wie Satora es getan hatte, doch dann schüttelte sie den Kopf, bevor sie Beebee-Ates stürmische Begrüßung mit einem Lachen abtat. „Finn, das ist ja Poe! Und Beebee-Ate!“ Sie grinste breit, offensichtlich bereit das Unmögliche anzunehmen, ganz gleich wie paralysiert Finn von dieser Erkenntnis sein mochte.
„Hey...“ Poe sprach kaum laut genug, dass er sich selbst über den Lärm Nar Shadaas hätte hinwegsetzen können. Mittlerweile war die Dunkelheit über diesen Teil des Planeten eingebrochen und die nächtlichen Geräusche waren ohrenbetäubend. Er hatte keine Chance, doch Finn genügte offensichtlich die Bewegung seiner Lippen. Ruckartig riss Finn sich aus seiner Starre, war in wenigen Schritten bei Poe und sofort wurde er von starken Armen an den Körper des Mannes gepresst, dessen Gesicht ihn gefühlte ungezählte Nächte wachgehalten hatte. Er konnte sich nicht einmal dazu bringen die Umarmung zu erwidern, stand stocksteif da, das Herz wild in seiner Brust hämmernd und unfähig auch nur Finns Namen auszusprechen. Er presste die Lider aufeinander und bemühte sich ruhig zu bleiben, versuchte seinen Lungen zu versichern, dass sie weiter atmen konnten, obschon Finns Umarmung die Luft aus ihnen heraus zu pressen schien.
„Ah?“, kam Satoras Stimme von hinten, doch Poe konnte nichts auf die unausgesprochene Frage erwidern. Rein gar nichts. Atemlos hielt er still, als Finn ihn losließ und sein Gesicht in die Hände nahm.
„Wie lebst du noch?“, fragte Finn, die braunen Augen ungläubig geweitet und Poe schüttelte den Kopf.
„Später...“, versprach er leise. Er wollte es Finn erzählen. Alles. Beginnend mit Morap bis hin zu seinem Versagen und der unverhofften und unverdienten Rettung. Zögerlich hob er eine Hand und legte sie um Finns. Zog die Hand herunter und wollte sie loslassen, doch er konnte nicht. Hinter Finn sah er Rey auf sich zukommen, die Finn ohne Umschweife zur Seite schob und Poe ihrerseits an sich drückte. Diese Umarmung war weniger schwer zu ertragen, auch wenn Poe ahnte, dass Rey, die Schrottsammlerin von Jakku, die doch eigentlich bei Skywalker sein sollte, ihm auch allzu bald eine Antwort auf Finns Frage abverlangen würde.
Schließlich ließ sie ihn los und sah dann zu der Schmugglerin, die noch immer hinter Poe stand. Verlegen trat Poe einen Schritt zur Seite. Finn hielt noch immer seine Hand, starrte ihn an und Poe musste sich zwingen den Blick zu erwidern. Was würde Finn sagen, wenn er erfuhr wie leicht Poe von der Ersten Ordnung gebrochen worden war?
„Satora Heec?“ Rey strahlte und streckte Satora eine Hand entgegen. „Sie sind also die Heldin, die den besten Piloten des Widerstands gerettet hat?“
Mit einem Kopfschütteln nahm Satora die Hand. „Nicht wirklich. Habe ihn nur aufgelesen“, antwortete Satora. „Mehr nicht. Ich hoffe er geht euch nicht allzu bald wieder verloren.“ Sie zwinkerte Poe zu, dessen Gesicht mit einem Mal heiß wurde. Verlegen brachte er ein schmales Grinsen zustande und hob die Schultern.
„Danke, Satora“, sagte er leise. Finns Hand in seiner fühlte sich seltsam an. Wie ein Fremdkörper und gleichzeitig so, als würde er niemals loslassen können. Zögerlich drückte er die Hand, die seine geradezu verzweifelt festhielt.
Satora nickte, dann hob sie die Hand. „Grüßt mir den Widerstand“, lächelte sie und tat ein paar Schritte zurück. Poe sparte sich eine Aufforderung sie zu begleiten. Zum einen wusste er, dass sie kein Interesse an diesem Kampf hatte, zum anderen hatte er für den Moment genug damit zu tun sich mit dem Gedanken anzufreunden sich denen zu stellen, deren Leben er auf’s Spiel gesetzt hatte.
„Halt, deine Belohnung!“ Rey griff an ihren Gürtel, offensichtlich um die Credits herauszubefördern, die für die Rettung des verloren gegangenen Widerstandskämpfers vereinbart worden waren, doch Satora hob die Hände.
„Ich habe ihn nur ein paar Stunden auf mein Schiff gelassen, mehr war gar nicht nötig. Bringt ihn lieber nach Hause.“ Sie zwinkerte Poe zu, dann wandte sie ihnen den Rücken zu und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Landeplatz. Von hier konnte Poe die Purple Pride noch sehen. Zögerlich sah er wieder zu Finn neben sich, der noch immer kaum zu glauben schien, was in den letzten Minuten geschehen war.
„Warum du?“, fragte Poe leise und konnte sich eines schmalen Lächelns nicht erwehren. Jetzt wo er den ersten Schock überwunden hatte Finn schon jetzt und überhaupt wiederzusehen konnte er wieder ruhiger atmen. Beebee-Ate schob sich an Rey vorbei ins Innere des Falken als sei er dort zuhause.
Zur Antwort hob Finn die Schultern, bevor er allerdings anfangen konnte zu erklären meldete Rey sich zu Wort.
Die junge Frau, die Poe nur einmal flüchtig begegnet war, schien nur so von Energie zu strotzen. „Ich hab ihn nicht alleine gehen lassen wollen.“ Etwas ging von ihr aus, das Poe nicht ganz greifen konnte. Eine Anziehungskraft und Lebendigkeit, die ihn, gerade in diesem Moment geradezu überrumpelte. Es hatte nichts damit zu tun, wie er sich von Finn, oder einigen anderen vor Finn, hingezogen fühlte, aber doch war es da. Er konnte dafür keine Worte finden.
„Du wolltest alleine kommen?“ Poe hob eine Braue. Finn konnte gar nicht gewusst haben, dass er Poe hier finden würde und, soweit Poe wusste, hatte Finn in seinem Leben noch kein einziges Raumschiff geflogen.
„So in der Art habe ich ihn auch angesehen.“ Rey legte den Kopf schief, dabei fiel ihr eine der braunen Haarsträhnen ins Gesicht. Poe riss den Blick von Finn los, fühlte er doch noch immer den Kontakt zu ihm durch ihre ineinander verschränkten Finger. Es gab ihm ein idiotisch sicheres Gefühl. Rey, stellte er fest, hatte sich, ganz im Gegensatz zu Finn, verändert. Poe konnte es nur wirklich an ihrer Ausstrahlung festmachen, bis sein Blick auf ihren Gürtel fiel. Ein länglicher, zylindrischer Gegenstand hing daran und mit einem Mal wurde ihm einiges klar. Sie war auf der Suche nach Skywalker gewesen. Dem letzten Jedi.
„Ja, Rey ist unter die Jedi gegangen“, sagte Finn neben ihm ohne dass es Poes Frage bedurft hätte. Rey reagierte mit gerunzelter Stirn auf Finns Bemerkung, als ob dem noch einiges hinzuzufügen sei. „Lass uns rein gehen...“
Poe schluckte schwer, wünschte sich im selben Moment eine Tasse des fürchterlichen Tees und ließ sich von Finn ins Innere des uralten Frachters ziehen. Beebee-Ate wartete im halbrunden Korridor auf sie. „Ist Chewbacca auch hier?“, fragte Poe. Seine Stimme drohte wieder nachzugeben, als er Finn ins Cockpit des Falken führte. Sein Blick flog automatisch über die Instrumente vor sich. Kein Wookie war zu sehen.
„Er ist bei Leia geblieben“, erklärte Rey, als sie hinter ihm das Cockpit betrat und sich wie selbstverständlich auf den Pilotensitz fallen ließ, auf dem der legendäre Han Solo so viele Jahre gesessen hatte. War es ihr Schiff? Poe schüttelte ungläubig den Kopf. Wie viele Geschichten hatte er über diesen Frachter gehört und wie seltsam war es, dass General Solo nicht mehr da war um ihn zu fliegen. Die Namen Solo, Millennium Falke und Chewbacca gehörte in seiner Vorstellung der Galaxis noch immer so zusammen wie Sabacc und Karten.
Rey schien sein momentanes Befremden zu spüren, wandte sich zu ihm um und lächelte leicht, doch ihre hellbraunen Augen spiegelten eine Traurigkeit wider, die Poes Verwirrung sofort zerstreute. Er sah einen Verlust in diesen Augen, den er selbst nur allzu gut nachvollziehen konnte.
„Danke...“, sagte er leise, als er Finns Hand losließ und sich in einen der beiden hinteren Sessel setzte. Finn überließ er den Copilotensitz, auch wenn es unter anderen Umständen das natürlichste der Welt gewesen wäre dort Platz zu nehmen. Nicht nur fühlte Finn sich nicht in der Lage es mit dieser Aufgabe aufzunehmen, nicht jetzt, es war ihm auch, als habe er kein Recht dort zu sitzen. Stattdessen beobachtete er mit einigem Unbehagen und Staunen, wie selbstverständlich Finn an der Copilotenstation saß und seine Hände über die Konsolen glitten, auch wenn er noch immer etwas unsicher wirkte. Langsam wandte Finn ihm den Kopf zu. Rey sah nach vorn, als sei sie peinlich berührt.
„Poe...“ Finn biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Der Blick mit dem er ihn bedachte schnürte ihm wieder die Luft ab. „Ich-“
„Verdammt!“ Reys Ausruf ließ ihn zusammenfahren. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme verhieß nichts Gute.
„Was?“ Finn starrte auf die Konsolen, doch Poe sah es sofort. Sein Blick war bei Reys Fluch nach oben geflogen. Den Himmel über Nar Shadaa konnte er nur spärlich durch die hell erleuchteten Häuserfronten sehen, doch die Tie-Jäger erkannte er sofort. „Oh verdammt!“, stieß Finn aus, doch es war nur ein schwaches Echo von dem, was Poe empfand. Sein Körper war mit einem mal geradezu verkrampft. Seine Hände zitterten. Die Erste Ordnung. Hier. Auf Nar Shadaa.
„Finn!“ Reys Kopf flog herum. „Geh an die Geschütze! Wir müssen hier weg und das schnell!“ Finn sprang auf und warf Poe nur einen flüchtigen Blick zu, ehe er Reys Befehl gehorchte und den Gang hinter ihnen entlang verschwand. Beeebee-Ate rollte ins Cockpit, laute, schrille Laute von sich gebend. „Ganz ruhig, Beebee, wir kommen hier schon weg.“ Sie wandte sich halb zu Poe um. Die Tie-Jäger kamen näher. In der Ferne sah Poe Lasersalven auf ein rot erleuchtetes Gebäude niedergehen. Die Schüsse kamen aus dem Orbit, also war der Angriff galt der Angriff vermutlich nicht dem Falken. Das wenigstens war etwas beruhigend. „Poe, kannst du mir hier vorne helfen?“
Die ehrliche Antwort wäre gewesen, dass er sich nicht sicher war. Mit gar nichts. Trotzdem stand er auf und nahm auf Finns Sitz Platz im selben Moment in dem Rey den Ionenantrieb zum Leben erweckte. Sein Blick flog über die Konsolen vor sich. Die meisten Schalter konnte er sofort einordnen. Damit würde er klar kommen. Sofort spürte er, wie seine Schultern sich entspannten. Er nickte. „Das kriegen wir schon hin...“, sagte er leise, als er in seinem Kopf durchging, wie sie am besten von hier entkommen konnten. Die Tie-Jäger, die ihnen bisher keinerlei Beachtung geschenkt hatten, schossen jetzt, da die Triebwerke des Falken gestartet waren, direkt auf sie zu.
„Finn! Sie kommen!“, rief Rey über ihre Schulter nach hinten.
„Ich bin soweit!“ Finn klang selbstsicher, beinahe routiniert. Wann war das passiert?
Poe warf einen Blick zu Rey, dann begann er die Schilde hochzufahren. Sofort sprangen sie an, liefen auf höchster Kapazität. Solo hatte diesen alten Frachter wirklich gut in Schuss gehalten. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit schoss der Falke schräg nach oben, blieb in Bodenhöhe und mit großen Augen beobachtete Poe, mit welcher Leichtigkeit Rey, die doch eigentlich kaum Flugerfahrung haben konnte, zwischen den schmalen Häuserfronten hindurch manövrierte und dabei nicht einen Herzschlag zögerte. Auf den Monitoren vor sich sah Poe, wie nahe die Tie-Jäger ihnen mit einem Mal waren und er versuchte sich nicht davon ablenken zu lassen, dass Speeder rechts und links von ihnen gerade so seitlich ausweichen konnten. Seine Finger flogen über die Armaturen vor sich, unterstützen Rey in jedem ihrer Manöver, als kenne er nichts anderes. Sein Puls raste, doch etwas wie ein Lächeln wie er es gar nicht mehr für möglich gehalten hätte huschte über sein Gesicht, als Finn es schaffte einend er hinteren Tie-Jäger mit einer Salve aus den Ionenkanonen zu treffen. Einen der Verfolger immerhin hatten sie abgehängt.
Rey warf den Frachter in einer Hundertachtziggraddrehung, als sie zwischen zwei Gebäuden hindurch schoss und dann nach oben zog. Durch das Sichtfenster sah er, wie viele andere Schiffe ebenfalls gestartet waren und das Feuer auf die Angreifer eröffneten. Er erspähte einen alten A-Flügler keine zwei Meter neben ihnen gen Orbit auf einen der angreifenden Tie-Jäger zuschießen. Die Bewohner von Nar Shadaa werten sich. Es war als seien gleichzeitig mit dem Falken alle Schiffe, egal welcher Art, die sich auf dem Planeten befanden und deren Piloten auch nur nahe ihrer Schiffe waren, gestartet um sich diesem Angriff zu stellen. Sein Herz schlug schneller. Er wusste, dass dieser Kampf den Schmugglern und anderen Kriminellen des Planeten gehörte und doch war er froh ein Teil hiervon zu sein.
Rey beschleunigte den Falken, schoss aus der Atmosphäre in den luftleeren Raum des Weltalls und Poe stockte der Atem. Es war, als sei die ganze Flotte der Ersten Ordnung hier aufgelaufen und ihm wurde schlagartig klar, dass die Schiffe, die mit ihnen aus der Atmosphäre aufgestiegen waren nicht kämpfen würden. Nicht bei diesem Anblick. Schmuggler, das war ihm klar, würden diese Auseinandersetzung meiden. Rey schien denselben Gedanken zu haben. Sie warf ihm einen Blick zu und Poe nickte.
„Lass uns verschwinden.“ Es fiel ihm nicht leicht das zu sagen, doch irgendwie war er beruhigt, dass es ihm schwer fiel. Ein Zeichen dafür, dass sein Kampfgeist tatsächlich nicht gebrochen war, auch wenn es sich zeitweise so angefühlt hatte.
„Katora“, erklärte Rey mit einem leichten Nicken. Sofort machte sich Poe daran die Koordinaten in den Navcomputer einzugeben. Eine verlassene Rebellenbasis im Outer Rim. Er war erleichtert. Diese Basis hatte er Bendar nicht genannt, war sich ihrer Existenz bis zu diesem Moment gar nicht mehr bewusst gewesen. Rey drehte ab, tat es den anderen Schiffen gleich, die mit ihnen gestartet waren. Binnen weniger Sekunden hatte der Navcomputer den Kurs geplant und als die Sterne vor ihm zu langen Streifen wurden und der Hyperantrieb sie von diesem Ort weg katapultierte, ließ er sich zurücksinken und fuhr sich mit einer Hand über die schweißnasse Stirn. Wie mächtig die Erste Ordnung geworden war... er hätte sich die Größe ihrer Flotte niemals so enorm vorgestellt... und Nar Shadaa... dass sie es wagten die Hutts anzugreifen war ihm unheimlich. Die Neue Republik war vollkommen machtlos, das war ihm mittlerweile mehr als nur klar... aber die Hutts? An die hatte sich nicht einmal das Imperium heran gewagt, allein weil diese die Unterwelt der Galaxis beherrschten.
„Die Erste Ordnung hat hochtrabende Pläne...“, murmelte er und Rey neben ihm nickte zustimmend.
Er konnte nur hoffen, dass es Satora gut ging.
„Hast du den Droiden irgendwo geklaut?“
„Was?“
„Ob du den Droiden irgendwo geklaut hast? Du bist gerade vor der Ersten Ordnung geflohen, offensichtlich gerade so mit dem Leben davon gekommen, hast kaum einen Fetzen Kleidung am Leib, aber einen Astromech im besten Zustand? Irgendwas ist da faul.“ Satora lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete Beebee-Ate, der noch immer nicht von Poes Seite gewichen war. „Von der Ersten Ordnung? Was willst du überhaupt mit dem?“
Poe schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von dem heißen Tee, den Satora ihm in ihrem Schiff bereitet hatte. Der simple Akt des Schluckens tat noch immer höllisch weh, doch irgendetwas in dem Getränk vor ihm schien den gefühlten Aufschrei der geschädigten Muskeln bei jedem Wort und jedem Schluck in seinem Hals wenigstens ein wenig zu besänftigen.
„Ist meiner“, erklärte er leise. Er hielt Satoras Blick stand und hob die Schultern. Sie hatte ihn auf ihr Schiff gebracht, einen heruntergekommenen Frachter, neben dem der Millennium Falke wahrlich eine Augenweide war und Poe hatte sich entschlossen ihr zu vertrauen. Sie hatte sich immerhin einmal zuvor als vertrauenswürdig erwiesen. Warum nicht noch einmal? Er hatte zwar einiges zu verlieren, aber auf den Straßen Nar Shadaas zu bleiben und das in seinem Zustand, war keine gute Idee. „Der, der mir geholfen hat, hat ihn mir wieder zukommen lassen.“ Es fiel ihm noch immer schwer zu sprechen. Jede Silbe rief die Erinnerung an diesen schrecklichen Gurt wieder in sein Bewusstsein und doch sprach er, wenn auch langsam und bedächtig. Ihm war als sei jeder Ton, den er hervorbrachte ein Schlag ins Gesicht der Ersten Ordnung. Natürlich wusste er, dass er diesen Triumph jemand anderem verdankte, doch das änderte nichts daran, dass er am Leben hing. Trotz allem.
Satoras fein gezogene Braue wanderte in die Höhe, dann zog sie Poes leeren Becher zu sich und stand auf um ihm noch mehr davon einzuschenken. „Ist mir trotzdem ein Rätsel“, erklärte sie auf dem Weg zur kleinen Küchenzeile. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und konnte sein Schulterzucken entsprechend nicht sehen. Sie schien allerdings auch nicht sonderlich an Antworten interessiert, sondern lediglich daran, dass sie Poe auch möglichst schnell wieder los wurde.
Nachdem sie ihn hierher gebracht und sichergestellt hatte, dass ihnen niemand gefolgt war, hatte sie ihn auf dem Schiff allein gelassen um ihre Kontaktperson aufzusuchen. Sie hatte ihn allein hier gelassen. Ein enormer Vertrauensbeweis, den Poe durchaus zu schätzen wusste. Sicherlich war das Schiff gesichert, sodass nicht jeder es fliegen konnte, doch es gab immer Mittel und Wege die Systeme zu überlisten und kein Schmuggler der auch nur entfernt etwas auf sich hielt, würde sein Schiff in der Obhut von jemandem lassen, der auch nur im weitesten Sinne etwas von diesen Systemen zu verstehen schien. Poe war bereits auf der Purple Pride gewesen, als Satora ihm geholfen hatte von Jakku zu entkommen. Bis heute verstand er nicht, woher der Name des Schiffes kam. Vermutlich hatte es etwas mit Satoras Lieblingsfarbe oder irgendetwas in der Art zu tun, dass das Schiff so hieß. Poe war es im Prinzip auch egal. In dem Moment, da Satora ihn allein gelassen hatte, hatte er sich auf der schmalen Bank im Aufenthaltsraum ausgestreckt und seine Augen waren zugefallen, in vollem Bewusstsein dass, sollte Satora ihn doch hintergehen, er ohnehin nicht viel Widerstand gegen eine Übermacht von Sturmtrupplern oder Kopfgeldjägern haben würde. Er war sofort in einen traumlosen Schlaf gefallen und erst wieder aufgewacht, als ihn Satora vor einer guten halben Stunde geweckt hatte, mit einem Becher dieses Tees, der nach altem Heu schmeckte, aber offensichtlich seine Wirkung tat, in der Hand. Bisher hatte er zwei Becher davon herunter bekommen und er musste zugeben, dass es ihm schon ein wenig besser ging. Ob es nur eine Vorübergehende Erleichterung war, oder bereits zum Heilungsprozess beitrug konnte er unmöglich sagen.
Satora schaltete das Holo an, bevor sie sich wieder zu Poe in die kleine Nische mit zwei Bänken und schmalem Tisch dazwischen setzte, die Beine über Kreuz. Poes Blick fiel sofort auf die Projektion und trotz des schlechten Empfangs erkannte er sofort den Newsfeed der Republik. Der Cereaner, der gerade eingeblendet wurde, blickte dem Zuschauer ernst entgegen. Poe kannte ihn seit seiner Kindheit als Reporter des Netzwerks, und nie hatte er diesen Mann lächeln sehen, doch die Augen des Humanoiden spiegelten jetzt eine grimmige Trauer wider, die Poes Herzschlag beschleunigte.
„Nach Jahren der scheinbaren Kooperation folgend auf die Unterzeichnung der Galaktischen Übereinstimmung nach der Schlacht von Jakku in der das Imperium endgültig besiegt wurde, hat die Erste Ordnung der Neuen Republik erst offensiv und jetzt auch förmlich den Krieg erklärt. Vor vier Monaten zerstörte die Erste Ordnung das Hosnian-System und damit den Großteil den republikanischen Senats und der republikanischen Flotte.“
Poe spürte wie sich eine Gänsehaut auf seinen Armen ausbreitete und er verschränkte die Arme vor der Brust, die Augen wie gebannt auf das Holo gerichtet. Das hier schien eine Sondersendung zu sein. Hinter dem Moderator wurden Bilder eingeblendet. Von fliegenden X-Flüglern, Tie-Jägern... von Hosnia Prime, den wichtigsten Abgeordneten, die von der Ersten Ordnung durch diesen Schlag getötet worden waren. Alles Personen, die Poe wenigstens vom Sehen her vertraut waren. Doch mehr zeigte der Regisseur nicht. Nicht die Milliarden von Lebensformen, die von der Ersten Ordnung durch die Zerstörung mit einem einzigen Schlag ausgelöscht worden waren. Nicht die Leben, deren Ende ohne Möglichkeit auf Vorbereitung oder Protest gekommen war. Nicht die Piloten, die Poe noch aus seinen Tagen bei der republikanischen Marine kannte. Die, die nicht mit ihm zum Widerstand gekommen waren und die, die keine Chance dazu bekommen hatten, weil sie vorher gestorben waren. Wie Morap. Die ebenso tot waren wie so viele andere. Sie zeigten auch nicht die ungezählten Lebensformen, die von der Ersten Ordnung versklavt und als Kanonenfutter benutzt wurden. Die Sturmtruppler, die ebenso starben wie die wehrlosen Zivilisten des Hosnian-Systems, weil ihre Konditionierung und ihr Training ihnen nichts anderes erlaubten. Wie Finn, bis dieser erkannt hatte, dass er anders war als all die anderen Sturmtruppler. Der Gedanke an sie alle trieb Poe die Tränen in die Augen.
„Nach einigen Scharmützeln des Widerstands angeführt von General Leia Organa, gelang es der Ersten Ordnung einen der Kommandanten des Widerstands gefangen zu nehmen.“
Ein Bild von ihm in seiner Uniform. Eine Standardaufnahme, die zur Identifikation genutzt wurde. Poe wischte sich unauffällig über die Augen und nahm den Becher mit Tee schnell auf, den Satora ihm über den Tisch zuschob. Trotzdem war er ein wenig erstaunt darüber, dass sie ihn so öffentlich als Kommandanten auswiesen. Bisher war der Widerstand immer darauf bedacht gewesen, dass seine Kämpfer größtenteils unerkannt blieben. Er schüttelte leicht den Kopf über sich selbst. Natürlich war es jetzt ohnehin egal. Die Erste Ordnung hatte ihn als Widerstandskämpfer öffentlich der Galaxis vorgeführt und der Widerstand war jetzt das einzige was einer militärischen Operation gleichkam und noch der Republik und der Demokratie verschrieben war.
„Commander Poe Dameron, der seit vielen Jahren für den Widerstand agierte“, fuhr der Cereaner fort, „wurde für seine Affiliation mit dem Widerstand von der Ersten Ordnung hingerichtet und zur selben Zeit fielen Sternenzerstörer der Ersten Ordnung in die Kernsysteme der Republik ein.“
Nichts neues. Trotzdem spürte Poe, wie eine plötzliche Kälte seinen Körper ergriff, als die Bilder von Sternenzerstörern gezeigt wurden, die offensichtlich von der Planetenoberfläche eines angegriffenen Planeten aufgenommen worden waren. Landungsschiffe. Sturmtruppen.
„Unseren Informationen zufolge haben die Corellia- und Recopi-Systeme kapituliert. Sämtlicher Kontakt zu diesen Systemen wurde abgebrochen und Aufklärungspatroullien der Republik wurden vernichtet, bevor Nachrichten die Republik erreichen konnten.“ Poe beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt. Das waren alles andere als gute Neuigkeiten. Gedankenverloren nahm er noch einen Schluck, obwohl der Tee noch viel zu heiß war um ihn zu trinken. Er brauchte schlicht und ergreifend etwas um seine Hände zu beschäftigen. „Es wird vermutet, dass die Erste Ordnung sich auf Corouscant zu bewegt und sein Territorium im Herzen der Neuen Republik dorthin ausdehnt von wo aus zuerst die Alte Republik und dann das Galaktische Imperium ihre Macht ausgeübt haben. Die Bewohner dieser Systeme werden allerdings aufgefordert Ruhe zu behalten.“
Poe schnaubte und schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte irgendjemand das auch nur ansatzweise von den Bewohnern dieser Planetensysteme erwarten? Vor seinem geistigen Auge sah er bereits die verstopften Raumhäfen. Die Familien und Individuen die alles dafür zu tun bereit waren um vor der Gefahr zu fliehen ehe es zu spät war und das schon lange bevor diese Nachrichtensendung überhaupt ausgestrahlt worden war. Und dann, ohne große Umschweife, verschwand der Moderator. Satora stand auf. Offensichtlich hatte sie das Holo von ihrem Platz aus ausgeschaltet.
„Rosige Neuigkeiten“, murmelte sie und Poe nickte nachdenklich. „Hat dein Freund bei der Ersten Ordnung dir nicht gesagt, dass das geplant war?“
Poe hob die Schultern. „Kein Freund“, erklärte er leise. „Eher der Bruder eines Freundes und nur deswegen hat er mir überhaupt geholfen.“ Er hielt lieber wieder den Mund. Das Gefühl schon jetzt zu viel geredet zu haben ließ ihn verstummen. Nicht nur wegen der Schmerzen. Auch um Bendars Willen.
„Das macht die Sache nicht leichter nachzuvollziehen.“
Er schenkte ihr ein unverbindliches Lächeln und hob die Hände in einer kapitulierenden Geste. Bendar hatte ihn nicht um viel gebeten, aber den wichtigsten Teil ihrer Abmachung hatte Poe schon lange gebrochen, da musste er Bendar nicht auch noch bewusst verraten. Nicht an eine Schmugglerin, ganz gleich wie oft sie bewies, dass er ihr doch eigentlich vertrauen konnte.
Ein tiefer Alarmton bewahrte ihn vor weiteren Fragen. Sofort saß er aufrechter.
Satora griff nach einem Comm, das in ihrem Gürtel steckte und sah das Display. Offensichtlich eine Textnachricht. Sie überflog die Zeilen, dann nickte sie. „Von meiner Quelle. Ich weiß nicht, wen sie geschickt haben, aber sie sind gelandet. Also... deine Freunde.“
„Wo?“ Er versuchte seine Unsicherheit zu verbergen, als ihm schlagartig bewusst wurde, dass er in wenigen Minuten denen gegenüberstehen würde, deren Leben er aufs Spiel gesetzt hatte um den Schmerzen zu entrinnen.
„Zwei Landeplattformen von hier.“ Sie stand auf und blickte mit in die Hüften gestemmten Händen auf ihn hinab. „Bist du soweit?“
Poe schüttelte den Kopf, stand aber trotzdem auf. Er hatte nirgendwo anders zu sein als beim Widerstand und die Konsequenzen für sein Handeln würde er tragen müssen, wenn er dort angekommen war. „Komm, Kumpel“, wandte er sich an Beebee-Ate. Dann folgte er Satora zum Ausgang.
Ungläubig starrte Poe auf das Schiff, dem sie sich näherten. Er hatten den corellianischen Frachter bisher erst zwei oder drei Mal gesehen, aber allein der Ruf des Millennium Falken hatte genügt, dass er sich die graue, abgenutzte Hülle ohne weiteres eingeprägt hatte. Alte Modelle von Schiffen hatten ihn ohnehin immer fasziniert, doch die Geschichte des Falken war ihm mehr als vertraut. Das Schiff war eine Legende, hatte es doch nicht nur während der Zeit der Rebellenallianz als Teil der Flotte der Rebellen seinen Dienst getan, und war außerdem bekannt für seine Schnelligkeit und vor allem für seine Piloten: Han Solo und Chewbacca. Solo war tot und das letzte Mal, dass Poe das Schiff gesehen hatte, waren Rey und Chewbacca aufgebrochen um Skywalker zu suchen. Das Schiff hier zu sehen hätte er nicht erwartet und Überraschung war ein zu milder Ausdruck für das, was er beim Anblick des Frachters empfand. Hatte der Widerstand Rey und Chewbacca geschickt um ihn zu holen? Poe ließ den Blick über die Graue Hülle schweifen und über die gerade erloschenen Triebwerke und fragte sich, wer im Cockpit sitzen mochte.
„Was starrst du die Schrottmühle so an, Dameron?“, fragte Satora neben ihm, offensichtlich amüsiert über seinen Gesichtsausdruck.
Poe schloss schnell den Mund und hob die Schultern. Bevor er ihn aufhalten konnte, rollte Beebee-Ate geradezu stürmisch auf den Falken zu, als die Einstiegsrampe herunter gelassen würde und Poe den Mann erkannte auf den Beebee-Ate zuhielt. Er blieb stehen. Unfähig sich zu rühren starrte er dem entgegen, an den er so oft gedacht und den er zuletzt in einem anderen Leben gesehen hatte.
Finn war unverändert, sah ungläubig auf Beebee-Ate hinab und hob dann zögerlich den Blick. Er hielt einen Blaster in der Hand, offenbar bereit zu schießen, wenn sich der angebliche Widerstandskämpfer als Spion entpuppte, doch jetzt ließ Finn beide Arme sinken. Finns Lippen bewegten sich tonlos. Lippen, die Poe so oft durch den Kopf geschossen waren. Augen, die Poe wach gehalten hatten. Das Gesicht, das Poe sich so oft ausgemalt hatte. Voller Scham und Angst und gleichzeitig von etwas erfüllt, dass ihm auch jetzt den Boden unter den Füßen wegzureißen drohte.
„Poe Dameron...“ Es war keine Frage, die sich aus Finns Kehle hervor kämpfte und auch keine Feststellung. Es war etwas, das Poe nicht einordnen konnte. Wie angewurzelt war auch Finn stehen geblieben. Nur wenige Meter trennten sie voneinander und keiner von ihnen wagte auch nur einen Schritt nach vorn zu gehen.
„Ja, ich sehe ja, ihr kennt euch!“ Satora neben ihm lachte, offenbar eine Spur verlegen. Poe schenkte ihr keinerlei Beachtung. War unfähig sie auch nur anzusehen.
„Wer?“ Kam die Stimme einer jungen Frau aus dem Inneren des Falken und im nächsten Moment trat Rey hinter Finn auf die Rampe. Sie riss die Augen auf, starrte ihn ebenso ungläubig an, wie Satora es getan hatte, doch dann schüttelte sie den Kopf, bevor sie Beebee-Ates stürmische Begrüßung mit einem Lachen abtat. „Finn, das ist ja Poe! Und Beebee-Ate!“ Sie grinste breit, offensichtlich bereit das Unmögliche anzunehmen, ganz gleich wie paralysiert Finn von dieser Erkenntnis sein mochte.
„Hey...“ Poe sprach kaum laut genug, dass er sich selbst über den Lärm Nar Shadaas hätte hinwegsetzen können. Mittlerweile war die Dunkelheit über diesen Teil des Planeten eingebrochen und die nächtlichen Geräusche waren ohrenbetäubend. Er hatte keine Chance, doch Finn genügte offensichtlich die Bewegung seiner Lippen. Ruckartig riss Finn sich aus seiner Starre, war in wenigen Schritten bei Poe und sofort wurde er von starken Armen an den Körper des Mannes gepresst, dessen Gesicht ihn gefühlte ungezählte Nächte wachgehalten hatte. Er konnte sich nicht einmal dazu bringen die Umarmung zu erwidern, stand stocksteif da, das Herz wild in seiner Brust hämmernd und unfähig auch nur Finns Namen auszusprechen. Er presste die Lider aufeinander und bemühte sich ruhig zu bleiben, versuchte seinen Lungen zu versichern, dass sie weiter atmen konnten, obschon Finns Umarmung die Luft aus ihnen heraus zu pressen schien.
„Ah?“, kam Satoras Stimme von hinten, doch Poe konnte nichts auf die unausgesprochene Frage erwidern. Rein gar nichts. Atemlos hielt er still, als Finn ihn losließ und sein Gesicht in die Hände nahm.
„Wie lebst du noch?“, fragte Finn, die braunen Augen ungläubig geweitet und Poe schüttelte den Kopf.
„Später...“, versprach er leise. Er wollte es Finn erzählen. Alles. Beginnend mit Morap bis hin zu seinem Versagen und der unverhofften und unverdienten Rettung. Zögerlich hob er eine Hand und legte sie um Finns. Zog die Hand herunter und wollte sie loslassen, doch er konnte nicht. Hinter Finn sah er Rey auf sich zukommen, die Finn ohne Umschweife zur Seite schob und Poe ihrerseits an sich drückte. Diese Umarmung war weniger schwer zu ertragen, auch wenn Poe ahnte, dass Rey, die Schrottsammlerin von Jakku, die doch eigentlich bei Skywalker sein sollte, ihm auch allzu bald eine Antwort auf Finns Frage abverlangen würde.
Schließlich ließ sie ihn los und sah dann zu der Schmugglerin, die noch immer hinter Poe stand. Verlegen trat Poe einen Schritt zur Seite. Finn hielt noch immer seine Hand, starrte ihn an und Poe musste sich zwingen den Blick zu erwidern. Was würde Finn sagen, wenn er erfuhr wie leicht Poe von der Ersten Ordnung gebrochen worden war?
„Satora Heec?“ Rey strahlte und streckte Satora eine Hand entgegen. „Sie sind also die Heldin, die den besten Piloten des Widerstands gerettet hat?“
Mit einem Kopfschütteln nahm Satora die Hand. „Nicht wirklich. Habe ihn nur aufgelesen“, antwortete Satora. „Mehr nicht. Ich hoffe er geht euch nicht allzu bald wieder verloren.“ Sie zwinkerte Poe zu, dessen Gesicht mit einem Mal heiß wurde. Verlegen brachte er ein schmales Grinsen zustande und hob die Schultern.
„Danke, Satora“, sagte er leise. Finns Hand in seiner fühlte sich seltsam an. Wie ein Fremdkörper und gleichzeitig so, als würde er niemals loslassen können. Zögerlich drückte er die Hand, die seine geradezu verzweifelt festhielt.
Satora nickte, dann hob sie die Hand. „Grüßt mir den Widerstand“, lächelte sie und tat ein paar Schritte zurück. Poe sparte sich eine Aufforderung sie zu begleiten. Zum einen wusste er, dass sie kein Interesse an diesem Kampf hatte, zum anderen hatte er für den Moment genug damit zu tun sich mit dem Gedanken anzufreunden sich denen zu stellen, deren Leben er auf’s Spiel gesetzt hatte.
„Halt, deine Belohnung!“ Rey griff an ihren Gürtel, offensichtlich um die Credits herauszubefördern, die für die Rettung des verloren gegangenen Widerstandskämpfers vereinbart worden waren, doch Satora hob die Hände.
„Ich habe ihn nur ein paar Stunden auf mein Schiff gelassen, mehr war gar nicht nötig. Bringt ihn lieber nach Hause.“ Sie zwinkerte Poe zu, dann wandte sie ihnen den Rücken zu und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Landeplatz. Von hier konnte Poe die Purple Pride noch sehen. Zögerlich sah er wieder zu Finn neben sich, der noch immer kaum zu glauben schien, was in den letzten Minuten geschehen war.
„Warum du?“, fragte Poe leise und konnte sich eines schmalen Lächelns nicht erwehren. Jetzt wo er den ersten Schock überwunden hatte Finn schon jetzt und überhaupt wiederzusehen konnte er wieder ruhiger atmen. Beebee-Ate schob sich an Rey vorbei ins Innere des Falken als sei er dort zuhause.
Zur Antwort hob Finn die Schultern, bevor er allerdings anfangen konnte zu erklären meldete Rey sich zu Wort.
Die junge Frau, die Poe nur einmal flüchtig begegnet war, schien nur so von Energie zu strotzen. „Ich hab ihn nicht alleine gehen lassen wollen.“ Etwas ging von ihr aus, das Poe nicht ganz greifen konnte. Eine Anziehungskraft und Lebendigkeit, die ihn, gerade in diesem Moment geradezu überrumpelte. Es hatte nichts damit zu tun, wie er sich von Finn, oder einigen anderen vor Finn, hingezogen fühlte, aber doch war es da. Er konnte dafür keine Worte finden.
„Du wolltest alleine kommen?“ Poe hob eine Braue. Finn konnte gar nicht gewusst haben, dass er Poe hier finden würde und, soweit Poe wusste, hatte Finn in seinem Leben noch kein einziges Raumschiff geflogen.
„So in der Art habe ich ihn auch angesehen.“ Rey legte den Kopf schief, dabei fiel ihr eine der braunen Haarsträhnen ins Gesicht. Poe riss den Blick von Finn los, fühlte er doch noch immer den Kontakt zu ihm durch ihre ineinander verschränkten Finger. Es gab ihm ein idiotisch sicheres Gefühl. Rey, stellte er fest, hatte sich, ganz im Gegensatz zu Finn, verändert. Poe konnte es nur wirklich an ihrer Ausstrahlung festmachen, bis sein Blick auf ihren Gürtel fiel. Ein länglicher, zylindrischer Gegenstand hing daran und mit einem Mal wurde ihm einiges klar. Sie war auf der Suche nach Skywalker gewesen. Dem letzten Jedi.
„Ja, Rey ist unter die Jedi gegangen“, sagte Finn neben ihm ohne dass es Poes Frage bedurft hätte. Rey reagierte mit gerunzelter Stirn auf Finns Bemerkung, als ob dem noch einiges hinzuzufügen sei. „Lass uns rein gehen...“
Poe schluckte schwer, wünschte sich im selben Moment eine Tasse des fürchterlichen Tees und ließ sich von Finn ins Innere des uralten Frachters ziehen. Beebee-Ate wartete im halbrunden Korridor auf sie. „Ist Chewbacca auch hier?“, fragte Poe. Seine Stimme drohte wieder nachzugeben, als er Finn ins Cockpit des Falken führte. Sein Blick flog automatisch über die Instrumente vor sich. Kein Wookie war zu sehen.
„Er ist bei Leia geblieben“, erklärte Rey, als sie hinter ihm das Cockpit betrat und sich wie selbstverständlich auf den Pilotensitz fallen ließ, auf dem der legendäre Han Solo so viele Jahre gesessen hatte. War es ihr Schiff? Poe schüttelte ungläubig den Kopf. Wie viele Geschichten hatte er über diesen Frachter gehört und wie seltsam war es, dass General Solo nicht mehr da war um ihn zu fliegen. Die Namen Solo, Millennium Falke und Chewbacca gehörte in seiner Vorstellung der Galaxis noch immer so zusammen wie Sabacc und Karten.
Rey schien sein momentanes Befremden zu spüren, wandte sich zu ihm um und lächelte leicht, doch ihre hellbraunen Augen spiegelten eine Traurigkeit wider, die Poes Verwirrung sofort zerstreute. Er sah einen Verlust in diesen Augen, den er selbst nur allzu gut nachvollziehen konnte.
„Danke...“, sagte er leise, als er Finns Hand losließ und sich in einen der beiden hinteren Sessel setzte. Finn überließ er den Copilotensitz, auch wenn es unter anderen Umständen das natürlichste der Welt gewesen wäre dort Platz zu nehmen. Nicht nur fühlte Finn sich nicht in der Lage es mit dieser Aufgabe aufzunehmen, nicht jetzt, es war ihm auch, als habe er kein Recht dort zu sitzen. Stattdessen beobachtete er mit einigem Unbehagen und Staunen, wie selbstverständlich Finn an der Copilotenstation saß und seine Hände über die Konsolen glitten, auch wenn er noch immer etwas unsicher wirkte. Langsam wandte Finn ihm den Kopf zu. Rey sah nach vorn, als sei sie peinlich berührt.
„Poe...“ Finn biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Der Blick mit dem er ihn bedachte schnürte ihm wieder die Luft ab. „Ich-“
„Verdammt!“ Reys Ausruf ließ ihn zusammenfahren. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme verhieß nichts Gute.
„Was?“ Finn starrte auf die Konsolen, doch Poe sah es sofort. Sein Blick war bei Reys Fluch nach oben geflogen. Den Himmel über Nar Shadaa konnte er nur spärlich durch die hell erleuchteten Häuserfronten sehen, doch die Tie-Jäger erkannte er sofort. „Oh verdammt!“, stieß Finn aus, doch es war nur ein schwaches Echo von dem, was Poe empfand. Sein Körper war mit einem mal geradezu verkrampft. Seine Hände zitterten. Die Erste Ordnung. Hier. Auf Nar Shadaa.
„Finn!“ Reys Kopf flog herum. „Geh an die Geschütze! Wir müssen hier weg und das schnell!“ Finn sprang auf und warf Poe nur einen flüchtigen Blick zu, ehe er Reys Befehl gehorchte und den Gang hinter ihnen entlang verschwand. Beeebee-Ate rollte ins Cockpit, laute, schrille Laute von sich gebend. „Ganz ruhig, Beebee, wir kommen hier schon weg.“ Sie wandte sich halb zu Poe um. Die Tie-Jäger kamen näher. In der Ferne sah Poe Lasersalven auf ein rot erleuchtetes Gebäude niedergehen. Die Schüsse kamen aus dem Orbit, also war der Angriff galt der Angriff vermutlich nicht dem Falken. Das wenigstens war etwas beruhigend. „Poe, kannst du mir hier vorne helfen?“
Die ehrliche Antwort wäre gewesen, dass er sich nicht sicher war. Mit gar nichts. Trotzdem stand er auf und nahm auf Finns Sitz Platz im selben Moment in dem Rey den Ionenantrieb zum Leben erweckte. Sein Blick flog über die Konsolen vor sich. Die meisten Schalter konnte er sofort einordnen. Damit würde er klar kommen. Sofort spürte er, wie seine Schultern sich entspannten. Er nickte. „Das kriegen wir schon hin...“, sagte er leise, als er in seinem Kopf durchging, wie sie am besten von hier entkommen konnten. Die Tie-Jäger, die ihnen bisher keinerlei Beachtung geschenkt hatten, schossen jetzt, da die Triebwerke des Falken gestartet waren, direkt auf sie zu.
„Finn! Sie kommen!“, rief Rey über ihre Schulter nach hinten.
„Ich bin soweit!“ Finn klang selbstsicher, beinahe routiniert. Wann war das passiert?
Poe warf einen Blick zu Rey, dann begann er die Schilde hochzufahren. Sofort sprangen sie an, liefen auf höchster Kapazität. Solo hatte diesen alten Frachter wirklich gut in Schuss gehalten. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit schoss der Falke schräg nach oben, blieb in Bodenhöhe und mit großen Augen beobachtete Poe, mit welcher Leichtigkeit Rey, die doch eigentlich kaum Flugerfahrung haben konnte, zwischen den schmalen Häuserfronten hindurch manövrierte und dabei nicht einen Herzschlag zögerte. Auf den Monitoren vor sich sah Poe, wie nahe die Tie-Jäger ihnen mit einem Mal waren und er versuchte sich nicht davon ablenken zu lassen, dass Speeder rechts und links von ihnen gerade so seitlich ausweichen konnten. Seine Finger flogen über die Armaturen vor sich, unterstützen Rey in jedem ihrer Manöver, als kenne er nichts anderes. Sein Puls raste, doch etwas wie ein Lächeln wie er es gar nicht mehr für möglich gehalten hätte huschte über sein Gesicht, als Finn es schaffte einend er hinteren Tie-Jäger mit einer Salve aus den Ionenkanonen zu treffen. Einen der Verfolger immerhin hatten sie abgehängt.
Rey warf den Frachter in einer Hundertachtziggraddrehung, als sie zwischen zwei Gebäuden hindurch schoss und dann nach oben zog. Durch das Sichtfenster sah er, wie viele andere Schiffe ebenfalls gestartet waren und das Feuer auf die Angreifer eröffneten. Er erspähte einen alten A-Flügler keine zwei Meter neben ihnen gen Orbit auf einen der angreifenden Tie-Jäger zuschießen. Die Bewohner von Nar Shadaa werten sich. Es war als seien gleichzeitig mit dem Falken alle Schiffe, egal welcher Art, die sich auf dem Planeten befanden und deren Piloten auch nur nahe ihrer Schiffe waren, gestartet um sich diesem Angriff zu stellen. Sein Herz schlug schneller. Er wusste, dass dieser Kampf den Schmugglern und anderen Kriminellen des Planeten gehörte und doch war er froh ein Teil hiervon zu sein.
Rey beschleunigte den Falken, schoss aus der Atmosphäre in den luftleeren Raum des Weltalls und Poe stockte der Atem. Es war, als sei die ganze Flotte der Ersten Ordnung hier aufgelaufen und ihm wurde schlagartig klar, dass die Schiffe, die mit ihnen aus der Atmosphäre aufgestiegen waren nicht kämpfen würden. Nicht bei diesem Anblick. Schmuggler, das war ihm klar, würden diese Auseinandersetzung meiden. Rey schien denselben Gedanken zu haben. Sie warf ihm einen Blick zu und Poe nickte.
„Lass uns verschwinden.“ Es fiel ihm nicht leicht das zu sagen, doch irgendwie war er beruhigt, dass es ihm schwer fiel. Ein Zeichen dafür, dass sein Kampfgeist tatsächlich nicht gebrochen war, auch wenn es sich zeitweise so angefühlt hatte.
„Katora“, erklärte Rey mit einem leichten Nicken. Sofort machte sich Poe daran die Koordinaten in den Navcomputer einzugeben. Eine verlassene Rebellenbasis im Outer Rim. Er war erleichtert. Diese Basis hatte er Bendar nicht genannt, war sich ihrer Existenz bis zu diesem Moment gar nicht mehr bewusst gewesen. Rey drehte ab, tat es den anderen Schiffen gleich, die mit ihnen gestartet waren. Binnen weniger Sekunden hatte der Navcomputer den Kurs geplant und als die Sterne vor ihm zu langen Streifen wurden und der Hyperantrieb sie von diesem Ort weg katapultierte, ließ er sich zurücksinken und fuhr sich mit einer Hand über die schweißnasse Stirn. Wie mächtig die Erste Ordnung geworden war... er hätte sich die Größe ihrer Flotte niemals so enorm vorgestellt... und Nar Shadaa... dass sie es wagten die Hutts anzugreifen war ihm unheimlich. Die Neue Republik war vollkommen machtlos, das war ihm mittlerweile mehr als nur klar... aber die Hutts? An die hatte sich nicht einmal das Imperium heran gewagt, allein weil diese die Unterwelt der Galaxis beherrschten.
„Die Erste Ordnung hat hochtrabende Pläne...“, murmelte er und Rey neben ihm nickte zustimmend.
Er konnte nur hoffen, dass es Satora gut ging.
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Re: Der Pilot
Es ist bald geschafft. Nur noch ein Kapitel und der Epilog, dann spamme ich hier nicht mehr rum
Kapitel 14
„Wir werden ein paar Stunden brauchen.“ Rey stand auf und sah zu Poe, mit etwas in ihrem Blick, das Poe beinahe unheimlich war. Gerade machte sie Anstalten das Cockpit zu verlassen, dann schien sie sich doch um zu entscheiden und setzte sich wieder auf ihren Platz. „Es ging ihm überhaupt nicht gut“, erklärte sie leise und so schnell, dass Poe das Gefühl hatte Finn stünde draußen im Korridor und hätte jedes normal gesprochene Wort verstehen können. „Gut, dass du wieder da bist.“ Sie zwinkerte ihm zu. Es wirkte, als spüre sie genau, was in ihm vorging und Poe wurde mit einem Mal unbehaglich. Rey hob eine Hand, als wolle sie sie auf Poes Schulter legen und ließ sie dann doch wieder sinken, als sie seine Unsicherheit spürte. „Wie bist du entkommen?“, fragte sie, dieses Mal lauter und Poe wandte den Kopf zur Tür.
Finn stand dort, die Arme verschränkt und im Türrahmen lehnend. Er sah bemüht aus möglichst selbstsicher zu wirken, doch die nur mühsam versteckte Unsicherheit war nur allzu offensichtlich. „Das würde ich auch gerne wissen“, sagte Finn leise und Poe senkte den Blick. Kopfschüttelnd vergrub er das Gesicht in seinen Händen unfähig Finn in die Augen zu sehen, obwohl er sich doch so sicher gewesen war alles erzählen zu können.
Ein Räuspern verriet ihm, dass Rey Finns Aufmerksamkeit auf sich zog und nach einem kurzen Moment der drückenden Stille, spürte Poe eine Hand an seinem Ellbogen. „Komm mit.“ Finn. „Bitte.“
Langsam und mehr, weil er Reys Gegenwart nicht noch zusätzlich ertragen konnte, als weil er mit Finn allein sein wollte, ließ er die Hände sinken und kam er auf die Füße. Rey sah ihn jedoch nicht einmal an. Sie hatte ihre Position gewechselt, sodass sie jetzt im Schneidersitz auf dem Pilotensessel saß und hatte die Augen geschlossen.
Finn zog ihn auf den Korridor hinaus und am Gemeinschaftsbereich vorbei weiter, bis sie schließlich vor einer Tür ankamen. Als sie aufglitt erkannte Poe die Crewkabine mit zwei abgenutzten in die Wand eingelassenen Betten und einer schmalen Küchenzeile. „Setz dich...“, sagte Finn leise und ließ ihn los. Poe hatte keine Energie mehr um zu protestieren und ließ sich auf eines der Betten fallen.
„Du musst todmüde sein.“
Poe nickte und sah zu Finn auf, der die Tür hinter sich zugleiten ließ und dann zur Küchenzeile ging um Wasser zum Kochen zu bringen. Alle wollten sie, dass er trank. Kontinuierlich. Und obwohl er nicht wieder gezwungen werden wollte zu schlucken, sagte er nichts, beobachtete stattdessen Finn, der ihm den Rücken zugewandt hatte. Wie sehr hatte er sich gewünscht Finn noch einmal wiederzusehen und wie sehr hatte ihm vor diesem Moment gegraut, seit klar geworden war, dass er doch entkommen würde. Und doch war er erleichtert. Erleichtert, dass er keinen bleibenden Schaden angerichtet hatte.
Als Finn das Wasser in den Erhitzer gefüllt hatte, drehte er sich wieder zu Poe um, der plötzlich eine Furcht in den Augen des anderen sah, die ihn erschreckte. Finn biss sich auf die Unterlippe und verschränkte die Arme vor der Brust, offenbar nicht sicher, wie er sich verhalten sollte. Poe wurde mit einem Mal kalt und er verschränkte die Finger ineinander, damit Finn nicht sah, wie sehr sie zitterten. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen, bis Poe dem Blick nicht mehr standhalten konnte und stattdessen auf den grauen Fußboden unter sich starrte. Durch die nicht gerade dicken Wände hörte er den Hyperantrieb und aus den Luftschächten die Geräusche der Wiederaufbereitungsanlage.
„Ich bin froh, dass es dir gut geht“, sagte er schließlich nach einer ganzen Weile.
Zögerliche Schritte näherten sich ihm. „Darf ich?“
Poe nickte. Dass Finn überhaupt fragen musste, kam ihm seltsam vor. Aber natürlich. Sie waren sich kaum eine halbe Stunde nahe gewesen. Poe hatte so oft von dem Kuss geträumt hatte, dass es sich mehr anfühlte wie ein Traum als eine Erinnerung. Er rückte keinen Zentimeter beiseite, als Finn sich neben ihn setzte. Wie gern hätte er Finns Hand genommen, doch er wagte nicht seine Finger aus der gegenseitigen Umklammerung zu reißen.
„Ich weiß, dass du nicht drüber reden willst.“
Poe nickte wieder. Er wollte nicht darüber reden, aber Finn verdiente die Wahrheit. Jedes Wort, das Poe ihm zu sagen hatte, musste Finn hören.
„Hm...“, machte Finn und tat gleichzeitig nichts um Poe noch näher zu kommen. „Du weißt schon, dass ich weiß, wozu die fähig sind?“
Poe hob zögerlich den Kopf. Starrte auf die Tür statt auf den Boden. Aus den Augenwinkeln sah er Finn, der so nah neben ihm saß, dass ihre Knie sich beinahe berührten. Beinahe.
Finn seufzte, zog die Beine an und streckte sich hinter Poe auf dem schmalen Bett aus. Poes Herz hämmerte wie wild. Der Gedanke, dass er vielleicht zu viel von Finn erwartete beschlich ihn mit einem Mal und es behagte Poe ganz und gar nicht. Trotzdem bekam er den Mund nicht auf. Das Wasser, das Finn zum Kochen gebracht hatte, stand verloren auf dem Küchentresen und wurde wieder kalt. Poe war es recht.
„Ich wäre beinahe abgehauen“, hörte er Finns Stimme hinter sich und Poe wandte sich doch um. Finn lag lang ausgestreckt auf der durchgelegenen Matratze und starrte die niedrige Decke der an. „Als du verschwunden bist, meine ich.“ Er verschränkte die Hände auf der Brust. „Ich habe nicht glauben wollen, dass die Erste Ordnung dich erwischt hatte. Aber sie waren sich so sicher, dass dein X-Flügler und der andere im selben Moment in die Luft geflogen sind. Keiner hat mir geglaubt.“
Poe seufzte und hob die Schultern. „Traktorstrahl“, erklärte er. „Wohl eine neue Installation unterhalb der Sternenzerstörer von der wir bisher nichts gewusst hatten.“ Es war einfacher Finns Erklärungen zu ergänzen als selbst alles zu erzählen, merkte er. Langsam löste sich die Anspannung in seinen Schultern und er rutschte auf, sodass er neben Finn am Kopfende des halbrunden Bettes lehnte. Zögerlich streckte er auch ein Bein aus aber war strikt darum bemüht Finn nicht zu berühren, auch wenn er nichts sehnlicher wollte. Als habe er seine Gedanken erraten, streckte Finn eine Hand nach Poes aus und drückte sie. Ihre Hände schienen wie füreinander geschaffen, dachte Poe. Die Formen schmiegten sich geradezu aneinander und der Anblick schnürte ihm auf eine ganz andere Art und Weise den Atem ab. „Ich habe gerade noch den Navcomputer mit meinem Blaster ausschalten können, bevor sie das Cockpit aufgebrochen haben.“ Finns Blick konnte er noch immer nicht begegnen. Stattdessen sah er auf die ineinander verschränkten Finger hinab.
„Ich wollte dich suchen.“ Finns Daumen strich über Poes Handrücken. „Aber ich hatte keine Ahnung wo ich anfangen sollte. Ich habe auf irgendwelche Neuigkeiten gewartet. Ewig. Und dann kam die Ankündigung der Ersten Ordnung, dass sie einen Offizier des Widerstands...“ Er brach ab und endlich schaffte Poe es Finn ins Gesicht zu sehen. Finn starrte noch immer unter die Decke und wandte nur langsam den Kopf. „Ich hab zugesehen“, flüsterte er. „Ich wollte nicht, aber ich musste sicher gehen, dass du es nicht warst. Und dann-“ Er brach ab und Poe schloss für einen Moment die Augen.
„Tut mir leid...“, sagte er leise und schüttelte den Kopf. „Ich hatte solche Angst, dass du es sehen würdest.“ Er spürte die Angst wieder in sich hoch kommen wie das Echo eines bösen Albtraums. Gerade jetzt, wo er spürte, was es für Finn bedeutet hatte, wusste er doch selbst genau, wie es sich anfühlte jemanden zu verlieren für den man Gefühle welcher Art auch immer hegte. Und Finn schien es ähnlich zu ergehen wie Poe. An seinen Vater mochte Poe erst gar nicht denken. Nicht jetzt.
Finn zog Poes Hand näher zu sich und Poe spürte wie er sich langsam aber sicher vollends entspannte. Als Finn eine Hand in seinen Nacken legte und ihn vorsichtig näher zog, wehrte Poe sich nicht, ließ sich stattdessen vollends neben Finn auf die schmale Matratze gleiten und legte zögerlich seine freie Hand auf Finns Brust. Das Gefühl einen rasenden Herzschlag unter seinen Fingern zu spüren war der letzte Impuls den er brauchte um die Lippen auf Finns zu pressen. Finn wäre bereit gewesen den Widerstand zu verlassen um nach ihm zu suchen. Hatte um ihn getrauert und war jetzt hier. Hier bei ihm. An dieses Wunder hatte Poe lange nicht geglaubt.
Es war für einen Moment, als wäre die Ewigkeit der Trennung nie gewesen. Hungrig erwiderte Finn den Kuss, ließ Poes Hand los und zog dessen Oberkörper näher an sich. Seufzend schlang Poe beide Arme um Finn, hielt ihn fest an sich gedrückt. Es war zu lange her. Zu lange, dass er sich so verzweifelt an jemanden hatte klammern dürfen. Zu lange, dass er Finns Nähe spüren durfte. Finns Lippen fühlten sich vertraut an, der Atem auf seiner Haut warm. Mit wild klopfendem Herzen und unfähig einen wirklich klaren Gedanken zu fassen schob er sich Finn entgegen, fuhr mit der Zunge sanft über dessen Unterlippe und für einen Moment fürchtete er, der plötzlich erstarrende Körper würde ihn zurückstoßen, doch nichts geschah. Nichts, bis Finns Hand sich in Poes Haar vergrub und seinen beinahe ermutigend und mit einer Verzweiflung festhielt, die geradezu ansteckend war.
Finn atmete schwer und Poe war sich sicher, würde er selbst aufstehen, würden seine Beine ihn keine zwei Schritte weit tragen können. Er ließ eine Hand über Finns Seite fahren, genoss es die ebenmäßige Haut unter seinen Fingerspitzen zu spüren. Seufzend vergrub er das Gesicht an Finns Schulter, dessen Arm ihn festhielt. Noch immer raste sein Herz und jeder Atemzug brannte wie Feuer in seinen Lungen. Trotzdem war er froh darüber, wie angenehm schwer seine Glieder waren und wie erleichtert er war Finn so nahe gewesen sein zu dürfen. Es hatte ihn selbst überrascht wie dringend er es gebraucht und vor allem, dass es Finn gewesen war, der die Initiative ergriffen hatte.
Poe ließ seine Lippen über Finns entblößten Hals fahren, schmeckte den Schweiß und war sich sicher, dass er diesen Moment für nichts in der Galaxis hergegeben hätte. Niemals. Gleichzeitig war er niemals so erschöpft, so müde gewesen. Es war nicht einmal besonders innovativ gewesen, noch hatte es so lange gedauert, wie Poe es sich gewünscht hätte, doch die Anstrengung der letzten Tage hatte ihren Tribut gefordert und nur langsam kam er jetzt zur Ruhe. Finn holte eine Decke, die hinter ihm gelegen hatte, hervor und zog sie über ihrer beider Körper. Sofort fühlte Poe sich noch schläfriger.
„Verrätst du mir, wie du es geschafft hast?“ Finns Stimme klang vorsichtig und Poe hob trotz seine Erschöpfung den Kopf. Sofort fanden Finns Finger sein Haar und fuhren durch die dunklen Locken.
Er nickte. Er wollte nicht, aber er musste. Insbesondere jetzt. Es war das erste Mal seit Jahren gewesen, dass es ihm wirklich etwas bedeutet hatte mit jemandem zu schlafen und obwohl er anderes erlebt hatte, gehörte dieser Moment zu den kostbarsten seines Lebens, das war ihm mit einem Mal schlagartig bewusst. Finn verdiente die Wahrheit. Jetzt. Er hob eine Hand und fuhr damit Finns Gesichtszüge nach. Es fühlte sich vertraut an und gleichzeitig vollkommen neu. Als hätte er niemals etwas anderes getan und als berühre er Finn zum ersten Mal. Auch das hatte er noch nie erlebt. Er seufzte. „Beebee-Ates erster Besitzer und ich...“ Er hob die Schultern und sah Finn entschuldigend an. Der andere Mann wusste ohnehin, dass er nicht der Erste gewesen war mit dem Poe ein Bett teilte. Alles andere als das.
Finn hob eine Braue, sagte aber nichts.
„Wir waren zusammen, bis die Erste Ordnung seinen Sternenjäger zerstörte. Beebee-Ate und ich sind seitdem ein Team.“ Er fiel ihm leichter als er gedacht hätte. „Ich weiß nicht wohin mich die Erste Ordnung gebracht hat, aber der, den sie geschickt haben um aus mir rauszuholen was sie wissen wollten, war Moraps Bruder.“ Seine Kehle war wie ausgetrocknet und er hörte wie rau seine Stimme war. Er war es nicht mehr gewohnt viel zu reden, hatte seine Stimme geschont, und jetzt drohte er sie zu verlieren. Finn schien es zu merken, presste die Lippen kurz auf Poes Stirn ohne das Gesagte zu kommentieren und schob sich über Poes Körper um aufzustehen. Dabei rutschte die Decke hinab, doch Poe zog sie nicht hoch. Stattdessen beobachtete er Finn, dessen geöffnete Hose hinab zu rutschen drohte. Die Narben auf Finns Rücken waren gut verheilt, doch sie waren deutlich zu sehen. Poe hatte sie gespürt, aber nicht angesehen. Der Anblick ließ den noch immer geröteten und sichtbaren Ring um seinen Hals jucken. Finn hielt die Hose im Gehen fest, schloss sie aber nicht, als er zur Küchenzeile ging und zwei Becher mit kaltem Wasser füllte. Als er zu Poe zurückkam, konnte dieser nicht anders als lächeln. Trotz des nicht gerade erfreulichen Gesprächsstoffes. Er rutschte zur Seite, als Finn sich wieder neben ihn legte und ihm einen der beiden Becher reichte. Ohne zu zögern lehnte er sich wieder an den anderen Mann, der sofort einen Arm um ihn legte. Gierig nahm Poe ein paar Schlucke des kühlen Wassers. Satoras Tee hatte tatsächlich geholfen, spürte er. Es ging schon etwas besser auch ohne dessen direkte Wirkung.
„Erzähl weiter“, bat Finn leise. Seine Finger strichen über Poes Wange, als er ihn näher an sich gezogen und ihm den leeren Becher wieder abgenommen hatte. Nach einem kurzen Moment des Zögerns drückte er Poe auch den zweiten Becher in die Hand, doch der hielt ihn nur fest.
„Ich weiß nicht... er schien sich seinem Bruder trotzdem verpflichtet zu fühlen, obwohl der vor der Ersten Ordnung zur Republik übergelaufen war.“ Poe hob den Blick zu Finn, um dessen Lippen ein kleines Lächeln spielte. Für Deserteure hatte er wohl eine gewissen Anziehungskraft, dachte Poe. „Ich habe es nicht gewusst bis vor ein paar Tagen. Auf jeden Fall war er nicht gerade zimperlich im Verhör und ich habe einige Dinge ausgeplaudert. Ich bin nicht stolz darauf, aber...“ Er bracht ab und brauchte einen Moment, auch nachdem Finn wieder seine Stirn geküsst hatte, wie um ihm zu versichern, dass er verstand. Poe räusperte sich. „Anscheinend habe ich aber nichts Wichtiges und nur alte Informationen verraten. Sonst wärst du nicht hier. Und Bendar hat mir geholfen. Irgendwie.“ Poe dachte an die Sturmtrupplerin, die für ihn gestorben war. Auch davon würde er Finn erzählen. Doch nicht jetzt. „Und ich bin nach Nar Shadaa geflogen. Ich habe ihm versprechen müssen seinen Verrat nicht publik zu machen und erstrecht nicht zum Widerstand zurückzukehren. Ich werde aber nicht alle Versprechen einhalten können.“
Finn nickte. „Das hätte ich auch nicht anders erwartet“, antwortete er leise nach einem kurzen Schweigen. „General Organa hat Rey und mich geschickt. Persönlich.“
Poe hob eine Braue, legte die Wange auf Finns Brust und schloss die Augen. Erleichtert das Schlimmste losgeworden zu sein. „Warum?“
„Ein Schmuggler, der den Widerstand mit Informationen gegen die Erste Ordnung unterstützen will, wurde uns gemeldet und General Organa war der Ansicht, und dieser Skywalker wohl auch, dass es an der Zeit wäre Rey eine kleine unwichtige Mission anzuvertrauen. Und ich... habe es auf der Basis nicht mehr ausgehalten. Also bin ich mit.“
Poe nickte und seufzte erleichtert. „Ich bin froh, dass du gekommen bist“, murmelte er. Seine Lider wurden schwer und er wollte nichts dringender tun als zu schlafen. Reys Rolle in dieser Sache galt es später zu hinterfragen. Sie war noch immer so jung. Doch nicht jetzt. Jetzt wollte er nur noch schlafen und wenigstens für einen Moment in der Sicherheit, die Finns Nähe ihm zu geben schien, versinken. Er spürte, dass Finn die Decke wieder höher zog. Bis über Poes Schultern, doch der brauchte die zusätzliche Wärme nicht.
„Ich auch...“, hörte er Finns leises Flüstern. Und noch etwas, doch Poe verstand die Worte schon nicht mehr.
Kapitel 14
„Wir werden ein paar Stunden brauchen.“ Rey stand auf und sah zu Poe, mit etwas in ihrem Blick, das Poe beinahe unheimlich war. Gerade machte sie Anstalten das Cockpit zu verlassen, dann schien sie sich doch um zu entscheiden und setzte sich wieder auf ihren Platz. „Es ging ihm überhaupt nicht gut“, erklärte sie leise und so schnell, dass Poe das Gefühl hatte Finn stünde draußen im Korridor und hätte jedes normal gesprochene Wort verstehen können. „Gut, dass du wieder da bist.“ Sie zwinkerte ihm zu. Es wirkte, als spüre sie genau, was in ihm vorging und Poe wurde mit einem Mal unbehaglich. Rey hob eine Hand, als wolle sie sie auf Poes Schulter legen und ließ sie dann doch wieder sinken, als sie seine Unsicherheit spürte. „Wie bist du entkommen?“, fragte sie, dieses Mal lauter und Poe wandte den Kopf zur Tür.
Finn stand dort, die Arme verschränkt und im Türrahmen lehnend. Er sah bemüht aus möglichst selbstsicher zu wirken, doch die nur mühsam versteckte Unsicherheit war nur allzu offensichtlich. „Das würde ich auch gerne wissen“, sagte Finn leise und Poe senkte den Blick. Kopfschüttelnd vergrub er das Gesicht in seinen Händen unfähig Finn in die Augen zu sehen, obwohl er sich doch so sicher gewesen war alles erzählen zu können.
Ein Räuspern verriet ihm, dass Rey Finns Aufmerksamkeit auf sich zog und nach einem kurzen Moment der drückenden Stille, spürte Poe eine Hand an seinem Ellbogen. „Komm mit.“ Finn. „Bitte.“
Langsam und mehr, weil er Reys Gegenwart nicht noch zusätzlich ertragen konnte, als weil er mit Finn allein sein wollte, ließ er die Hände sinken und kam er auf die Füße. Rey sah ihn jedoch nicht einmal an. Sie hatte ihre Position gewechselt, sodass sie jetzt im Schneidersitz auf dem Pilotensessel saß und hatte die Augen geschlossen.
Finn zog ihn auf den Korridor hinaus und am Gemeinschaftsbereich vorbei weiter, bis sie schließlich vor einer Tür ankamen. Als sie aufglitt erkannte Poe die Crewkabine mit zwei abgenutzten in die Wand eingelassenen Betten und einer schmalen Küchenzeile. „Setz dich...“, sagte Finn leise und ließ ihn los. Poe hatte keine Energie mehr um zu protestieren und ließ sich auf eines der Betten fallen.
„Du musst todmüde sein.“
Poe nickte und sah zu Finn auf, der die Tür hinter sich zugleiten ließ und dann zur Küchenzeile ging um Wasser zum Kochen zu bringen. Alle wollten sie, dass er trank. Kontinuierlich. Und obwohl er nicht wieder gezwungen werden wollte zu schlucken, sagte er nichts, beobachtete stattdessen Finn, der ihm den Rücken zugewandt hatte. Wie sehr hatte er sich gewünscht Finn noch einmal wiederzusehen und wie sehr hatte ihm vor diesem Moment gegraut, seit klar geworden war, dass er doch entkommen würde. Und doch war er erleichtert. Erleichtert, dass er keinen bleibenden Schaden angerichtet hatte.
Als Finn das Wasser in den Erhitzer gefüllt hatte, drehte er sich wieder zu Poe um, der plötzlich eine Furcht in den Augen des anderen sah, die ihn erschreckte. Finn biss sich auf die Unterlippe und verschränkte die Arme vor der Brust, offenbar nicht sicher, wie er sich verhalten sollte. Poe wurde mit einem Mal kalt und er verschränkte die Finger ineinander, damit Finn nicht sah, wie sehr sie zitterten. Für einen Moment sahen sie sich in die Augen, bis Poe dem Blick nicht mehr standhalten konnte und stattdessen auf den grauen Fußboden unter sich starrte. Durch die nicht gerade dicken Wände hörte er den Hyperantrieb und aus den Luftschächten die Geräusche der Wiederaufbereitungsanlage.
„Ich bin froh, dass es dir gut geht“, sagte er schließlich nach einer ganzen Weile.
Zögerliche Schritte näherten sich ihm. „Darf ich?“
Poe nickte. Dass Finn überhaupt fragen musste, kam ihm seltsam vor. Aber natürlich. Sie waren sich kaum eine halbe Stunde nahe gewesen. Poe hatte so oft von dem Kuss geträumt hatte, dass es sich mehr anfühlte wie ein Traum als eine Erinnerung. Er rückte keinen Zentimeter beiseite, als Finn sich neben ihn setzte. Wie gern hätte er Finns Hand genommen, doch er wagte nicht seine Finger aus der gegenseitigen Umklammerung zu reißen.
„Ich weiß, dass du nicht drüber reden willst.“
Poe nickte wieder. Er wollte nicht darüber reden, aber Finn verdiente die Wahrheit. Jedes Wort, das Poe ihm zu sagen hatte, musste Finn hören.
„Hm...“, machte Finn und tat gleichzeitig nichts um Poe noch näher zu kommen. „Du weißt schon, dass ich weiß, wozu die fähig sind?“
Poe hob zögerlich den Kopf. Starrte auf die Tür statt auf den Boden. Aus den Augenwinkeln sah er Finn, der so nah neben ihm saß, dass ihre Knie sich beinahe berührten. Beinahe.
Finn seufzte, zog die Beine an und streckte sich hinter Poe auf dem schmalen Bett aus. Poes Herz hämmerte wie wild. Der Gedanke, dass er vielleicht zu viel von Finn erwartete beschlich ihn mit einem Mal und es behagte Poe ganz und gar nicht. Trotzdem bekam er den Mund nicht auf. Das Wasser, das Finn zum Kochen gebracht hatte, stand verloren auf dem Küchentresen und wurde wieder kalt. Poe war es recht.
„Ich wäre beinahe abgehauen“, hörte er Finns Stimme hinter sich und Poe wandte sich doch um. Finn lag lang ausgestreckt auf der durchgelegenen Matratze und starrte die niedrige Decke der an. „Als du verschwunden bist, meine ich.“ Er verschränkte die Hände auf der Brust. „Ich habe nicht glauben wollen, dass die Erste Ordnung dich erwischt hatte. Aber sie waren sich so sicher, dass dein X-Flügler und der andere im selben Moment in die Luft geflogen sind. Keiner hat mir geglaubt.“
Poe seufzte und hob die Schultern. „Traktorstrahl“, erklärte er. „Wohl eine neue Installation unterhalb der Sternenzerstörer von der wir bisher nichts gewusst hatten.“ Es war einfacher Finns Erklärungen zu ergänzen als selbst alles zu erzählen, merkte er. Langsam löste sich die Anspannung in seinen Schultern und er rutschte auf, sodass er neben Finn am Kopfende des halbrunden Bettes lehnte. Zögerlich streckte er auch ein Bein aus aber war strikt darum bemüht Finn nicht zu berühren, auch wenn er nichts sehnlicher wollte. Als habe er seine Gedanken erraten, streckte Finn eine Hand nach Poes aus und drückte sie. Ihre Hände schienen wie füreinander geschaffen, dachte Poe. Die Formen schmiegten sich geradezu aneinander und der Anblick schnürte ihm auf eine ganz andere Art und Weise den Atem ab. „Ich habe gerade noch den Navcomputer mit meinem Blaster ausschalten können, bevor sie das Cockpit aufgebrochen haben.“ Finns Blick konnte er noch immer nicht begegnen. Stattdessen sah er auf die ineinander verschränkten Finger hinab.
„Ich wollte dich suchen.“ Finns Daumen strich über Poes Handrücken. „Aber ich hatte keine Ahnung wo ich anfangen sollte. Ich habe auf irgendwelche Neuigkeiten gewartet. Ewig. Und dann kam die Ankündigung der Ersten Ordnung, dass sie einen Offizier des Widerstands...“ Er brach ab und endlich schaffte Poe es Finn ins Gesicht zu sehen. Finn starrte noch immer unter die Decke und wandte nur langsam den Kopf. „Ich hab zugesehen“, flüsterte er. „Ich wollte nicht, aber ich musste sicher gehen, dass du es nicht warst. Und dann-“ Er brach ab und Poe schloss für einen Moment die Augen.
„Tut mir leid...“, sagte er leise und schüttelte den Kopf. „Ich hatte solche Angst, dass du es sehen würdest.“ Er spürte die Angst wieder in sich hoch kommen wie das Echo eines bösen Albtraums. Gerade jetzt, wo er spürte, was es für Finn bedeutet hatte, wusste er doch selbst genau, wie es sich anfühlte jemanden zu verlieren für den man Gefühle welcher Art auch immer hegte. Und Finn schien es ähnlich zu ergehen wie Poe. An seinen Vater mochte Poe erst gar nicht denken. Nicht jetzt.
Finn zog Poes Hand näher zu sich und Poe spürte wie er sich langsam aber sicher vollends entspannte. Als Finn eine Hand in seinen Nacken legte und ihn vorsichtig näher zog, wehrte Poe sich nicht, ließ sich stattdessen vollends neben Finn auf die schmale Matratze gleiten und legte zögerlich seine freie Hand auf Finns Brust. Das Gefühl einen rasenden Herzschlag unter seinen Fingern zu spüren war der letzte Impuls den er brauchte um die Lippen auf Finns zu pressen. Finn wäre bereit gewesen den Widerstand zu verlassen um nach ihm zu suchen. Hatte um ihn getrauert und war jetzt hier. Hier bei ihm. An dieses Wunder hatte Poe lange nicht geglaubt.
Es war für einen Moment, als wäre die Ewigkeit der Trennung nie gewesen. Hungrig erwiderte Finn den Kuss, ließ Poes Hand los und zog dessen Oberkörper näher an sich. Seufzend schlang Poe beide Arme um Finn, hielt ihn fest an sich gedrückt. Es war zu lange her. Zu lange, dass er sich so verzweifelt an jemanden hatte klammern dürfen. Zu lange, dass er Finns Nähe spüren durfte. Finns Lippen fühlten sich vertraut an, der Atem auf seiner Haut warm. Mit wild klopfendem Herzen und unfähig einen wirklich klaren Gedanken zu fassen schob er sich Finn entgegen, fuhr mit der Zunge sanft über dessen Unterlippe und für einen Moment fürchtete er, der plötzlich erstarrende Körper würde ihn zurückstoßen, doch nichts geschah. Nichts, bis Finns Hand sich in Poes Haar vergrub und seinen beinahe ermutigend und mit einer Verzweiflung festhielt, die geradezu ansteckend war.
Finn atmete schwer und Poe war sich sicher, würde er selbst aufstehen, würden seine Beine ihn keine zwei Schritte weit tragen können. Er ließ eine Hand über Finns Seite fahren, genoss es die ebenmäßige Haut unter seinen Fingerspitzen zu spüren. Seufzend vergrub er das Gesicht an Finns Schulter, dessen Arm ihn festhielt. Noch immer raste sein Herz und jeder Atemzug brannte wie Feuer in seinen Lungen. Trotzdem war er froh darüber, wie angenehm schwer seine Glieder waren und wie erleichtert er war Finn so nahe gewesen sein zu dürfen. Es hatte ihn selbst überrascht wie dringend er es gebraucht und vor allem, dass es Finn gewesen war, der die Initiative ergriffen hatte.
Poe ließ seine Lippen über Finns entblößten Hals fahren, schmeckte den Schweiß und war sich sicher, dass er diesen Moment für nichts in der Galaxis hergegeben hätte. Niemals. Gleichzeitig war er niemals so erschöpft, so müde gewesen. Es war nicht einmal besonders innovativ gewesen, noch hatte es so lange gedauert, wie Poe es sich gewünscht hätte, doch die Anstrengung der letzten Tage hatte ihren Tribut gefordert und nur langsam kam er jetzt zur Ruhe. Finn holte eine Decke, die hinter ihm gelegen hatte, hervor und zog sie über ihrer beider Körper. Sofort fühlte Poe sich noch schläfriger.
„Verrätst du mir, wie du es geschafft hast?“ Finns Stimme klang vorsichtig und Poe hob trotz seine Erschöpfung den Kopf. Sofort fanden Finns Finger sein Haar und fuhren durch die dunklen Locken.
Er nickte. Er wollte nicht, aber er musste. Insbesondere jetzt. Es war das erste Mal seit Jahren gewesen, dass es ihm wirklich etwas bedeutet hatte mit jemandem zu schlafen und obwohl er anderes erlebt hatte, gehörte dieser Moment zu den kostbarsten seines Lebens, das war ihm mit einem Mal schlagartig bewusst. Finn verdiente die Wahrheit. Jetzt. Er hob eine Hand und fuhr damit Finns Gesichtszüge nach. Es fühlte sich vertraut an und gleichzeitig vollkommen neu. Als hätte er niemals etwas anderes getan und als berühre er Finn zum ersten Mal. Auch das hatte er noch nie erlebt. Er seufzte. „Beebee-Ates erster Besitzer und ich...“ Er hob die Schultern und sah Finn entschuldigend an. Der andere Mann wusste ohnehin, dass er nicht der Erste gewesen war mit dem Poe ein Bett teilte. Alles andere als das.
Finn hob eine Braue, sagte aber nichts.
„Wir waren zusammen, bis die Erste Ordnung seinen Sternenjäger zerstörte. Beebee-Ate und ich sind seitdem ein Team.“ Er fiel ihm leichter als er gedacht hätte. „Ich weiß nicht wohin mich die Erste Ordnung gebracht hat, aber der, den sie geschickt haben um aus mir rauszuholen was sie wissen wollten, war Moraps Bruder.“ Seine Kehle war wie ausgetrocknet und er hörte wie rau seine Stimme war. Er war es nicht mehr gewohnt viel zu reden, hatte seine Stimme geschont, und jetzt drohte er sie zu verlieren. Finn schien es zu merken, presste die Lippen kurz auf Poes Stirn ohne das Gesagte zu kommentieren und schob sich über Poes Körper um aufzustehen. Dabei rutschte die Decke hinab, doch Poe zog sie nicht hoch. Stattdessen beobachtete er Finn, dessen geöffnete Hose hinab zu rutschen drohte. Die Narben auf Finns Rücken waren gut verheilt, doch sie waren deutlich zu sehen. Poe hatte sie gespürt, aber nicht angesehen. Der Anblick ließ den noch immer geröteten und sichtbaren Ring um seinen Hals jucken. Finn hielt die Hose im Gehen fest, schloss sie aber nicht, als er zur Küchenzeile ging und zwei Becher mit kaltem Wasser füllte. Als er zu Poe zurückkam, konnte dieser nicht anders als lächeln. Trotz des nicht gerade erfreulichen Gesprächsstoffes. Er rutschte zur Seite, als Finn sich wieder neben ihn legte und ihm einen der beiden Becher reichte. Ohne zu zögern lehnte er sich wieder an den anderen Mann, der sofort einen Arm um ihn legte. Gierig nahm Poe ein paar Schlucke des kühlen Wassers. Satoras Tee hatte tatsächlich geholfen, spürte er. Es ging schon etwas besser auch ohne dessen direkte Wirkung.
„Erzähl weiter“, bat Finn leise. Seine Finger strichen über Poes Wange, als er ihn näher an sich gezogen und ihm den leeren Becher wieder abgenommen hatte. Nach einem kurzen Moment des Zögerns drückte er Poe auch den zweiten Becher in die Hand, doch der hielt ihn nur fest.
„Ich weiß nicht... er schien sich seinem Bruder trotzdem verpflichtet zu fühlen, obwohl der vor der Ersten Ordnung zur Republik übergelaufen war.“ Poe hob den Blick zu Finn, um dessen Lippen ein kleines Lächeln spielte. Für Deserteure hatte er wohl eine gewissen Anziehungskraft, dachte Poe. „Ich habe es nicht gewusst bis vor ein paar Tagen. Auf jeden Fall war er nicht gerade zimperlich im Verhör und ich habe einige Dinge ausgeplaudert. Ich bin nicht stolz darauf, aber...“ Er bracht ab und brauchte einen Moment, auch nachdem Finn wieder seine Stirn geküsst hatte, wie um ihm zu versichern, dass er verstand. Poe räusperte sich. „Anscheinend habe ich aber nichts Wichtiges und nur alte Informationen verraten. Sonst wärst du nicht hier. Und Bendar hat mir geholfen. Irgendwie.“ Poe dachte an die Sturmtrupplerin, die für ihn gestorben war. Auch davon würde er Finn erzählen. Doch nicht jetzt. „Und ich bin nach Nar Shadaa geflogen. Ich habe ihm versprechen müssen seinen Verrat nicht publik zu machen und erstrecht nicht zum Widerstand zurückzukehren. Ich werde aber nicht alle Versprechen einhalten können.“
Finn nickte. „Das hätte ich auch nicht anders erwartet“, antwortete er leise nach einem kurzen Schweigen. „General Organa hat Rey und mich geschickt. Persönlich.“
Poe hob eine Braue, legte die Wange auf Finns Brust und schloss die Augen. Erleichtert das Schlimmste losgeworden zu sein. „Warum?“
„Ein Schmuggler, der den Widerstand mit Informationen gegen die Erste Ordnung unterstützen will, wurde uns gemeldet und General Organa war der Ansicht, und dieser Skywalker wohl auch, dass es an der Zeit wäre Rey eine kleine unwichtige Mission anzuvertrauen. Und ich... habe es auf der Basis nicht mehr ausgehalten. Also bin ich mit.“
Poe nickte und seufzte erleichtert. „Ich bin froh, dass du gekommen bist“, murmelte er. Seine Lider wurden schwer und er wollte nichts dringender tun als zu schlafen. Reys Rolle in dieser Sache galt es später zu hinterfragen. Sie war noch immer so jung. Doch nicht jetzt. Jetzt wollte er nur noch schlafen und wenigstens für einen Moment in der Sicherheit, die Finns Nähe ihm zu geben schien, versinken. Er spürte, dass Finn die Decke wieder höher zog. Bis über Poes Schultern, doch der brauchte die zusätzliche Wärme nicht.
„Ich auch...“, hörte er Finns leises Flüstern. Und noch etwas, doch Poe verstand die Worte schon nicht mehr.
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Re: Der Pilot
Kapitel 15
Die Frau ihm gegenüber betrachtete ihn eingehend. Ihre braunen Augen blickten ihm ernst entgegen. General Leia Organa, Mitglied des imperialen Senats, Prinzessin des vom Imperium zerstörten Planeten Aldraan, und Anführerin der Rebellen Allianz war, seit Poe sie kannte, keine vor Fröhlichkeit strotzende Person gewesen, doch als sie erkannte, dass er derjenige war, den Finn und Rey zur Basis brachten, hatte ihr Gesicht sich aufgehellt. Sie hatte beinahe gelächelt. Nicht so jetzt.
Sein Mund war staubtrocken. Zum ersten Mal hatte er jemandem die volle Geschichte erzählt. Von Bendar, dem Verhör, der Flucht und vor allem von seinem Versagen. Die Enttäuschung in ihrem Blick war beinahe greifbar und doch sprach sie es nicht aus.
„Ich verstehe“, sagte sie leise in ihrer tiefen, beruhigenden Stimme. Sie seufzte und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. Sie schwieg einen Moment, faltete die Hände auf dem Tisch und blickte darauf hinab.
Poe musste an sich halten um sich nicht umzudrehen. Zu der Tür, hinter der Finn auf ihn wartete. Die neue Basis des Widerstands war eine uralte Gebäudestruktur auf einem unbewohnten, kahlen Mond. Bereits zu Zeiten des Imperiums war dieser Außenposten der Rebellenallianz so gut wie nie benutzt worden und deswegen war er auch jetzt einer der sichersten Orte vor der Ersten Ordnung. Direkt nachdem der Falke angedockt hatte, hatte Finn ihn unauffällig und vor allem unerkannt in einen der Konferenzräume gebracht, wo General Organa bereits auf ihn gewartet hatte. Sie hatte ihn damals rekrutiert und sie war es gewesen, die ihn auch jetzt in Empfang nahm. Dass sie Finn hinausschickte hatte ihn nicht überrascht, aber sofort hatte er ihn vermisst. General Organa allein unter die Augen zu treten war ihm unangenehm. Trotzdem wusste er, dass es so genau richtig war. Er schuldete auch ihr eine volle Erklärung.
Nach einer Weile sah Organa auf. „Wir haben geahnt, dass sie uns verfolgen würden und dem Rest der Flotte einen anderen, neutralen Treffpunkt durchgegeben. Es hat uns einige Zeit gekostet hier mit dem Aufbau einer neuen Basis zu beginnen.“
Poe nickte stumm und erwiderte Organas Blick. Er hatte sie enttäuscht und die Schuldgefühle, die ihn seit Tagen umtrieben, schienen ihn in diesem Augenblick zu ertränken.
„Sie haben keinen wirklichen Schaden angerichtet Poe, und ich bin froh, dass es Ihnen gut geht. Mehr oder weniger.“ Ihre Augen wanderten zu dem Mal an seinem Hals, das Poe nur notdürftig mit dem halbhohen Kragen des Strumtruppleroveralls verdecken konnte.
Wieder nickte er. „General, ich-“
Sie hob begütigend die Hand, dann zog sie ihr Datapad näher, das bisher unberührt auf dem Tisch vor ihr gelegen hatte. Sie tippte einige Male darauf, dann seufzte sie. „Bendar... er war ein Pilot der Republik und dieser Bendar, den sie bei der Ersten Ordnung getroffen hatten war...“
Poe nickte und schluckte schwer. „Sein Bruder. General, ich muss versuchen ihn zu schützen so lange es geht. Das schulde ich ihm und... und Morap.“ Er runzelte die Stirn als er Organa bittend ansah. Er war sich sicher, dass sie ihn verstehen würde.
Sie lächelte schmal. „Es wäre ein feiner Schlag gegen die Erste Ordnung gewesen, Ihre Rückkehr zum Widerstand irgendwie zu inszenieren, aber ich verstehe natürlich was Sie meinen.“ Sie schaltete das Datapad aus und schob es von sich. „Ich verstehe das also richtig, dass sie sofort wieder zum Dienst antreten wollen, Poe?“
Die Frage allein suggerierte ihm, dass sie das für keine gute Idee hielt. Er brachte ein halbernstes Lächeln zustande. „General…“ Er brach ab und nahm sich noch einen Moment Zeit um zu formulieren, was er wollte. „Ich will nicht in eine Situation geraten in der ich gezwungen bin Bendar offen zu verraten, aber ich weiß, dass ich dem Widerstand und allen hier etwas schulde.“ Sie hatte er verraten und mit diesem Gedanken zu leben fiel ihm überaus schwer.
„Das ist vielleicht bewundernswert, aber haben Sie eine Ahnung davon, wie Sie aussehen?“
Poe schnaubte zur Antwort. Natürlich wusste er es und er verstand auch, was Organa ihm damit sagen wollte: er sah nicht so aus, als wäre es eine gute Idee ihn in den nächsten X-Flügler zu setzen. „Ja, General, ich hatte Gelegenheit in einen Spiegel zu sehen.“ Er war nicht überrascht gewesen, als er, kurz bevor sie hier angekommen waren, in der kleinen Sanitätseinheit des Falken ein weiteres graues Haar zu entdecken.
Sie nickte. „Dann verstehen Sie vielleicht, warum ich es für eine gute Idee halten würde, Sie nach Hause zu schicken.“ Sie hob die Hand um ihn zu unterbrechen noch bevor er zum Protest ansetzen konnte. „Ihr Vater ist noch immer überzeugt davon seinen Sohn verloren zu haben. Wie lange wollen Sie ihn in diesem Glauben lassen? Und Sie brauchen Ruhe, Poe. Sie sind nicht gesund und ich will Sie nicht wieder verlieren. Sie haben Ihr Guthaben an verdammten Glück so gut wie aufgebraucht.“
Poe biss sich auf die Unterlippe. Ihm war klar, dass sie recht hatte und dass der einzige Grund dafür, dass er noch am Leben war, damit zu tun hatte, dass er tatsächlich unverschämtes Glück gehabt hatte. Auch der Gedanke daran erst einmal nicht ins Feld zu müssen, vielleicht sogar ein wenig Zeit mit Finn zu verbringen, war beinahe verführerisch. Beinahe, denn er wusste, dass er sich diese Zeit nicht gönnen dürfte. „General, die Erste Ordnung wird nicht pausieren. Nicht jetzt, wo sie so weit vorgedrungen sind.“
Organas Gesicht war mit einem Mal wie versteinert. Poe dachte an den Mann, den sie verloren hatte, an ihren Heimatplaneten und all die politischen Verbündeten, die sie im Hosnian-System gehabt haben musste und er wusste sofort, dass er einen wunden Punkt gefunden hatte.
„Ich will eine Chance, General. Ich weiß nicht, wie ich mit mir leben kann, wenn-“
„Sie sind nicht der Erste, der dem Druck der Befragung nachgegeben hat, Poe, hören Sie auf sich besonders herauszustellen. Glauben Sie mir, ich weiß wie Sie sich fühlen, aber es bringt nichts über verschüttete Milch zu weinen.“ Sie seufzte und fuhr sich mit einer Hand über die Augen. Poe schwieg. Sie musste es nicht sagen, aber dass sie einen Moment Ruhe zum Nachdenken brauchte, war nur allzu ersichtlich. Sie seufzte. „Nar Shadaa ist in die Hände der Ersten Ordnung gefallen, sagen Sie?“
Wieder nickte er, sagte aber nichts weiter.
„Das heißt die Ressourcen des Planeten, alles was die fliehenden Schmuggler und Piraten und Wasauchimmer da gelassen haben, gehört jetzt unseren Feinden.“ Sie presste die Lippen aufeinander und betrachtete Poe mit verschränkten Armen. Ihre Stirn war kraus gezogen und er konnte förmlich beobachten, wie sie nachdachte und zu einem Schluss kam, den er hören musste. Gerade holte sie Luft um ihm ihr Urteil zu verkünden, als ihr Komm einen lauten Alarmton ausstieß. Ihr Augen weiteten sich für einen Moment, dann zog sie das Komm hervor, legte es auf die Tischplatte vor sich und aktivierte es. Sofort erschien die Figur von Admiral Ackbar zigfach verkleinert vor ihr. Poe sah ihn nur von hinten, doch die Gestalt des Mon Calamari hätte er überall erkannt.
„Ackbar?“
„Leia“, die vertrauliche Ansprache verriet Poe, dass Ackbar vermutlich keine Ahnung davon hatte, dass General Organa sich in einem Gespräch befand. „Der Kontakt der Republik zu Corouscant ist vor wenigen Minuten abgebrochen, kurz nachdem Sternenzerstörer im System aufgetaucht sind.“
Poe hob die Brauen und sah General Organa direkt an, doch die starrte auf Ackbars Projektion mit einer Mischung aus Unglauben und Resignation.
„Darauf haben wir ja nur gewartet“, sagte sie mit ruhiger Stimme und verschränkte die Hände vor sich auf der Tischplatte. „Ich bin sofort bei Ihnen, Admiral.“ Die Projektion verschwand mit einem leichten Flirren und langsam hob Organa den Blick. Sie betrachtete Poe einen Moment und er konnte sehen, dass sie sich innerlich zum nächsten Entschluss durchringen musste. „Willkommen zurück, Commander“, sagte sie und stand auf. „Sie können froh sein, dass wir nicht zur Republik gehören, sonst hätte dieser Satz sehr viel Papierkram verlangt. Sie werden in der Kommandozentrale erwartet.“ Sie seufzte. Ihr Gesicht war bleich. Jetzt ging es für sie und die anderen hochrangigen Offiziere darum so schnell wie möglich die Verteidigung Corouscants zu planen. „Ich erwarte, dass Sie ihrem Vater eine Nachricht schicken, bevor Sie sich wieder in Gefahr begeben.“ Es war kein Befehl, den sie befugt gewesen wäre ihm zu geben, trotzdem nickte er. Sie hatte recht, wusste er.
Als sie sich zum gehen wandte, hob er die Hand um sie aufzuhalten. „General Organa?“
Sie hielt inne und sah ihn wieder aus müden, braunen Augen an. „Ja, Commander.“
„Die Sternenjäger sollten mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet sein, der manuell gesteuert werden kann“, sagte er leise, aber voller ernst. Es fiel ihm schwer das zu sagen, doch er wusste, dass er es sagen musste. So etwas durfte nie wieder passieren. „Ich weiß, wir sind kein Selbstmordkommando, aber...“
Eine Weile starrte sie ihn an. Keine Ungläubigkeit war in ihrem Blick. Keine Verneinung. Sie nickte wieder, dann ging sie hinaus und ließ die Tür hinter sich offen stehen. Poe folgte ihr und als sein Blick auf die Gestalt fiel, die direkt vor der Tür auf einem unbequemen Stuhl saß und schlief, musste er unweigerlich grinsen. Das hier war kein Moment um zu lächeln, doch er konnte nicht anders. Finn, das ahnte er, hatte in den letzten Wochen mindestens so schlecht geschlafen wie er, wenn überhaupt. Vorsichtig beugte Poe sich über den anderen Mann und nahm das Gesicht in die Hände. Ruckartig fuhr Finn zusammen und die Lider flogen auf.
„Poe?“ Finns Stimme war heiser. Tiefer als sonst. „Was hat sie gesagt?“
Poe seufzte und küsste Finn kurz auf die Lippen. Wieder etwas, das ein Abschiedskuss für die Ewigkeit sein konnte. Und genau das sollte der Kuss nicht sein. Vielmehr ein Versprechen. „Die Erste Ordnung greift Corouscant an. Ich muss los“, sagte er gegen Finns Lippen und bereute die Worte noch bevor er die letzte Silbe hatte herausbringen können. Nicht wieder. Das würde er nicht noch einmal durchstehen! Und doch... er musste. Und er wäre lieber gestorben als Finn jetzt aufzugeben. „Wenn das hier vorbei ist“, begann er, „verbringen wir ein paar Tage auf Yavin 4.“ Er wollte Finn nicht zurücklassen, aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte.
Bevor er sich wieder aufrichten konnte, hielt Finn ihn fest, zog ihn zu sich herunter und presste die Lippen auf seine. „Komm zurück“, wisperte er. „Dieses mal ein bisschen schneller, bitte.“
Poe blinzelte. Finns Blick gab ihm Mut, erfüllte ihn mit einer Wärme, die er kaum für möglich gehalten hätte. Sein Grinsen hatte beinahe etwas Freches. „Immer. Sobald ich kann. Irgendwie. Versprochen.“ Und er war sich beinahe sicher dieses Versprechen einhalten zu können. Irgendwie. Er ließ eine Hand in Finns Nacken gleiten und hielt ihn so fest, unfähig den Blickkontakt zu lösen. Langsam näherte er sich wieder dem anderen. Hiernach würde er gehen nur noch ein Mal.
Ein halberstickter Schrei ließ ihn zusammenfahren und ruckartig wandte er den Kopf. Als er die zwei Frauen, keine zehn Meter von sich entfernt stehen sah, ließ er Finn widerwillig los. Trotzdem musste er lächeln und er musste zugeben wie erleichtert er war die großgewachsenen Frauen in ihren Fliegeranzügen vor sich stehen zu sehen.
Karé Kun, das wasserstoffblonde Haar in einem losen Zopf zusammen gebunden, starrte ihn mit offenen Mund an und Poe spürte, wie seine Wangen heiß wurden, als Jessika Pava sich aus ihrer Starre löste und beinahe auf ihn zu rannte um die Arme um ihn zu werfen. Poe lächelte unsicher und erwiderte die Umarmung. Er kannte sie, seit er beim Widerstand war, hatte viel Zeit mit ihr und den anderen Piloten hier verbracht und war froh sie zu sehen... und trotzdem. Es fühlte sich fremd an. Er ließ sie los und sah auf zu Karé, die die Hände in die Hüften stemmte und ungläubig den Kopf schüttelte.
„Wie bist du da rausgekommen, Dameron...“ Ihre tiefe Stimme verriet nichts von Überraschung oder sonst irgend einer Emotion.
Poe hob die Schultern und schüttelte dann den Kopf. „Lange Geschichte?“, versuchte er und seufzte. Er sah zu Finn hinab, der seinen Blick mit einem kleinen Lächeln erwiderte und dann aufstand und sofort besitzergreifend einen Arm um Poes Schultern legte.
Karé brachte ein kleines schiefes Grinsen zustande und Jess hob die Hand und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Schulter. „Wir hatten eine Trauerfeier, Dameron!“ Mit einem Mal wirkte sie wütend und Poe nickte leicht, sah dann aber zu Karé, die er so lange kannte. Er war der Kommandant ihres Schwadrons gewesen ehe Morap gestorben war und sie war dabei gewesen als es Muran erwischt hatte. Sie hatte Morap gekannt, wusste Bescheid über ihn und Poe. Ein dringendes Bedürfnis es ihr zu sagen, ihr zu sagen, dass Morap vor so vielen Jahren vor der Ersten Ordnung ins Gebiet der Republik geflohen war, überkam ihm. Es überkam ihn das Verlangen ihr zu erzählen, dass er Moraps Bruder getroffen hatte und bei dem Gedanken daran zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. Wieder schüttelte er den Kopf.
„Ich kann euch nichts verraten“, sagte er leise und mit einem beinahe bedauernden Lächeln. Nein. Er wollte nicht darüber reden. Wollte es nicht noch einmal durchleben. Finn wusste es. General Organa wusste es. Das musste reichen. Für jetzt jedenfalls. „Ich hatte gerade ein Gespräch mit General Organa. Es sieht aus, als würden wir bald wieder aufbrechen.“
Jess schien noch immer nicht fassen zu können, wer vor ihr stand und Karé schien es ebenso zu gehen. „Jetzt?“, fragte Jess. „Du siehst nicht gut aus.“
Schnaubend stieß Poe sie an. „Danke für das Kompliment. Das wird schon wieder.“ Unsicher blickte er die beiden Frauen an. Mit ihnen hatte er in seinem Schwadron immer am meisten geredet und zu tun gehabt außerhalb des Dienstes und bei dem Gedanken daran, dass es ihnen gut ging, spürte er wie ein schweres Gewicht von seinen Schultern genommen wurde. Doch dann erinnerte er sich daran, dass sie wieder auf dem Weg in eine Schlacht waren und sofort war ihm speiübel. „Es tut mir leid, dass ich euch im Stich gelassen habe.“ Das tat es. Und sie verstanden vermutlich nicht einmal was genau er meinte. Trotzdem musste er es ihnen sagen.
Jess schien noch etwas sagen zu wollen, hielt sich aber sichtlich zurück. Ihre Augen sagten ihm nur allzu deutlich, dass sie gern weiter gefragt hätte, doch ein Blick zu Karé beendete dieses Vorhaben ebenfalls. Sie seufzte und machte eine Geste, die aussah, als wolle sie ihn noch einmal umarmen, doch dann verschränkte sie die Arme nur vor der Brust.
„Wenn wir zurück sind, hast du einen auszugeben“, sagte Karé und klopfte ihn auf die Schulter. Mit einem vielsagenden Blick zu Finn, packte sie Jess am Ärmel und zog sie weiter.
Poe sah ihnen einen Moment hinterher als sie den Gang hinunter verschwanden. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und wandte das Gesicht dann zu Finn. Er wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, bis sie alle aufbrechen mussten um sich der Ersten Ordnung zu stellen. Corouscant war von der Neuen Republik als Sitz der Regierung für ein paar Monate in Betracht gezogen worden, doch die Affiliation mit dem Galaktischen Imperium war als zu groß erachtet worden. Dass die Erste Ordnung ihren Einfluss von dort ausgehend weiter ausbreiten wollte, war nur allzu nachvollziehbar. Corouscant war noch immer eine blühende Metropole und Sympathien für die vergangene Zeit war dort noch immer am größten. Corouscant durfte auf keinen Fall in die Hände der Feinde fallen. Und dafür musste er Finn jetzt wieder verlassen.
„Wo wirst du sein?“, fragte er leise. Dieses Mal musste er es wissen. Er wollte nicht wieder Ungewissheit haben.
„Ich weiß es nicht“, sagte er leise. „Ich nehme an, dass Rey mit dem Millennium Falken dabei sein wird und ich werde wohl da sein, oder auf irgendeiner Krankenstation.“ Er hob die Schultern.
„Ich will fragen, was dir lieber ist, aber die Antwort will ich das nächste Mal erst hören.“ Es war beinahe wie nach ihrer letzten Trennung, als Finn ihm das Versprechen abgenommen hatte dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Er wollte etwas offen lassen, damit ein Versprechen in der Luft hängen blieb, das sie einhalten mussten. Sollte es nicht dazu kommen, würde Poe es für immer bereuen.
Finn schüttelte den Kopf. „Ich sag’s dir jetzt“, sagte er, als habe er Poes Gedanken erraten. „Ich hasse diesen Krieg und ich werde froh sein, wenn es vorbei ist. Aber bis dahin werde ich eben tun, was ich kann.“
Mit einem kleinen Lächeln zog Poe Finn noch einmal näher. Es war keine wirkliche Antwort gewesen, aber es genügte um Poe dessen zu versichern, was er ohnehin schon geahnt hatte: Finn war ein guter Soldat, aber er würde dem Krieg niemals hinterherlaufen und das, fand Poe, war beruhigend. „Ich will dich nicht verunsichern“, flüsterte er gegen Finns Lippen und er wusste, dass die Zeit drängte, aber losreißen konnte er sich nicht. Nicht, bevor er nicht losgeworden war, was er sagen musste, „aber ich liebe dich und ich will dich wiedersehen. Also lass uns dafür sorgen, dass genau das passiert.“
Finn erwiderte seinen Blick. Er wirkte überrumpelt, so als brauche er einen Moment um zu begreifen, was Poe ihm da gesagt hatte. Als habe er noch niemals jemanden diese Worte sagen hören. Doch es stimmte. Sie hatten kaum Zeit nahe beieinander verbracht, doch die Zeit, die sie nicht zusammen gewesen waren, hatte Poe mehr als deutlich gezeigt, wie es um ihn bestellt war. Ohne ein weiteres Wort zog er Finns Gesicht näher und presste die Lippen auf seine. Er brauchte keine Antwort von Finn. Nicht hierauf. Er wusste es ja doch auch so.
Die Flotte der Republik war in vielen Systemen im Einsatz. Nicht überall konnten Schiffe abgezogen werden und viele Systeme waren nicht bereit gewesen für diesen Moment ihre eigenen Verteidigungsmaßnahmen auszudünnen. Sie befanden sich im Krieg, also war jeder zuerst auf seine eigene Sicherheit bedacht.
Es waren zwanzig X-Flügler des Widerstands, fünfzig der Republik, drei Kriegsfregatten des Widerstands und einige veraltete Schiffe, die doch einige Systeme auf die Schnelle hatten entbehren können, die gleichzeitig aus dem Hyperraum sprangen. Direkt unter ihnen war unter einer dünnen Decke aus Wolken und Smog die dicht bebaute und auf mehreren Ebenen pulsierende Stadt, die sich über den gesamten Planeten erstreckte. Seit mehreren Stunden war Corouscant unter Beschuss und die dort bisher stationierten Schiffe der Republik waren in erhitzte Gefechte verwickelt. Sofort sah Poe, wie eng es aussah. Sein Blick flog zu den zehn riesigen Sternenzerstörern und den ungezählten Tie-Jägerschwadronen, die kontinuierlich Lasersalven auf die angreifenden Schiffe abfeuerten. Mehrere Wrackteile trieben bereits im Raum und Poe mochte nicht daran denken, wie viele diese Schlacht schon jetzt das Leben gekostet hatte, und wer noch würde dran glauben müssen. Der Display vor ihm zeigte an, dass es schon jetzt nicht gut für sie aussah.
Er nickte, als er Admiral Ackbars Befehl vernahm, dass die X-Flügler zuerst vordringen sollten und beschleunigte sofort. Fünf X-Flügler waren direkt hinter ihm, als sie sich durch die Trümmerteile auf die kämpfenden Ties zubewegten. „Machen wir ein bisschen Ärger.“ Die Antworten, die durch das Komm zu ihm durchdrangen sagten ihm, dass sie alle bereit waren. Es war kein Geheimnis geblieben, dass er zum Widerstand zurückgekehrt war. Natürlich nicht. Doch immerhin hatte er nicht noch mehr Leute durch seine Anwesenheit überrascht. Karé und Jess hatten es den anderen Piloten erzählt, General Organa hatte die anderen hochrangigen Offiziere informiert, doch dass Commander Dameron wieder bei ihnen war, war immerhin nicht über das Wissen des Widerstands hinaus bekannt geworden. Nicht, soweit Poe wusste jedenfalls und darum war er froh. Für den Moment hatte er nur die Begrüßung seiner Kameraden und Vorgesetzten über sich erdulden müssen und seinem Vater hatte er eine Holonachricht geschickt. Es hatte sich seltsam angefühlt, eine solche Nachricht zu verschicken, gerade weil diese kaum zum Ausdruck bringen konnte, was er sagen musste und zeigen wollte. Und doch... er wollte seinen Vater nicht im Ungewissen lassen. General Organa hatte recht gehabt.
Die Ties waren in Kämpfe mit einer Ansammlung A- und Y-Flüglern verwickelt, vermutlich die letzten kleinen Kampfschiffe, die noch auf Corouscant stationiert gewesen waren. Schlagartig ging Poe auf, dass, wer auch immer für den Schutz Corouscants verantwortlich war, viel eher diesen Schutz hätte aufstocken müssen. Warum hatte er es nicht getan?
Poe hielt in gerader Linie auf die Ties zu, die geradezu wie ein Schwarm Insekten die Flieger der Republik eingekesselt hatten und als die X-Flügler auf sie zurasten, stoben sie auseinander. Noch wagte Poe nicht Schüsse abzufeuern aus Angst einen Verbündeten zu treffen, doch sobald die Ties zerstreut waren, konnten er und die Kämpfer der Republik sie unter Beschuss nehmen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Falke, gefolgt von fünf X-Flüglern auf einen der gigantischen Sternenzerstörer zuraste und für einen Herzschlag war ihm, als müsse er sich ihnen anschließen. Finn war auf diesem Schiff. Er hatte nicht gefragt, doch er war sich sicher, dass Finn sich im Endeffekt nicht aus dem Kampfgetümmel heraushalten lassen würde.
Er drehte abrupt nach links ab, als einer der Ties wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte und Beebee-Ate kreischte protestierend auf. „Ich weiß, das war knapp. Tut mir leid, Kumpel!“ Er durfte sich nicht ablenken lassen. Über das Comm hörte er, wie die anderen Schwadrone sich koordinierten. Eines der Schiffe, die bereits in die Kämpfe verwickelt gewesen waren, geriet arg in Bedrängnis und in dem Moment in dem Poe einen der Ties in die Luft jagte, sah er, als die Explosionswolke sich verflüchtigte, wie drei Ties gleichzeitig auf das Schiff der Republik zuhielten und einer von ihnen mit dem Teil des Schiffes kollidierte in dem sich die Brücke befinden musste. Poe fluchte, riss seinen X-Flügler herum und hielt weiter auf die sich schnell neu formierten Ties zu.
„Sie formieren sich zu schnell neu!“, kam Karés Stimme aus seinem Kopfhörer und seufzte.
„Neue Taktik...“, stimmte er zu. Mit allein zwanzig Ties hatten sie es hier zu tun. Und schon kamen die ersten Verlustmeldungen herein.
„Rogue Three, und Five, Green Two und Blue One.” Ackbars Stimme war neutral, doch Poe spürte bei jeder Kennung einen Stich in der Brust. „Es sind zu viele!“ Die Sternenzerstörer waren für die X-Flügler geradezu unerreichbar. Auch der Falke und die ihn umgebenden X-Wings kamen nicht zu ihnen durch. Die Ties schwirrten nicht nur in einzelnen Abteilungen auf die Flieger der Republik zu, sondern auch um die Sternenzerstörer.
„Poe, ich brauche Hilfe!“ Jess.
„Ich sehe dich!“ Er drehte bei. Zwei Ties saßen ihr im Nacken. So schnell er konnte setzte er sich hinter die Ties, doch sie schwirrten geradezu durcheinander. Wie schnell sie waren! Poe blinzelte, konzentrierte sich auf den Zielmonitor und presste die Lippen aufeinander, als einer der Ties feuerte und Jess‘ Flieger gefährlich ins Trudeln geriet, doch die Deflektorschilde hatten den Großteil des Treffers abgehalten.
„Meinen Astromech hat es erwischt!“
„Ich krieg sie schon!“ Nein. Den Zielmonitor konnte er vergessen. Hinter seinen Schläfen hämmerte es. Er war nicht fit. War nicht bereit für dieses Operation. Spätestens jetzt merkte er es, doch das Adrenalin, das durch seine Adern rauschte trieb ihn voran. Er atmete tief durch. Das hier konnte er. Auch ohne verdammten Zielmonitor! Er musste nur aufhören zu denken und fliegen wie immer. Das konnte er doch! Und es ging. Als der erste Tie getroffen wurde, hielt er die Luft an. Als er den zweiten ausschaltete, atmete er aus.
„Danke, Black Leader!“
Poe atmete schwer und schüttelte den Kopf. Eine lauter Protestlaut von Beebee-Ate ließ ihn zusammenfahren und als seine Deflektorschilde durch einen Schuss außer Gefecht gesetzt wurden, wurde er ruckartig nach vorn geschleudert.
„Ich bin an ihm dran!“ Iolo.
Er hatte ihn nicht gesehen. Hatte den Tie nicht gesehen und war vollkommen gedankenlos geradeaus geflogen. „Verdammt!“ Er zog den Steuerknüppel nach rechts, nach links, zog ihn nach oben im Versucht den Tie abzuschütteln. Noch ein Treffer und es wäre vorbei! „Beebee, versuch ob du Energie umleiten kannst.“
Einige Binärlaute.
„Du bist der Astromech, nicht ich!“ Sofort ärgerte er sich über den ruppigen Tonfall. Immerhin war es seine Schuld. Eine Druckwelle schleuderte ihn wieder einige Zentimeter nach vorn in seinem Sitz.
„Ich hab ihn!“
Poe stieß die Luft aus, die er angehalten hatte. „Danke, Iolo.“
„Immer gerne, Commander! Wir brauchen dich ja noch ein bisschen. War nicht so amüsant ohne dich.“
Ein ersticktes Lachen kam über seine Lippen, doch es blieb ihm im Halse stecken, als er sah, wie direkt vor ihm ein Tie einen X-Wing ausschaltete. Schnell wandte er sein Schiff wieder um. Es war in Ordnung. Er lebte noch, Beebee-Ate war unversehrt. Er musste nur jetzt mehr Acht geben. Ein Blick auf den Display vor ihm versicherte ihm, dass der Astromech es geschafft hatte die Heckdeflektorschilde wieder zum funktionieren zu bringen. Iolo und Jess bezogen Position an seinen Seiten, als sie beidrehten und wieder auf das Kampfgetümmel zuschossen. Als Poe sah wie ein Schiff nach dem anderen den umherschwirrenden Tie-Jägern zum Opfer fiel, sank sein Herz. Sie hatten keine Chance. Und doch würden sie nicht aufgeben. Nicht, solange sie noch fliegen konnten.
Ein Warnsignal ließ ihn zusammenfahren. Seine Sensoren hatten irgendetwas aufgefangen, doch die Lasersalven der Schlacht machten es unmöglich herauszufinden, was genau geschehen war. Darauf konnte er sich jetzt nicht konzentrieren. Ruckartig zog er seinen X-Flügler beiseite und streifte haarscharf an einem Tie vorbei, der sofort von Jess ausgeschaltet wurde. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als zwei weitere Tie-Jäger, grüne Lasersalven auf ihn abfeuert auf ihn zurasten. Sein Daumen war auf dem Abzug und während er den Rechten unter Beschuss nahm und, nachdem sie aneinander vorbei geflogen waren, die Verfolgung aufnahm, wandte Iolo sich dem Linken zu. Sein Herz raste.
„Neue Schiffe sind aus dem Hyperraum gesprungen. Sie nehmen die Sternenzerstörer unter Beschuss!“
„Ich sehe sie!“
„Wie viele?“
„Ich weiß nicht, kann sie nicht zählen! Zu viele!“
Die Stimmen über das Komm sprachen wild durcheinander und Poe brauchte einen Moment, in dem er den Tie vor sich ins Visier nahm und abdrückte, den Feind aber nur streifte, bis er verstand, was sie sagten.
„Wer?!“, rief er und zog hoch. Die Republik hatte kaum noch einen nenneswerte Flotte aufzuweisen. Alle Schiffe, die sie hatten mobilisieren können waren hier!
Der Pilot des Tie-Jägers schien die Kontrolle über sein Gefährt verloren zu haben und kollidierte mit einem seiner Kameraden. Poe riss den Steuerknüppel beiseite um der Explosionswolke aus zu weichen. Unter sich sah er, wie nahe er der Atmosphäre Corouscants bereits gekommen war. Schnell zog er hoch und nach einer Drehung um die eigene Achse sah er sie. Unzählige Schiffe. Größere und Kleinere, die die Sternenzerstörer unter Beschuss nahmen. Die Ties, die nicht in Einzelkämpfe mit den Schiffen der Republik verwickelt waren, drehten bei, um die Sternenzerstörer zu schützen. In diesem Moment, da Poe realisierte, dass sie nicht allein waren, dass von irgendwo her eine ganze Flotte wie aus dem Nichts aufgetaucht war, um ihnen beizustehen.
„Hier spricht Satora Heec!“
Die Stimme die durch den Kopfhörer zu ihm vordrang ließ ihn aufhorchen. Satora! Und er verstand...
„Ich nehme an, ihr könntet Hilfe gebrauchen?“
Poe lachte. Er konnte nicht anders.
„Wer sind Sie? Verstehen Sie mich nicht falsch, aber-“ General Organa.
„Es sind Schmuggler, General!“, meldete Poe sich zu Wort und war sich sicher, dass Organa sein breites Grinsen in seiner Stimme hören würde. „Die Schmuggler von Nar Shadaa.“
„Dameron! Lange nicht gehört!“
Beebee-Ates Piepen klang beinahe enthusiastisch. Wann hatte der Droide sein Misstrauen abgelegt?
„Hallo, Satora!“ Er atmete erleichtert aus. So hatten sie eine Chance. Die Schmuggler hatten also nicht resigniert. Hatten nicht aufgegeben.
„Wir schulden der Ersten Ordnung noch etwas!“, drang Satoras Stimme zu ihnen durch und in genau diesem Moment löste einer der Sternenzerstörer, der unter heftiges Feuer geraten war, sich in eine riesige Flammenwolke auf.
„Das war die Vanquisher!“, verkündete Ackbar mit einem Tonfall von Triumph in der Stimme, der Poe die Luft abschnürte.
Die Vanquisher. Diesen Namen würde Poe nicht so schnell vergessen. Das Gesicht eines Mannes trat vor seine Augen. Bendar... Morap... Meelan Bendar... Morap. Er presste die Lippen aufeinander. Also war es vorbei. Endgültig vorbei.
Poe spornte seinen Sternenjäger an schneller zu fliegen, nahm die Verfolgung eines weiteren Ties auf. Nein. Es war nicht vorbei. Dieser Krieg fing gerade erst an.
Die Frau ihm gegenüber betrachtete ihn eingehend. Ihre braunen Augen blickten ihm ernst entgegen. General Leia Organa, Mitglied des imperialen Senats, Prinzessin des vom Imperium zerstörten Planeten Aldraan, und Anführerin der Rebellen Allianz war, seit Poe sie kannte, keine vor Fröhlichkeit strotzende Person gewesen, doch als sie erkannte, dass er derjenige war, den Finn und Rey zur Basis brachten, hatte ihr Gesicht sich aufgehellt. Sie hatte beinahe gelächelt. Nicht so jetzt.
Sein Mund war staubtrocken. Zum ersten Mal hatte er jemandem die volle Geschichte erzählt. Von Bendar, dem Verhör, der Flucht und vor allem von seinem Versagen. Die Enttäuschung in ihrem Blick war beinahe greifbar und doch sprach sie es nicht aus.
„Ich verstehe“, sagte sie leise in ihrer tiefen, beruhigenden Stimme. Sie seufzte und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. Sie schwieg einen Moment, faltete die Hände auf dem Tisch und blickte darauf hinab.
Poe musste an sich halten um sich nicht umzudrehen. Zu der Tür, hinter der Finn auf ihn wartete. Die neue Basis des Widerstands war eine uralte Gebäudestruktur auf einem unbewohnten, kahlen Mond. Bereits zu Zeiten des Imperiums war dieser Außenposten der Rebellenallianz so gut wie nie benutzt worden und deswegen war er auch jetzt einer der sichersten Orte vor der Ersten Ordnung. Direkt nachdem der Falke angedockt hatte, hatte Finn ihn unauffällig und vor allem unerkannt in einen der Konferenzräume gebracht, wo General Organa bereits auf ihn gewartet hatte. Sie hatte ihn damals rekrutiert und sie war es gewesen, die ihn auch jetzt in Empfang nahm. Dass sie Finn hinausschickte hatte ihn nicht überrascht, aber sofort hatte er ihn vermisst. General Organa allein unter die Augen zu treten war ihm unangenehm. Trotzdem wusste er, dass es so genau richtig war. Er schuldete auch ihr eine volle Erklärung.
Nach einer Weile sah Organa auf. „Wir haben geahnt, dass sie uns verfolgen würden und dem Rest der Flotte einen anderen, neutralen Treffpunkt durchgegeben. Es hat uns einige Zeit gekostet hier mit dem Aufbau einer neuen Basis zu beginnen.“
Poe nickte stumm und erwiderte Organas Blick. Er hatte sie enttäuscht und die Schuldgefühle, die ihn seit Tagen umtrieben, schienen ihn in diesem Augenblick zu ertränken.
„Sie haben keinen wirklichen Schaden angerichtet Poe, und ich bin froh, dass es Ihnen gut geht. Mehr oder weniger.“ Ihre Augen wanderten zu dem Mal an seinem Hals, das Poe nur notdürftig mit dem halbhohen Kragen des Strumtruppleroveralls verdecken konnte.
Wieder nickte er. „General, ich-“
Sie hob begütigend die Hand, dann zog sie ihr Datapad näher, das bisher unberührt auf dem Tisch vor ihr gelegen hatte. Sie tippte einige Male darauf, dann seufzte sie. „Bendar... er war ein Pilot der Republik und dieser Bendar, den sie bei der Ersten Ordnung getroffen hatten war...“
Poe nickte und schluckte schwer. „Sein Bruder. General, ich muss versuchen ihn zu schützen so lange es geht. Das schulde ich ihm und... und Morap.“ Er runzelte die Stirn als er Organa bittend ansah. Er war sich sicher, dass sie ihn verstehen würde.
Sie lächelte schmal. „Es wäre ein feiner Schlag gegen die Erste Ordnung gewesen, Ihre Rückkehr zum Widerstand irgendwie zu inszenieren, aber ich verstehe natürlich was Sie meinen.“ Sie schaltete das Datapad aus und schob es von sich. „Ich verstehe das also richtig, dass sie sofort wieder zum Dienst antreten wollen, Poe?“
Die Frage allein suggerierte ihm, dass sie das für keine gute Idee hielt. Er brachte ein halbernstes Lächeln zustande. „General…“ Er brach ab und nahm sich noch einen Moment Zeit um zu formulieren, was er wollte. „Ich will nicht in eine Situation geraten in der ich gezwungen bin Bendar offen zu verraten, aber ich weiß, dass ich dem Widerstand und allen hier etwas schulde.“ Sie hatte er verraten und mit diesem Gedanken zu leben fiel ihm überaus schwer.
„Das ist vielleicht bewundernswert, aber haben Sie eine Ahnung davon, wie Sie aussehen?“
Poe schnaubte zur Antwort. Natürlich wusste er es und er verstand auch, was Organa ihm damit sagen wollte: er sah nicht so aus, als wäre es eine gute Idee ihn in den nächsten X-Flügler zu setzen. „Ja, General, ich hatte Gelegenheit in einen Spiegel zu sehen.“ Er war nicht überrascht gewesen, als er, kurz bevor sie hier angekommen waren, in der kleinen Sanitätseinheit des Falken ein weiteres graues Haar zu entdecken.
Sie nickte. „Dann verstehen Sie vielleicht, warum ich es für eine gute Idee halten würde, Sie nach Hause zu schicken.“ Sie hob die Hand um ihn zu unterbrechen noch bevor er zum Protest ansetzen konnte. „Ihr Vater ist noch immer überzeugt davon seinen Sohn verloren zu haben. Wie lange wollen Sie ihn in diesem Glauben lassen? Und Sie brauchen Ruhe, Poe. Sie sind nicht gesund und ich will Sie nicht wieder verlieren. Sie haben Ihr Guthaben an verdammten Glück so gut wie aufgebraucht.“
Poe biss sich auf die Unterlippe. Ihm war klar, dass sie recht hatte und dass der einzige Grund dafür, dass er noch am Leben war, damit zu tun hatte, dass er tatsächlich unverschämtes Glück gehabt hatte. Auch der Gedanke daran erst einmal nicht ins Feld zu müssen, vielleicht sogar ein wenig Zeit mit Finn zu verbringen, war beinahe verführerisch. Beinahe, denn er wusste, dass er sich diese Zeit nicht gönnen dürfte. „General, die Erste Ordnung wird nicht pausieren. Nicht jetzt, wo sie so weit vorgedrungen sind.“
Organas Gesicht war mit einem Mal wie versteinert. Poe dachte an den Mann, den sie verloren hatte, an ihren Heimatplaneten und all die politischen Verbündeten, die sie im Hosnian-System gehabt haben musste und er wusste sofort, dass er einen wunden Punkt gefunden hatte.
„Ich will eine Chance, General. Ich weiß nicht, wie ich mit mir leben kann, wenn-“
„Sie sind nicht der Erste, der dem Druck der Befragung nachgegeben hat, Poe, hören Sie auf sich besonders herauszustellen. Glauben Sie mir, ich weiß wie Sie sich fühlen, aber es bringt nichts über verschüttete Milch zu weinen.“ Sie seufzte und fuhr sich mit einer Hand über die Augen. Poe schwieg. Sie musste es nicht sagen, aber dass sie einen Moment Ruhe zum Nachdenken brauchte, war nur allzu ersichtlich. Sie seufzte. „Nar Shadaa ist in die Hände der Ersten Ordnung gefallen, sagen Sie?“
Wieder nickte er, sagte aber nichts weiter.
„Das heißt die Ressourcen des Planeten, alles was die fliehenden Schmuggler und Piraten und Wasauchimmer da gelassen haben, gehört jetzt unseren Feinden.“ Sie presste die Lippen aufeinander und betrachtete Poe mit verschränkten Armen. Ihre Stirn war kraus gezogen und er konnte förmlich beobachten, wie sie nachdachte und zu einem Schluss kam, den er hören musste. Gerade holte sie Luft um ihm ihr Urteil zu verkünden, als ihr Komm einen lauten Alarmton ausstieß. Ihr Augen weiteten sich für einen Moment, dann zog sie das Komm hervor, legte es auf die Tischplatte vor sich und aktivierte es. Sofort erschien die Figur von Admiral Ackbar zigfach verkleinert vor ihr. Poe sah ihn nur von hinten, doch die Gestalt des Mon Calamari hätte er überall erkannt.
„Ackbar?“
„Leia“, die vertrauliche Ansprache verriet Poe, dass Ackbar vermutlich keine Ahnung davon hatte, dass General Organa sich in einem Gespräch befand. „Der Kontakt der Republik zu Corouscant ist vor wenigen Minuten abgebrochen, kurz nachdem Sternenzerstörer im System aufgetaucht sind.“
Poe hob die Brauen und sah General Organa direkt an, doch die starrte auf Ackbars Projektion mit einer Mischung aus Unglauben und Resignation.
„Darauf haben wir ja nur gewartet“, sagte sie mit ruhiger Stimme und verschränkte die Hände vor sich auf der Tischplatte. „Ich bin sofort bei Ihnen, Admiral.“ Die Projektion verschwand mit einem leichten Flirren und langsam hob Organa den Blick. Sie betrachtete Poe einen Moment und er konnte sehen, dass sie sich innerlich zum nächsten Entschluss durchringen musste. „Willkommen zurück, Commander“, sagte sie und stand auf. „Sie können froh sein, dass wir nicht zur Republik gehören, sonst hätte dieser Satz sehr viel Papierkram verlangt. Sie werden in der Kommandozentrale erwartet.“ Sie seufzte. Ihr Gesicht war bleich. Jetzt ging es für sie und die anderen hochrangigen Offiziere darum so schnell wie möglich die Verteidigung Corouscants zu planen. „Ich erwarte, dass Sie ihrem Vater eine Nachricht schicken, bevor Sie sich wieder in Gefahr begeben.“ Es war kein Befehl, den sie befugt gewesen wäre ihm zu geben, trotzdem nickte er. Sie hatte recht, wusste er.
Als sie sich zum gehen wandte, hob er die Hand um sie aufzuhalten. „General Organa?“
Sie hielt inne und sah ihn wieder aus müden, braunen Augen an. „Ja, Commander.“
„Die Sternenjäger sollten mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet sein, der manuell gesteuert werden kann“, sagte er leise, aber voller ernst. Es fiel ihm schwer das zu sagen, doch er wusste, dass er es sagen musste. So etwas durfte nie wieder passieren. „Ich weiß, wir sind kein Selbstmordkommando, aber...“
Eine Weile starrte sie ihn an. Keine Ungläubigkeit war in ihrem Blick. Keine Verneinung. Sie nickte wieder, dann ging sie hinaus und ließ die Tür hinter sich offen stehen. Poe folgte ihr und als sein Blick auf die Gestalt fiel, die direkt vor der Tür auf einem unbequemen Stuhl saß und schlief, musste er unweigerlich grinsen. Das hier war kein Moment um zu lächeln, doch er konnte nicht anders. Finn, das ahnte er, hatte in den letzten Wochen mindestens so schlecht geschlafen wie er, wenn überhaupt. Vorsichtig beugte Poe sich über den anderen Mann und nahm das Gesicht in die Hände. Ruckartig fuhr Finn zusammen und die Lider flogen auf.
„Poe?“ Finns Stimme war heiser. Tiefer als sonst. „Was hat sie gesagt?“
Poe seufzte und küsste Finn kurz auf die Lippen. Wieder etwas, das ein Abschiedskuss für die Ewigkeit sein konnte. Und genau das sollte der Kuss nicht sein. Vielmehr ein Versprechen. „Die Erste Ordnung greift Corouscant an. Ich muss los“, sagte er gegen Finns Lippen und bereute die Worte noch bevor er die letzte Silbe hatte herausbringen können. Nicht wieder. Das würde er nicht noch einmal durchstehen! Und doch... er musste. Und er wäre lieber gestorben als Finn jetzt aufzugeben. „Wenn das hier vorbei ist“, begann er, „verbringen wir ein paar Tage auf Yavin 4.“ Er wollte Finn nicht zurücklassen, aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte.
Bevor er sich wieder aufrichten konnte, hielt Finn ihn fest, zog ihn zu sich herunter und presste die Lippen auf seine. „Komm zurück“, wisperte er. „Dieses mal ein bisschen schneller, bitte.“
Poe blinzelte. Finns Blick gab ihm Mut, erfüllte ihn mit einer Wärme, die er kaum für möglich gehalten hätte. Sein Grinsen hatte beinahe etwas Freches. „Immer. Sobald ich kann. Irgendwie. Versprochen.“ Und er war sich beinahe sicher dieses Versprechen einhalten zu können. Irgendwie. Er ließ eine Hand in Finns Nacken gleiten und hielt ihn so fest, unfähig den Blickkontakt zu lösen. Langsam näherte er sich wieder dem anderen. Hiernach würde er gehen nur noch ein Mal.
Ein halberstickter Schrei ließ ihn zusammenfahren und ruckartig wandte er den Kopf. Als er die zwei Frauen, keine zehn Meter von sich entfernt stehen sah, ließ er Finn widerwillig los. Trotzdem musste er lächeln und er musste zugeben wie erleichtert er war die großgewachsenen Frauen in ihren Fliegeranzügen vor sich stehen zu sehen.
Karé Kun, das wasserstoffblonde Haar in einem losen Zopf zusammen gebunden, starrte ihn mit offenen Mund an und Poe spürte, wie seine Wangen heiß wurden, als Jessika Pava sich aus ihrer Starre löste und beinahe auf ihn zu rannte um die Arme um ihn zu werfen. Poe lächelte unsicher und erwiderte die Umarmung. Er kannte sie, seit er beim Widerstand war, hatte viel Zeit mit ihr und den anderen Piloten hier verbracht und war froh sie zu sehen... und trotzdem. Es fühlte sich fremd an. Er ließ sie los und sah auf zu Karé, die die Hände in die Hüften stemmte und ungläubig den Kopf schüttelte.
„Wie bist du da rausgekommen, Dameron...“ Ihre tiefe Stimme verriet nichts von Überraschung oder sonst irgend einer Emotion.
Poe hob die Schultern und schüttelte dann den Kopf. „Lange Geschichte?“, versuchte er und seufzte. Er sah zu Finn hinab, der seinen Blick mit einem kleinen Lächeln erwiderte und dann aufstand und sofort besitzergreifend einen Arm um Poes Schultern legte.
Karé brachte ein kleines schiefes Grinsen zustande und Jess hob die Hand und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Schulter. „Wir hatten eine Trauerfeier, Dameron!“ Mit einem Mal wirkte sie wütend und Poe nickte leicht, sah dann aber zu Karé, die er so lange kannte. Er war der Kommandant ihres Schwadrons gewesen ehe Morap gestorben war und sie war dabei gewesen als es Muran erwischt hatte. Sie hatte Morap gekannt, wusste Bescheid über ihn und Poe. Ein dringendes Bedürfnis es ihr zu sagen, ihr zu sagen, dass Morap vor so vielen Jahren vor der Ersten Ordnung ins Gebiet der Republik geflohen war, überkam ihm. Es überkam ihn das Verlangen ihr zu erzählen, dass er Moraps Bruder getroffen hatte und bei dem Gedanken daran zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. Wieder schüttelte er den Kopf.
„Ich kann euch nichts verraten“, sagte er leise und mit einem beinahe bedauernden Lächeln. Nein. Er wollte nicht darüber reden. Wollte es nicht noch einmal durchleben. Finn wusste es. General Organa wusste es. Das musste reichen. Für jetzt jedenfalls. „Ich hatte gerade ein Gespräch mit General Organa. Es sieht aus, als würden wir bald wieder aufbrechen.“
Jess schien noch immer nicht fassen zu können, wer vor ihr stand und Karé schien es ebenso zu gehen. „Jetzt?“, fragte Jess. „Du siehst nicht gut aus.“
Schnaubend stieß Poe sie an. „Danke für das Kompliment. Das wird schon wieder.“ Unsicher blickte er die beiden Frauen an. Mit ihnen hatte er in seinem Schwadron immer am meisten geredet und zu tun gehabt außerhalb des Dienstes und bei dem Gedanken daran, dass es ihnen gut ging, spürte er wie ein schweres Gewicht von seinen Schultern genommen wurde. Doch dann erinnerte er sich daran, dass sie wieder auf dem Weg in eine Schlacht waren und sofort war ihm speiübel. „Es tut mir leid, dass ich euch im Stich gelassen habe.“ Das tat es. Und sie verstanden vermutlich nicht einmal was genau er meinte. Trotzdem musste er es ihnen sagen.
Jess schien noch etwas sagen zu wollen, hielt sich aber sichtlich zurück. Ihre Augen sagten ihm nur allzu deutlich, dass sie gern weiter gefragt hätte, doch ein Blick zu Karé beendete dieses Vorhaben ebenfalls. Sie seufzte und machte eine Geste, die aussah, als wolle sie ihn noch einmal umarmen, doch dann verschränkte sie die Arme nur vor der Brust.
„Wenn wir zurück sind, hast du einen auszugeben“, sagte Karé und klopfte ihn auf die Schulter. Mit einem vielsagenden Blick zu Finn, packte sie Jess am Ärmel und zog sie weiter.
Poe sah ihnen einen Moment hinterher als sie den Gang hinunter verschwanden. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und wandte das Gesicht dann zu Finn. Er wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, bis sie alle aufbrechen mussten um sich der Ersten Ordnung zu stellen. Corouscant war von der Neuen Republik als Sitz der Regierung für ein paar Monate in Betracht gezogen worden, doch die Affiliation mit dem Galaktischen Imperium war als zu groß erachtet worden. Dass die Erste Ordnung ihren Einfluss von dort ausgehend weiter ausbreiten wollte, war nur allzu nachvollziehbar. Corouscant war noch immer eine blühende Metropole und Sympathien für die vergangene Zeit war dort noch immer am größten. Corouscant durfte auf keinen Fall in die Hände der Feinde fallen. Und dafür musste er Finn jetzt wieder verlassen.
„Wo wirst du sein?“, fragte er leise. Dieses Mal musste er es wissen. Er wollte nicht wieder Ungewissheit haben.
„Ich weiß es nicht“, sagte er leise. „Ich nehme an, dass Rey mit dem Millennium Falken dabei sein wird und ich werde wohl da sein, oder auf irgendeiner Krankenstation.“ Er hob die Schultern.
„Ich will fragen, was dir lieber ist, aber die Antwort will ich das nächste Mal erst hören.“ Es war beinahe wie nach ihrer letzten Trennung, als Finn ihm das Versprechen abgenommen hatte dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Er wollte etwas offen lassen, damit ein Versprechen in der Luft hängen blieb, das sie einhalten mussten. Sollte es nicht dazu kommen, würde Poe es für immer bereuen.
Finn schüttelte den Kopf. „Ich sag’s dir jetzt“, sagte er, als habe er Poes Gedanken erraten. „Ich hasse diesen Krieg und ich werde froh sein, wenn es vorbei ist. Aber bis dahin werde ich eben tun, was ich kann.“
Mit einem kleinen Lächeln zog Poe Finn noch einmal näher. Es war keine wirkliche Antwort gewesen, aber es genügte um Poe dessen zu versichern, was er ohnehin schon geahnt hatte: Finn war ein guter Soldat, aber er würde dem Krieg niemals hinterherlaufen und das, fand Poe, war beruhigend. „Ich will dich nicht verunsichern“, flüsterte er gegen Finns Lippen und er wusste, dass die Zeit drängte, aber losreißen konnte er sich nicht. Nicht, bevor er nicht losgeworden war, was er sagen musste, „aber ich liebe dich und ich will dich wiedersehen. Also lass uns dafür sorgen, dass genau das passiert.“
Finn erwiderte seinen Blick. Er wirkte überrumpelt, so als brauche er einen Moment um zu begreifen, was Poe ihm da gesagt hatte. Als habe er noch niemals jemanden diese Worte sagen hören. Doch es stimmte. Sie hatten kaum Zeit nahe beieinander verbracht, doch die Zeit, die sie nicht zusammen gewesen waren, hatte Poe mehr als deutlich gezeigt, wie es um ihn bestellt war. Ohne ein weiteres Wort zog er Finns Gesicht näher und presste die Lippen auf seine. Er brauchte keine Antwort von Finn. Nicht hierauf. Er wusste es ja doch auch so.
Die Flotte der Republik war in vielen Systemen im Einsatz. Nicht überall konnten Schiffe abgezogen werden und viele Systeme waren nicht bereit gewesen für diesen Moment ihre eigenen Verteidigungsmaßnahmen auszudünnen. Sie befanden sich im Krieg, also war jeder zuerst auf seine eigene Sicherheit bedacht.
Es waren zwanzig X-Flügler des Widerstands, fünfzig der Republik, drei Kriegsfregatten des Widerstands und einige veraltete Schiffe, die doch einige Systeme auf die Schnelle hatten entbehren können, die gleichzeitig aus dem Hyperraum sprangen. Direkt unter ihnen war unter einer dünnen Decke aus Wolken und Smog die dicht bebaute und auf mehreren Ebenen pulsierende Stadt, die sich über den gesamten Planeten erstreckte. Seit mehreren Stunden war Corouscant unter Beschuss und die dort bisher stationierten Schiffe der Republik waren in erhitzte Gefechte verwickelt. Sofort sah Poe, wie eng es aussah. Sein Blick flog zu den zehn riesigen Sternenzerstörern und den ungezählten Tie-Jägerschwadronen, die kontinuierlich Lasersalven auf die angreifenden Schiffe abfeuerten. Mehrere Wrackteile trieben bereits im Raum und Poe mochte nicht daran denken, wie viele diese Schlacht schon jetzt das Leben gekostet hatte, und wer noch würde dran glauben müssen. Der Display vor ihm zeigte an, dass es schon jetzt nicht gut für sie aussah.
Er nickte, als er Admiral Ackbars Befehl vernahm, dass die X-Flügler zuerst vordringen sollten und beschleunigte sofort. Fünf X-Flügler waren direkt hinter ihm, als sie sich durch die Trümmerteile auf die kämpfenden Ties zubewegten. „Machen wir ein bisschen Ärger.“ Die Antworten, die durch das Komm zu ihm durchdrangen sagten ihm, dass sie alle bereit waren. Es war kein Geheimnis geblieben, dass er zum Widerstand zurückgekehrt war. Natürlich nicht. Doch immerhin hatte er nicht noch mehr Leute durch seine Anwesenheit überrascht. Karé und Jess hatten es den anderen Piloten erzählt, General Organa hatte die anderen hochrangigen Offiziere informiert, doch dass Commander Dameron wieder bei ihnen war, war immerhin nicht über das Wissen des Widerstands hinaus bekannt geworden. Nicht, soweit Poe wusste jedenfalls und darum war er froh. Für den Moment hatte er nur die Begrüßung seiner Kameraden und Vorgesetzten über sich erdulden müssen und seinem Vater hatte er eine Holonachricht geschickt. Es hatte sich seltsam angefühlt, eine solche Nachricht zu verschicken, gerade weil diese kaum zum Ausdruck bringen konnte, was er sagen musste und zeigen wollte. Und doch... er wollte seinen Vater nicht im Ungewissen lassen. General Organa hatte recht gehabt.
Die Ties waren in Kämpfe mit einer Ansammlung A- und Y-Flüglern verwickelt, vermutlich die letzten kleinen Kampfschiffe, die noch auf Corouscant stationiert gewesen waren. Schlagartig ging Poe auf, dass, wer auch immer für den Schutz Corouscants verantwortlich war, viel eher diesen Schutz hätte aufstocken müssen. Warum hatte er es nicht getan?
Poe hielt in gerader Linie auf die Ties zu, die geradezu wie ein Schwarm Insekten die Flieger der Republik eingekesselt hatten und als die X-Flügler auf sie zurasten, stoben sie auseinander. Noch wagte Poe nicht Schüsse abzufeuern aus Angst einen Verbündeten zu treffen, doch sobald die Ties zerstreut waren, konnten er und die Kämpfer der Republik sie unter Beschuss nehmen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Falke, gefolgt von fünf X-Flüglern auf einen der gigantischen Sternenzerstörer zuraste und für einen Herzschlag war ihm, als müsse er sich ihnen anschließen. Finn war auf diesem Schiff. Er hatte nicht gefragt, doch er war sich sicher, dass Finn sich im Endeffekt nicht aus dem Kampfgetümmel heraushalten lassen würde.
Er drehte abrupt nach links ab, als einer der Ties wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte und Beebee-Ate kreischte protestierend auf. „Ich weiß, das war knapp. Tut mir leid, Kumpel!“ Er durfte sich nicht ablenken lassen. Über das Comm hörte er, wie die anderen Schwadrone sich koordinierten. Eines der Schiffe, die bereits in die Kämpfe verwickelt gewesen waren, geriet arg in Bedrängnis und in dem Moment in dem Poe einen der Ties in die Luft jagte, sah er, als die Explosionswolke sich verflüchtigte, wie drei Ties gleichzeitig auf das Schiff der Republik zuhielten und einer von ihnen mit dem Teil des Schiffes kollidierte in dem sich die Brücke befinden musste. Poe fluchte, riss seinen X-Flügler herum und hielt weiter auf die sich schnell neu formierten Ties zu.
„Sie formieren sich zu schnell neu!“, kam Karés Stimme aus seinem Kopfhörer und seufzte.
„Neue Taktik...“, stimmte er zu. Mit allein zwanzig Ties hatten sie es hier zu tun. Und schon kamen die ersten Verlustmeldungen herein.
„Rogue Three, und Five, Green Two und Blue One.” Ackbars Stimme war neutral, doch Poe spürte bei jeder Kennung einen Stich in der Brust. „Es sind zu viele!“ Die Sternenzerstörer waren für die X-Flügler geradezu unerreichbar. Auch der Falke und die ihn umgebenden X-Wings kamen nicht zu ihnen durch. Die Ties schwirrten nicht nur in einzelnen Abteilungen auf die Flieger der Republik zu, sondern auch um die Sternenzerstörer.
„Poe, ich brauche Hilfe!“ Jess.
„Ich sehe dich!“ Er drehte bei. Zwei Ties saßen ihr im Nacken. So schnell er konnte setzte er sich hinter die Ties, doch sie schwirrten geradezu durcheinander. Wie schnell sie waren! Poe blinzelte, konzentrierte sich auf den Zielmonitor und presste die Lippen aufeinander, als einer der Ties feuerte und Jess‘ Flieger gefährlich ins Trudeln geriet, doch die Deflektorschilde hatten den Großteil des Treffers abgehalten.
„Meinen Astromech hat es erwischt!“
„Ich krieg sie schon!“ Nein. Den Zielmonitor konnte er vergessen. Hinter seinen Schläfen hämmerte es. Er war nicht fit. War nicht bereit für dieses Operation. Spätestens jetzt merkte er es, doch das Adrenalin, das durch seine Adern rauschte trieb ihn voran. Er atmete tief durch. Das hier konnte er. Auch ohne verdammten Zielmonitor! Er musste nur aufhören zu denken und fliegen wie immer. Das konnte er doch! Und es ging. Als der erste Tie getroffen wurde, hielt er die Luft an. Als er den zweiten ausschaltete, atmete er aus.
„Danke, Black Leader!“
Poe atmete schwer und schüttelte den Kopf. Eine lauter Protestlaut von Beebee-Ate ließ ihn zusammenfahren und als seine Deflektorschilde durch einen Schuss außer Gefecht gesetzt wurden, wurde er ruckartig nach vorn geschleudert.
„Ich bin an ihm dran!“ Iolo.
Er hatte ihn nicht gesehen. Hatte den Tie nicht gesehen und war vollkommen gedankenlos geradeaus geflogen. „Verdammt!“ Er zog den Steuerknüppel nach rechts, nach links, zog ihn nach oben im Versucht den Tie abzuschütteln. Noch ein Treffer und es wäre vorbei! „Beebee, versuch ob du Energie umleiten kannst.“
Einige Binärlaute.
„Du bist der Astromech, nicht ich!“ Sofort ärgerte er sich über den ruppigen Tonfall. Immerhin war es seine Schuld. Eine Druckwelle schleuderte ihn wieder einige Zentimeter nach vorn in seinem Sitz.
„Ich hab ihn!“
Poe stieß die Luft aus, die er angehalten hatte. „Danke, Iolo.“
„Immer gerne, Commander! Wir brauchen dich ja noch ein bisschen. War nicht so amüsant ohne dich.“
Ein ersticktes Lachen kam über seine Lippen, doch es blieb ihm im Halse stecken, als er sah, wie direkt vor ihm ein Tie einen X-Wing ausschaltete. Schnell wandte er sein Schiff wieder um. Es war in Ordnung. Er lebte noch, Beebee-Ate war unversehrt. Er musste nur jetzt mehr Acht geben. Ein Blick auf den Display vor ihm versicherte ihm, dass der Astromech es geschafft hatte die Heckdeflektorschilde wieder zum funktionieren zu bringen. Iolo und Jess bezogen Position an seinen Seiten, als sie beidrehten und wieder auf das Kampfgetümmel zuschossen. Als Poe sah wie ein Schiff nach dem anderen den umherschwirrenden Tie-Jägern zum Opfer fiel, sank sein Herz. Sie hatten keine Chance. Und doch würden sie nicht aufgeben. Nicht, solange sie noch fliegen konnten.
Ein Warnsignal ließ ihn zusammenfahren. Seine Sensoren hatten irgendetwas aufgefangen, doch die Lasersalven der Schlacht machten es unmöglich herauszufinden, was genau geschehen war. Darauf konnte er sich jetzt nicht konzentrieren. Ruckartig zog er seinen X-Flügler beiseite und streifte haarscharf an einem Tie vorbei, der sofort von Jess ausgeschaltet wurde. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als zwei weitere Tie-Jäger, grüne Lasersalven auf ihn abfeuert auf ihn zurasten. Sein Daumen war auf dem Abzug und während er den Rechten unter Beschuss nahm und, nachdem sie aneinander vorbei geflogen waren, die Verfolgung aufnahm, wandte Iolo sich dem Linken zu. Sein Herz raste.
„Neue Schiffe sind aus dem Hyperraum gesprungen. Sie nehmen die Sternenzerstörer unter Beschuss!“
„Ich sehe sie!“
„Wie viele?“
„Ich weiß nicht, kann sie nicht zählen! Zu viele!“
Die Stimmen über das Komm sprachen wild durcheinander und Poe brauchte einen Moment, in dem er den Tie vor sich ins Visier nahm und abdrückte, den Feind aber nur streifte, bis er verstand, was sie sagten.
„Wer?!“, rief er und zog hoch. Die Republik hatte kaum noch einen nenneswerte Flotte aufzuweisen. Alle Schiffe, die sie hatten mobilisieren können waren hier!
Der Pilot des Tie-Jägers schien die Kontrolle über sein Gefährt verloren zu haben und kollidierte mit einem seiner Kameraden. Poe riss den Steuerknüppel beiseite um der Explosionswolke aus zu weichen. Unter sich sah er, wie nahe er der Atmosphäre Corouscants bereits gekommen war. Schnell zog er hoch und nach einer Drehung um die eigene Achse sah er sie. Unzählige Schiffe. Größere und Kleinere, die die Sternenzerstörer unter Beschuss nahmen. Die Ties, die nicht in Einzelkämpfe mit den Schiffen der Republik verwickelt waren, drehten bei, um die Sternenzerstörer zu schützen. In diesem Moment, da Poe realisierte, dass sie nicht allein waren, dass von irgendwo her eine ganze Flotte wie aus dem Nichts aufgetaucht war, um ihnen beizustehen.
„Hier spricht Satora Heec!“
Die Stimme die durch den Kopfhörer zu ihm vordrang ließ ihn aufhorchen. Satora! Und er verstand...
„Ich nehme an, ihr könntet Hilfe gebrauchen?“
Poe lachte. Er konnte nicht anders.
„Wer sind Sie? Verstehen Sie mich nicht falsch, aber-“ General Organa.
„Es sind Schmuggler, General!“, meldete Poe sich zu Wort und war sich sicher, dass Organa sein breites Grinsen in seiner Stimme hören würde. „Die Schmuggler von Nar Shadaa.“
„Dameron! Lange nicht gehört!“
Beebee-Ates Piepen klang beinahe enthusiastisch. Wann hatte der Droide sein Misstrauen abgelegt?
„Hallo, Satora!“ Er atmete erleichtert aus. So hatten sie eine Chance. Die Schmuggler hatten also nicht resigniert. Hatten nicht aufgegeben.
„Wir schulden der Ersten Ordnung noch etwas!“, drang Satoras Stimme zu ihnen durch und in genau diesem Moment löste einer der Sternenzerstörer, der unter heftiges Feuer geraten war, sich in eine riesige Flammenwolke auf.
„Das war die Vanquisher!“, verkündete Ackbar mit einem Tonfall von Triumph in der Stimme, der Poe die Luft abschnürte.
Die Vanquisher. Diesen Namen würde Poe nicht so schnell vergessen. Das Gesicht eines Mannes trat vor seine Augen. Bendar... Morap... Meelan Bendar... Morap. Er presste die Lippen aufeinander. Also war es vorbei. Endgültig vorbei.
Poe spornte seinen Sternenjäger an schneller zu fliegen, nahm die Verfolgung eines weiteren Ties auf. Nein. Es war nicht vorbei. Dieser Krieg fing gerade erst an.
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Re: Der Pilot
Epilog
„Ich, eh...“
„Finn...“
„Poe, ich-“
„Es ist okay!“ Poe lächelte und nahm Finns Gesicht in die Hände, so wie er es nach der Schlacht um Corouscant getan hatte. Es war erst einen Tag her, doch noch immer spürte er die tiefe Dankbarkeit Finn an seiner Seite zu haben. Er schüttelte den Kopf und zog Finn vorsichtig näher, fuhr sachte mit den Lippen über Finns und lachte leise, als er das zufriedene Seufzen hörte. Finns Hände legten sich an seine Seiten, zogen ihn näher, sodass ihre Körper eng aneinander standen. Poe spürte nur allzu deutlich, dass diese Berührung genügte um eine Reaktion bei Finn heraufzubeschwören. Es war beinahe, als hätten sie sich nicht gerade erst angezogen, bevor sie zum Landeanflug angesetzt hatten.
Grinsend schlang Poe die Arme um Finns Hals und strich mit der Zunge über Finns Lippen, die ihm sofort Einlass gewährten.
Ein Schlag in seine Kniekehlen brach den Kuss ab, noch ehe er angefangen hatte. Poe sah mit gehobener Braue auf Beebee-Ate hinab, der wieder gegen seine Beine stieß. „Du bist ein Mistkerl...“, murmelte er, stupste den Droiden mit der Zehenspitze an und sah dann wieder zu Finn. Nacht war über Yavin 4 eingebrochen und das synthetische Licht des Cokpits ließ Finns Gesicht unwirtlich erscheinen. Poe lächelte matt und küsste Finn auf die Wange. „Aber der Mistkerl hat recht, ich sollte raus.“
„Und ich, eh...“
„Du überprüfst noch schnell die Systeme, bevor du rauskommst“, zwinkerte Poe.
Finn schnaubte. Er hatte sich, nach Reys Erzählungen, gut geschlagen. Mehr als gut. Geradezu perfekt.
Poe biss sich auf die Unterlippe und trat einen Schritt zurück, zwang sich Finn loszulassen. Er war nervös. Mehr als nervös. Wann hatte er seinen Vater zuletzt gesehen? Er konnte es unmöglich sagen. „Bis gleich, Finn.“ Er klopfte seinem Freund auf die Schulter, dann wandte er sich um und ging den schmalen Gang des kleinen Schiffes entlang. Hinter sich schloss er die Cockpittür, damit Finn ein wenig Privatsphäre hatte. Bei der Landung hatte er das Haus, in dem er aufgewachsen war, nur allzu deutlich erkannt, hatte gesehen, dass sein Vater herausgetreten war und wusste, dass er warten würde.
Seine Hände waren feucht, als er den Öffnungsmechanismus für die Hecktür betätigte und noch einen Blick auf das zerwühlte Bett richtete, in dem er bis vor wenigen Minuten noch mit Finn gelegen hatte.
Sein Puls raste, als er den Mann am Fuß der Rampe entdeckte, doch ohne zu zögern, trat Poe auf Kes Dameron zu.
„Poe...“ Die vertraute Stimme trieb ihm die Tränen in die Augen.
Er fühlte sich, wie der achtjährige Junge, der sich von der Welt verlassen gefühlt hatte. Bevor sein Vater die Tränen sehen konnte, hatte Poe die Arme um ihn geschlungen und das Gesicht an seiner Schulter vergraben. „Hey, Dad...“, sagte er mit halb erstickter Stimme. Er war zuhause.
Okay.... das war's. Ich hoffe es hat euch gefallen und es tut mir leid. Ich liebe Poe, vermutlich nach dieser Story mehr denn je... allerdings, und ich hoffe, das könnt ihr entschuldigen, glaube ich nicht, dass er, nachdem, was ich ihm hier angetan habe, sofort wieder zur Höchstform im Stande ist. Er hat Finn. Er hat seinen Vater und Polly wird auf ihn warten, aber er wird noch jede Menge Zeit brauchen um sich von allem zu erholen... und diese Zeit will ich ihm jetzt geben
Danke für's Lesen und dafür, dass ihr es so lange mit mir ausgehalten habt!!
„Ich, eh...“
„Finn...“
„Poe, ich-“
„Es ist okay!“ Poe lächelte und nahm Finns Gesicht in die Hände, so wie er es nach der Schlacht um Corouscant getan hatte. Es war erst einen Tag her, doch noch immer spürte er die tiefe Dankbarkeit Finn an seiner Seite zu haben. Er schüttelte den Kopf und zog Finn vorsichtig näher, fuhr sachte mit den Lippen über Finns und lachte leise, als er das zufriedene Seufzen hörte. Finns Hände legten sich an seine Seiten, zogen ihn näher, sodass ihre Körper eng aneinander standen. Poe spürte nur allzu deutlich, dass diese Berührung genügte um eine Reaktion bei Finn heraufzubeschwören. Es war beinahe, als hätten sie sich nicht gerade erst angezogen, bevor sie zum Landeanflug angesetzt hatten.
Grinsend schlang Poe die Arme um Finns Hals und strich mit der Zunge über Finns Lippen, die ihm sofort Einlass gewährten.
Ein Schlag in seine Kniekehlen brach den Kuss ab, noch ehe er angefangen hatte. Poe sah mit gehobener Braue auf Beebee-Ate hinab, der wieder gegen seine Beine stieß. „Du bist ein Mistkerl...“, murmelte er, stupste den Droiden mit der Zehenspitze an und sah dann wieder zu Finn. Nacht war über Yavin 4 eingebrochen und das synthetische Licht des Cokpits ließ Finns Gesicht unwirtlich erscheinen. Poe lächelte matt und küsste Finn auf die Wange. „Aber der Mistkerl hat recht, ich sollte raus.“
„Und ich, eh...“
„Du überprüfst noch schnell die Systeme, bevor du rauskommst“, zwinkerte Poe.
Finn schnaubte. Er hatte sich, nach Reys Erzählungen, gut geschlagen. Mehr als gut. Geradezu perfekt.
Poe biss sich auf die Unterlippe und trat einen Schritt zurück, zwang sich Finn loszulassen. Er war nervös. Mehr als nervös. Wann hatte er seinen Vater zuletzt gesehen? Er konnte es unmöglich sagen. „Bis gleich, Finn.“ Er klopfte seinem Freund auf die Schulter, dann wandte er sich um und ging den schmalen Gang des kleinen Schiffes entlang. Hinter sich schloss er die Cockpittür, damit Finn ein wenig Privatsphäre hatte. Bei der Landung hatte er das Haus, in dem er aufgewachsen war, nur allzu deutlich erkannt, hatte gesehen, dass sein Vater herausgetreten war und wusste, dass er warten würde.
Seine Hände waren feucht, als er den Öffnungsmechanismus für die Hecktür betätigte und noch einen Blick auf das zerwühlte Bett richtete, in dem er bis vor wenigen Minuten noch mit Finn gelegen hatte.
Sein Puls raste, als er den Mann am Fuß der Rampe entdeckte, doch ohne zu zögern, trat Poe auf Kes Dameron zu.
„Poe...“ Die vertraute Stimme trieb ihm die Tränen in die Augen.
Er fühlte sich, wie der achtjährige Junge, der sich von der Welt verlassen gefühlt hatte. Bevor sein Vater die Tränen sehen konnte, hatte Poe die Arme um ihn geschlungen und das Gesicht an seiner Schulter vergraben. „Hey, Dad...“, sagte er mit halb erstickter Stimme. Er war zuhause.
Okay.... das war's. Ich hoffe es hat euch gefallen und es tut mir leid. Ich liebe Poe, vermutlich nach dieser Story mehr denn je... allerdings, und ich hoffe, das könnt ihr entschuldigen, glaube ich nicht, dass er, nachdem, was ich ihm hier angetan habe, sofort wieder zur Höchstform im Stande ist. Er hat Finn. Er hat seinen Vater und Polly wird auf ihn warten, aber er wird noch jede Menge Zeit brauchen um sich von allem zu erholen... und diese Zeit will ich ihm jetzt geben
Danke für's Lesen und dafür, dass ihr es so lange mit mir ausgehalten habt!!
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